laut.de-Kritik

Eine Lektion in Schwermut als Kontrast zu Killswitch Engage.

Review von

Jesse Leach und Adam Dutkiewicz verbindet eine zwanzigjährige musikalische Verbindung. Nach Leachs vorübergehenden Ausstieg bei Killswitch Engage blieben die beiden in Kontakt und stampften Times Of Grace aus dem Boden, deren Debüt "The Hymn Of A Broken Man" 2011 erschienen ist. Nachdem Leach wieder zu Killswitch Engage zurückkehrte, ergab die musikalische Nebenspielwiese zunächst keinen Sinn mehr. Trotz dieser Tatsache entscheiden sich beide Protagonisten anno 2021 zu einem neuen Release unter dem Banner Times Of Grace. Dies hat insbesondere musikalische Gründe.

Die High Energy-Haudrauf-Mentalität der Stammformation findet sich selbstredend auch bei Times Of Grace. Die Ausbrüche finden hingegen wohl dosiert statt. Die Grundsubstanz liegt in melancholischen Momenten, während wogende Wutausbrüche die Ausnahme bilden. Post-rockige Klanggemälde wechseln beständig mit schroffen Riff-Monolithen. Der Leuchtturmtrack "Medusa" verbindet das Beste dieser beiden Welten. In Sachen Finesse lässt das Duo die Limitierungen des Metalcore hinter sich und agiert auf der Höhe mit Könnern wie The Ocean oder Hypno5e. Die schroff kontrastierende Anlage von "Mend You" ist einer Prog-Metal-Band wie Fates Warning nicht unähnlich.

Dagegen walzt "Far From Heavenless" in bester Death Metal-Manier alles nieder. Zahlreiche Intros, Outros und Spoken Word-Passagen tragen zum gedehnten Zeitempfinden bei. Der Opener "The Burden Of Belief" sowie "Currents" tragen die DNA des Grunge in sich. Ein Blick in die Lyrics ist eine Lektion in Sachen Schwermut. Die Textfragmente aus dem Opener ("How can I let go, how can I find peace") und "Mend You" (I lost a lot of sleep with my restless mind") lassen nicht unbedingt auf einen ausgeglichenen Gemütszustand schließen. Wie selten ist doch in dieser dürftigen, verstockten, liebesleeren Zeit wahre Symphatie der Seelen? Die musikalisch vielfältig illustrierten Facetten von Zweifel, Zorn und Angst bilden einen Sog ins Bodenlose.

Gesanglich passiert mehr als der Spagat zwischen Kreischsäge und Emo-Heulboje. Jesse Leach verfügt über ein immenses Ausdrucksspektrum, dass der jeweiligen emotionalen Struktur des Textes folgt. Dabei legt er bisweilen eine herrliche Ambivalenz an den Tag, etwa wenn er im Closer "Forever" in tiefster gutturaler Brünftigkeit den auch als Kalenderspruch tauglichen Satz intoniert "True love is forever". In "Bleed Me" singt er Storytelling-mäßig mit Klargesang die Frage "Can You hear me scream", während die Zweitstimme eben jenes Schreien im Hintergrund übernimmt. Das beklemmende Outro mit der mechanischen Anrufbeantworterstimme und der Aufforderung "Please leave a message" setzt dieser Stimmung die Krone auf.

Die Songreihenfolge gestalten Leach und Dutkiewicz mit erfahrenem Blick. Die epischen Stücke bilden die Anker. Dazwischen platziert das Duo die kürzeren eruptiven sowie getragenen Songs. "To Carry The Weight", "Cold" und "Forever" bilden das melancholische Dreigestirn, das die Platte beschließt und den Kontrast zur Stammformation schärft.

Trackliste

  1. 1. The Burden Of Belief
  2. 2. Mend You
  3. 3. Rescue
  4. 4. Far From Heavenless
  5. 5. Bleed Me
  6. 6. Medusa
  7. 7. Currents
  8. 8. To Carry The Weight
  9. 9. Cold
  10. 10. Forever

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