laut.de-Kritik
Das energetische Pendant zum dunklen "Nightride"-Mixtape.
Review von Toni HennigDie 25-jährige US-Sängerin Tinashe veröffentlichte 2014 mit "Aquarius" ein überdurchschnittlich gutes R'n'B-Debüt. "Joyride" kündigte sie schon ein Jahr später als Nachfolger an, doch bis zur Fertigstellung dauerte es dann doch rund drei Jahre. Das lange Warten hat sich definitiv gelohnt.
Die Singles mit Chris Brown ("Superlove", "Player") waren zunächst für diese Platte vorgesehen, finden aber keine Verwendung. Demgegenüber brachte die Sängerin mit afrikanischen und nordeuropäischen Wurzeln einige Songs, die sie ursprünglich für "Joyride" schrieb, auf ihrem fünften Mixtape "Nightride" von 2016 unter. Ihr zweites Studiowerk nahm erst Mitte 2017 zunehmend Gestalt an.
Ihre Singles "No Drama" (feat. Offset), "Me So Bad" (feat. Ty Dolla Sign und French Montana) und "Faded Love" (feat. Future) zählen mit ihren Trap- und EDM-Sounds zu den schwächeren Tracks aauf "Joyride". Auch wenn Offsets lässig-souveräne Raps auf ganzer Linie überzeugen.
Das Titelstück durchziehen wuchtige Beats. Darüber thront Tinashes zugleich laszive und elegante Stimme selbstsicher. Die Violinenklänge von Peter Lee Johnson verbreiten gegen Ende eine melancholische Stimmung. Dennoch setzt die Sängerin auf eine positive Message. Die Texte handeln davon, das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen zu lieben. Tinashe erklärte jüngst in einem Interview für Entertainment Weekly, dass sie ihre Musik als eine Möglichkeit betrachtet, den negativen Einflüssen, die unseren Alltag zunehmend bestimmen, zu entkommen.
Zusätzlich sorgen zahlreiche namhafte Produzenten aus dem Hip Hop- und R'n'B-Bereich wie Hit-Boy, Stargate und Dre Moon für jede Menge Dynamik. Die druckvollen und leicht progressiven Beats wirken wie maßgeschneidert für Tinashe. In "He Don't Want It" spielt sie zu treibenden Bässen das süße Mädchen von nebenan, im ebenso geradlinigen "No Contest" die emanzipierte Frau, die weiß, was sie will.
Ihr glasklares und rauchiges Organ verfügt im Grunde genommen über eine individuelle Klangfarbe, die manchmal ein wenig an den oldschooligen Vibe Ashantis erinnert. Deswegen haftet ihren Songs auch eine gewisse Zeitlosigkeit an. Dabei kommen wie in "Ooh La La" und der bezaubernden Pianoballade "Fires And Flames", die sie erstmalig bei einer Listening Party in New York 2015 vorstellte, um dieses Album zu promoten, eingängige Melodien nicht zu kurz. Nur die entschleunigten Beats in "Salt" gemahnen an die atmosphärischen, nächtlichen Klänge von "Nightride". "Joyride" wirkt wie das energetische Pendant zu diesem Mixtape.
Tinashe zeigt sich 2018 als gereifte, eigenständige Künstlerin, die sich mit ihrer variablen Gesangsleistung hinter der aktuellen Konkurrenz im R'n'B-Bereich keineswegs verstecken muss. Vielmehr schenkten viele Kritiker ihrer Musik in der Vergangenheit zu wenig Beachtung. Die lange Entstehungsgeschichte wirkte sich auf die Qualität von "Joyride" jedenfalls positiv aus.
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