laut.de-Kritik

Die Punkrocker sterben den Kompromiss-Tod.

Review von

Kompromisse bringen stets Enttäuschungen mit sich. Kompromisse zwischen Demokraten und Republikanern versauen Barack Obama regelmäßig das Sozialsystem, in Beziehungen löst der Mittelweg auch nur selten die wirklichen Probleme. Was also, wenn The Thermals im Vorfeld ihres neuen Albums ankündigen, sich an zwei ehrwürdigen Platten früherer Tage orientieren zu wollen? Auch so ein Kompromiss.

Nach den sehr pop-affinen 2009er- und 2011er-Platten gab die Band vor den Aufnahmen eine Devise aus: Zurück zu den Wurzeln, zur Ungeschliffenheit des ersten Werks "More Parts Per Million", gepaart mit der preschenden Eingängigkeit des Drittlings "The Body, The Blood, The Machine". Das Problem: Die geplante Gratwanderung verendet in der Grauzone dazwischen.

Okay, die Thermals sind wieder aggressiver, wieder mehr Noise und Sonic Youth. Doch der Punk macht sich leider auf Kosten der seit 2006 so lieb gewonnenen Indie-Eingängigkeit breit. Im Endeffekt heißt das: Die zehn Stücke auf "Desperate Ground" sind weder so ungehobelt wie auf dem Debüt noch so melodiös und verspielt wie zuletzt. Beißen sich die Thermals nun also in den eigenen Schwanz, vergraulen die zartbesaiteten Melodienliebhaber, nachdem sie mit den zwei Vorgängerplatten die Fans der ersten Stunde vor den Kopf gestoßen hatten?

Verhältnismäßig stark der Beginn: Mit Uptempo und Lo-Fi-Charme springt einen die erste Single "Born To Kill" an. Wahrhaftig ein Ur-Thermals-Track, der keine zwei Minuten dauert. Insgesamt ist die Spielzeit mit knapp 27 Minuten kürzer als je zuvor geraten. Das mag wohl daran liegen, dass Frontmann Hutch Harris mit seiner Gitarre heuer fast gänzlich auf Soli und repetitive Lead-Gitarrenläufe verzichtet. Stattdessen streicht er brav seine Akkorde runter. Ohne Zweifel fühlt sich das kurzweilig an. Kein Song ist künstlich aufgebläht, die Melodien beschränken sich auf das Wesentliche.

Doch der Catchiness des Albums hätte es mitnichten einen Abbruch getan, hier noch einen "A Pillar Of Salt"-Gitarrenlauf oder dort ein "Now We Can See"-Solo einzustreuen. Fünf Songs dauert es, bis mit "The Sword By My Side" ein weiteres Stück parat steht, das man sich von einer so groß angekündigten Thermals-Platte gewünscht hat. Harris' Akkorde, ein groovender Basslauf von Kathy Foster, Drummer Westin Glass sorgt für das ausreichende Uptempo-Feeling. Dazu Vocals, die sich mal vor das Instrumental stellen und sich dann wieder mitten hinein bohren: "The sword by my side / Will allow me to be / The last thing my enemy will see." Mitsingen!

Wie schon bei einigen Vorgänger-Platten liegt auch dem neuen Thermals-Tonträger ein Konzept zugrunde. Thematisch drehen sich die Texte alle um Tod, Gewalt, das Leben aus der Sicht eines imaginären Killers, den Harris mit seinen energischen und übersteuernden Vocals überzeugend mimt. Entsprechend aggressiv gerät die zweite Albumhälfte, die Tracks wie "You Will Find Me" oder das enorm stimmungsvolle "Faces Stay With Me" beherbergt.

Gibt es sie etwa doch noch, die rebellische Ramones-Reinkarnation, die einst ihren Song nicht für einen General Motors-Spot hergeben wollte und somit auf eine ganze Menge Geld verzichtete? Versöhnliche Schluss-Stücke ("Where I Stand", "Our Love Survives") schreien mit Nachdruck: Ja! Wenn Harris "No matter if we die / We'll live eternally" singt, dann klingt das, bezogen auf "Desperate Ground", wie ein Eingeständnis: Uns ist es egal, wenn wir den kreativen Tod sterben und dem selbst erschaffenen Kompromiss-Killer zum Opfer fallen.

Hoffentlich bleibt "Desperate Ground" kein Rückblick auf das Leben einer inzwischen verstorbenen Band, sondern stellt nur einen Zwischenschritt bei der neuerlichen Charakterfindung zwischen Pop und No-Fi dar. So lange kann man sich die Enttäuschung dieses Mal wenigstens wieder aus dem Kopf bangen.

Trackliste

  1. 1. Born To Kill
  2. 2. You Will Be Free
  3. 3. The Sunset
  4. 4. I Go Alone
  5. 5. The Sword By My Side
  6. 6. You Will Find Me
  7. 7. Faces Stay With Me
  8. 8. The Howl Of The Winds
  9. 9. Where I Stand
  10. 10. Our Love Survives

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1 Kommentar

  • Vor 10 Jahren

    Ich kann mit der Kritik nichts anfangen. Für mich sind das 5 Sterne. Emotion und "Catchiness" sind erste Sahne. Gerade nach den beiden Vorgängeralben finde ich das Album in jedem Fall als bewusste Bewegung - und zwar hin zum Guten, dass ich ganz subjektiv so empfinde,