laut.de-Kritik
Bombastischer Grunge-Rock für die Seele.
Review von Magnus FranzDass es Mackenzie Scott sowohl in ihrem Umfeld als auch in ihrer eigenen Gefühlslandschaft nicht immer leicht hatte, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Falls es das überhaupt jemals war. In ihren vergangenen Projekten verarbeitete Torres immer wieder ihre Erfahrungen einer christlich konservativen Kindheit sowie einer gespaltenen und zerrütteten Familie und ließ ihre Hörer*innen an diesen Findungsphasen teilhaben.
Mit der Veröffentlichung ihres inzwischen fünften Albums "Thirstier" macht die Sängerin allerdings den Eindruck, dass sie das ersehnte Licht am Ende des Tunnels emotional und musikalisch erreicht hat. "Three Futures" war eine Haltestation irgendwo zwischen Trance, Electro und Synth-Pop, auf ihrer selbstproduzierten LP "Silver Tongue" stolzierte sie noch tiefer in die Electro-Landschaft, deutete aber bereits erste Züge jenes Grunge-Rocks an, den sie auf "Thirstier" selbstbewusster und fokussierter denn je zelebriert.
Ihr neuestes Projekt ist nicht unbedingt intensiver als die Vorgänger geraten, vielmehr euphorischer und positiver. Oder in ihren eigenen Worten: "Ich wollte meine Intensität in etwas kanalisieren, das sich positiv und konstruktiv anfühlt, im Gegensatz zu einer intensiven, zerstörerischen oder ausweidenden Art und Weise. Ich liebe die Idee, dass Intensität tatsächlich etwas Lebensrettendes oder etwas Freudiges sein kann."
Im Auftrag der Freude und des Wohlfühlens tritt mit der verzerrten E-Gitarre endlich auch wieder Torres' altbekannte und treue Begleiterin in den Vordergrund. Wenn im Opener "Are You Sleepwalking?" bereits nach ein paar Sekunden die erste Gitarren-Soundbarrikade aufheult, ist das Stilmittel gesetzt. Denn auch im dreckig klingenden Garage-Rock-Highlight der Platte, "Hug From A Dinosaur", oder dem Horror-Soundtrack "Keep The Devil Out" strapaziert Torres die Saiten bis an den Rand ihrer Belastbarkeit.
Ihre letzten Projekte scheint sie dabei allerdings doch nicht vollständig hinter sich gelassen zu haben. An manchen Stellen offenbart sich eine mal mehr mal weniger vorhersehbare, synthgetriebene Passage, die in "Drive Me" und "Don't Go Puttin Wishes In My Head" ein überraschend komplementierendes Hörerlebnis im Zusammenspiel mit den abermals schweren Gitarren, Drums und Basslines kreiert.
Als genauso unberechenbar und facettenreich wie die Liebe, die Torres immer wieder besingt und in all ihren kunterbunten Dimensionen feierlich inszeniert, erweisen sich allerdings auch manche musikalische Wendungen, die sie inmitten der bombastischen Grunge-Ausrichtung des Albums platziert. "Constant Tomorrowland" dürfte in dieser Hinsicht zunächst wohl für die meisten Fragezeichen sorgen. Eine klanglich irgendwo zwischen Mittelalter und Seemannslied angesiedelte Folk-Hymne über das Wassermannzeitalter ist schließlich nicht zwingend das erste, an das man nach einer ordentlichen Rock-Injektion rechnet. Mit "Kiss The Corners" schleicht sich wenig später auch noch eine House-Nummer ein, die ebenfalls den Eindruck erweckt, als hätte sie sich auf dem Weg zu einer anderen Platte irgendwo verlaufen.
"Big Leap" ist im Kontext des Albums weniger experimentell, jedoch deutlich ruhiger und minimalistischer. Den daraus entstehenden Fokus auf ihre Vocal-Performance nutzt Torres wieder, um einige der schwer verdaulichsten Lyrics der Platte aufzufahren. Indem sie den schweren Unfall eines Freundes mit einem bittersüßen emotionalen Zwiespalt Revue passieren lässt, bricht sie für einen Moment mit der optimistischen Thematik des Albums: "Somehow you're still here / Got a birthday in three weeks / But now all I can do is cry and worry / I hounded you to stay on the ground / It'll haunt me forever the way you came down."
Nach und nach zieht "Thirstier" einen immer tiefer in den Bann, weswegen selbst die anfangs kontextlos wirkenden Klangausbrüche die Kohärenz der Platte nur minimal beeinträchtigen und sich im Laufe der Zeit immer besser in das Gesamtbild einfügen. Torres' spürbare Freude am Leben und die Liebe wirken wie eine Brücke, die die zehn Songs zusammenschweißt und machen "Thirstier" zu ihrem bislang aufregendsten Projekt.
4 Kommentare mit 6 Antworten
Ist bisher ihre beste Platte.
Highlight des Jahres...Bis jetzt!
Schon reingeholt, tolle Platte! Setzt sich bei mir fest. 5.
Grunge Rock? Bitte mal Wikipedia fragen, danke. Platte ist okay.
Grunge Rock vermutlich als Abgrenzung zum Grunge Pop (Nirvana u.a.)
popopopopsofaaaa!
Grunge Pop wäre ja auch schon ziemlich unpassend. Ist eher ne Pop-Platte mit ein paar Slacker-Poprock-Songs dabei. Mehr Beck als Nirvana.
Das ist der ultimative Diss! thumbs up!!!
Grunge? Das war doch der Sound der No-Future-Generation, oder nicht?
Neeeee. Das ist einer, der Weihnachten haßt, und es allen jedes Jahr verderben will.
Sehr gute Platte. Konnte mit den Vorgängern rein gar nichts anfangen, umso mehr mag ich das hier und hoffe dass sie diesem Stil treubleibt. Mein Highlight ist der Titelsong, bitte mehr davon!