laut.de-Kritik
Therapy? back to the roots, ohne daß sie jemals dort waren
Review von Marc WinkelmannWas haben die Jungs von Therapy? in den vergangenen 18 Monaten seit "Semi-Detached" gemacht? Wir spekulieren einfach mal.
Erst haben sie sich Platten angehört. Jazziges war dabei, Funk auch. Vor allem aber Punk der rotzigen Kategorie. Sex Pistols, wahrscheinlich. Und dann sind die Vier in den Proberaum zum Jammen. Kräftig gejammt haben sie dort. Bei ein wenig Marihuana und viel Dosenbier. Vielleicht war's auch umgekehrt; auf jeden Fall aber haben sie dann einfach das Mikro offengelassen, das Tonband auf unendlich-Schleife geleitet und anschließend ein wenig beschnitten. Wo, war eigentlich egal, doch mehr als die 74 CD-kompatiblen Minuten durften es halt nicht sein. Tja, ein wenig sog. Artwork dazu und ab damit in die Läden.
Und da steht es nun, das siebte Studioalbum der Iren. Therapy? selber sagen, daß sie sich mit "Suicide Pact - You First" (endlich) von der kommerziellen Seite haben lösen können. Das ist ihnen zweifelsfrei gelungen, dementsprechend schwer zugänglich ist der Langspieler aber auch. Selten outen sich die Tonfolgen als eingängige Melodien; auf der Ballade "Six Mile Water" oder auch bei "He's Not That Kind Of Girl" zum Beispiel. Doch schon beim Opener zeigt sich, worauf das irische Quartett am meisten Lust hatte: Experimente. In die surrend-krachenden Gitarren mogelt sich urplötzlich eine Art Hammond-Orgel und ein jazziges Hi-Hat Feeling seitens der Rhythmusabteilung; "Jam Jar Jail" beginnt mit dem Flappen eines Schmetterlings, der sich im Bandraum verirrt hatte. Von filigranem Handwerk kann aber bei weitem nicht die Rede sein. Genau so wenig wie bei "Big Cave In". Über 6 Minuten erstreckt sich diese gesangslose Session, hier und da wird das quietschende Thema eingestreut.
"Suicide Pact - You First" ist hervorragend geeignet, um die Floskel "Back to the roots" eimal mehr zu strapazieren. Doch Therapy? sind noch nie so trotzig, rotzig und roh durch die Boxen gekommen. Agressiv inspiriert von der "in the middle of fucking nowhere"-Einöde ihres englichen Studios in Milton Keys haben sie 4 Wochen lang einfach drauf los gespielt. Mit wenig Geld und einer Portion Melancholie zwar, aber einer Menge Spaß.
Geraucht und getrunken haben sie, nach eigenem Bekennen, dabei übrigens nicht. Zumindest nicht soviel, wie auf den vorangegangen Alben. Komisch, wie man sich täuschen kann.
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