laut.de-Kritik

Ist das nicht toll? Tolltolltoll?

Review von

Der Einstieg in diese verflixte dritte Platte gelingt The Temper Trap ziemlich gut: "Thick As Thieves" schwimmt wie ein versehrtes Stück Treibgut im immer noch aufgeschäumten Stil-Fahrwasser von Editors und Interpol, wird nach unten geschwemmt und nach oben getrieben, findet seinen Weg durch die sprudelnden Soundmassen.

Treibend, aber eben im anderen Wortsinn, ist die Komposition, die sich in Wellen entfaltet und den Hörer regelrecht vor sich voran schiebt. Dougy Mandagis Gesang trägt noch Spuren auf seinen einst brüchigen Falsett und offenbart zumindest in den Strophen eine gewisse Verletzlichkeit, ehe das Stück im Refrain in totsicheren Hymnengefilden strandet und sich auch Mandagis Stimme den gängigen Hörgewohnheiten anpasst.

Insofern ist der Opener ein Symbolbild für das nachfolgende Album: Die Hinweise auf das grandiose Debüt "Conditions" sind allgegenwärtig, das im Sand verlaufene Nachfolgewerk "The Temper Trap" erscheint überwunden, aber den Schwung aus diesen beiden Bewegungen nutzt die Band für eine ganz konkrete Weiterentwicklung in Richtung Mainstream.

Wir alle kennen diese Art von Alben, auf denen eine Band ein Stück ihrer Seele an den Teufel verkauft und ihren zuvor eigenen und vielleicht eigenartigen Sound an die Hörgewohnheiten des Zeitgeists oder der Massen anbiedert. Prominente Beispiele wären etwa "Only By The Night" der Kings Of Leon oder zuletzt Mumford & Sons mit "Wilder Mind". Objektiv gute, weil grandios produzierte Alben, weil vollgepackt mit Hits, weil vielleicht sogar moderne Klassiker – aber eben auch Symbol eines Identitätsverlust.

Eine solches Scheibe ist vermutlich auch "Thick As Thieves", dessen Vorhaben und Bestimmung man ab Song zwei offensichtlich spürt. "So Much Sky" schlägt dir direkt in den ersten Minuten ein rohes Ei in Form eines komplett glatt gebügelten "OhWeOhWeOh"-Chors über den Schädel, der sich dann warm und klebrig über dich ergießt. Tatsächlich hatte ich beim ersten Hören das Gefühl, diesen Song schon tausende Male gehört zu haben. Das markiert eine Kunst, schon klar, aber eben auch ein Signal für die absolute Glätte. Wir hören so einen Song, den das ZDF als EM-Hymne wählt, so ein total mitreißendes Ding, mit der man wunderbar Bilder von jubelnden Fans und den ganz großen Emotionen illustrieren kann.

"Thick As Thieves" ist voll mit diesen Momenten. Und wäre ich kein verbissener und kalter Kritiker, ich müsste diesem Album den Stempel eines perfekten Popalbums aufdrücken (und irgendwie mach ich das ja hiermit trotzdem, also implizit, durch die Hintertüre). Hymne reiht sich an Hymne reiht sich an Hymne.

Auf "So Much Sky" folgt mit "Burn" ein fast genau so raumgreifender Song, der Energie regelrecht rauskotzt und das "OhWeOh" zu "OhOhOh" verformt. Zeit zum Verschnaufen bleibt kaum, weil The Temper Trap schon wieder aufgeregt wie ein Urlaubsanimateur neben dir stehen: "Los, komm mit, hör dir diese ausufernde Bridge an. Komm wir grölen noch diese eine Zeile gemeinsam! Schau, wie wir hier die Spannung aufbauen wie U2 und dann alles mit unser totalen Melodie wegbügeln. Ist das nicht toll? Tolltolltoll?" Die zarten, kaum wahrnehmbaren Bewegungen der Anfangstage sind hier den ganz großen Aktionen gewichen: Wo Temper Trap früher ein Fingerzucken reichte, muss es heute ein Radschlag mit Leuchtfackeln zwischen den Zähnen sein.

Auch der Blick auf die Songtitel verrät so einiges. Die heißen "Lost" und "Alive", es geht also parallel zum Soundradius auch textlich um die ganz großen Themen, um Rise & Fall, Phoenix aus der Asche, natürlich mit Happy End. Die beiden angesprochenen Songs markieren leider die zwei negative Höhepunkte des Werks: "Lost" dümpelt uninspiriert vor sich hin, ehe der Stein in Richtung Refrain ins Rollen kommt und The Temper Trap alle Register ziehen, Chöre, Hall und Wiederholungen zusammenwerfen und Mandagis mit der Theatralität einer Operndiva "Nothing in the world can tear us apart" in die Welt hinausjodelt. Puh. In "Alive" das selbe Bild, nur ein wenig schmissiger, dunkler, angespannter, aber dann als fast genaue Kopie "It feel so good, so good to feel alive". Wie oft haben wir genau diese Songzeilen in Songs gehört? Das kann doch echt nicht alles sein.

Schon die Vorabsingle "Fall Together" hatte sich kaum aus diesen Spektren löst. Glücklicherweise geht der Band in der zweiten Hälfte der Platte ein wenig die Luft aus und der Fuß rutscht vom bis dahin durchgedrückten Gaspedal. Mit "Providence" und "Closer" präsentiert die Truppe im letzten Plattenviertel zumindest noch zwei Songs, die ambivalent zu lesen sind und gewissen Ecken und Kanten im Songverlauf präsentieren. Offene Stellen, die zwar umgehend verschlossen werden, aber zumindest kurz aufleuchten und uns darin erinnern, dass Pop und Rock Kunstformen voller Risiken sind, die Scheitern wollen oder Scheitern müssen, die sich aufreiben wollen und müssen, die den Kopf gegen die Wand schlagen.

"Thick As Thieves" aber traut sich über weite Strecken gar nichts und scheitert schlussendlich dann doch, aber an sich selbst, am vollkommen braven und berechnenden Endergebnis. Dieses setzt alle erfolgreichen Radio-Bausteine des vergangenen Indie-Jahrzehnts zu einem neuen, aber komplett langweiligen Bauwerk zusammen und vergisst dabei, die eigene Kreativität und die bandeigene Identität, die auf dem Erstling einst so passend ausformuliert worden war.

The Temper Trap besitzen einen so prall gefüllten Werkzeugkasten, nutzen diesen aber ausschließlich um einige Stellschrauben anzugleichen. Und als Hörer möchte man ihnen entgegenschreien: "Mensch Jungs, wo ist euer Mut? Euer Pioniergeist?" Ein ärgerliches Album.

Trackliste

  1. 1. Thick As Thieves
  2. 2. So Much Sky
  3. 3. Burn
  4. 4. Lost
  5. 5. Fall Together
  6. 6. Alive
  7. 7. Riverina
  8. 8. Summer's Almost Gone
  9. 9. Tombstone
  10. 10. What If I'm Wrong
  11. 11. Ordinary World
  12. 12. Providence
  13. 13. On The Run
  14. 14. Closer

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