laut.de-Kritik
Mädchen-Aufreißen mit XXL-Zuckerwatte-Refrains.
Review von Martin MengeleSchon das Cover verspricht Stiltreue in der popkulturellen Referenz: die Blaue Stunde des George Lewis Jr., im Halbdunkel mit Tolle und schwarzer, nietenbesetzter Bikerjacke. Fast so cheesy wie eine Reinkarnation von Nick Kamen. Dazu der CD-Aufdruck: Ein leerer Highway, der sich in fast erloschenem Sonnenuntergang verliert, reflektierende Straßenmarkierung im Scheinwerferlicht, quasi als metaphorischer Verweis auf "Lost Highway", halbstark und verträumt. Die vergangene Tour noch in den Knochen.
Halbstark bleibt die Devise: "Golden Light" ist als Auftakt in apathisches New Romantic-Geklimper getaucht, das unterschwellig kitschig vor sich hin glitzert. Sprenkel aus Steel-Drums verleihen dem Stück karibischen Drive, wobei die Geschmacksnote zwischen Bacardi Cola und Piña Colada aus der Dose einzustufen ist: zu süß und zu cremig, um davon ernsthaft betrunken zu werden.
Lewis' affektierter Gesang gleitet mit "You Call Me On" auf einem sphärischer Synthies wegen abgehackten Gitarrenrhythmus. Mehrstimmig wie im Flüsterton echot er immer parallel mit dem Synthie-Schaukelpferd auf und ab. Mit einer XXL-Zuckerwatte von Refrain steht er auf der Kirmes am Autoscooter, um Mädchen aufzureißen.
Er kommt zügig zur Sache: Die überhektische Programmierung der Drummachine fühlt sich bei "Five Seconds" an, als ginge es tatsächlich darum, das Herz der Angebeteten in fünf Sekunden zu erobern, was angesichts des Tempos auch an eigener Herzattacke scheitern könnte. Im Hintergrund wabert eine Gitarre munter Richtung Hair Metal, klatscht aber unsanft gegen monströse Beats, die den Vorwärtsdrang stoppen.
Wenngleich das zurückgenommene "Run My Heart" beim Thema Herzschmerz bleibt, nimmt es doch einen besonderen Status auf dem Album ein. Rhythmus und Anmutung sind Modernisierung und ästhetisches Tuning an Springsteens "I'm On Fire". Vielleicht aber auch als Zitat oder Huldigung an das kongeniale Cover der Chromatics von 2010 angelegt. Trotz der durchgängig soften Grundstimmung ist dies die einzig echte Ballade auf dem Album, die authentisch nach gebrochenem Herzen schmeckt.
"When The Movie's Over" pulsiert daneben auf einer netten Synth-Hookline dahin, die mit ihrem femininen Backgroundgesang aus einem staubigen Archiv von The Human League stammen könnte. Durch Lewis' magische Teleportation ins 21. Jahrhundert wirkt sie erfrischend crispy und er erzeugt damit eine knisternde Stimmung zwischen Eisdiele und Boudoir. Dafür möchte man ihn auf seine zum Pfeifen geschürzten Lippen küssen.
"Be Mine Tonight" könnte die Abspannmusik eines John Hughes-Movies sein, erinnert in Thema und Stimmung an "Drive" von den Cars. Allerdings auch in punkto Schwülstigkeit und Schmalz, was sich Lewis besser in die Haare geschmiert hätte. Und Vorsicht, nicht erschrecken: Ab etwa Minute 5:30 setzt ein Hidden-Track ein.
Mit "Confess" bekennt sich Lewis eindeutig zu seiner mit "Forget" eingeschlagenen New Romantic-Weltanschauung. So kommt er auch ungestraft damit durch, dass er beispielsweise für "The One" die Rhythmus-Sektion aus "Close To Me" von The Cure stiehlt. Man kann diesem gaunerhaft liebenswürdigen Exoten nur dankbar sein für die Referenz. Er zeigt sich zwar im Songwriting nicht ganz so clever und frisch wie noch auf dem Vorgänger, bleibt aber bei seinem expliziten Wiedererkennungswert.
1 Kommentar
ich kann mich nur noch erinnern, dass mir das erste album überhaupt nicht zugesagt hat. umso überraschter bin ich, als ich golden light gehört habe. verdammt guter song mit catchy chorus.