laut.de-Kritik
Wir gehen vor die Hunde - eine Endzeit-Vision.
Review von Steffen EggertNun, es wird sicherlich noch eine ganze Weile dauern, bis alle in der Pandemie aus der Taufe gehobenen Projekte mit einem Album an den Start gehen. Ein grundsätzlich ganz spannendes Ding kommt hier von Universum25, einer deutschen All-Star-Band, bestehend aus Mitgliedern von In Extremo, Eisbrecher, Fiddler's Green, Dritte Wahl und Slime. Man habe sich hier zusammengefunden, um eine "ungeschönte Bestandsaufnahme des globalen Status Quo" zu erstellen, so der Pressetext. Das kann ja mitnichten heiter werden.
Der Blick auf das Cover nimmt bereits die Stimmung des Albums vorweg. Grau, eine Stadt in Trümmern, ein bisschen wie der Einband eines dystopischen Endzeit-Comics. Und ja, man muss es ihnen wirklich lassen, diese Stimmung transportieren sie perfekt! Die Mischung aus hartem, modernen Industrial Rock bzw. Metal, Punk, 80s Wave und allerlei Elektrosounds ist keineswegs ein Novum, aber im Gegensatz zu den ganz großen NDH-Verbrechen der letzten Jahre vielleicht ein Anflug von frischem Wind.
"Am Morgen Danach" kündet mit stampfendem Drumbeat und hartem Industrial-Metal vom nahenden Ende der Welt. Sänger Michel Robert Rhein und sein unverkennbares Organ raspeln die Lyrics voll tiefer Angst und einem leicht spürbaren Rest Hoffnung zu feinstem Sand. Gut vorstellbar, dass sich hier die Geschmacksgeister schon streiten, zur Musik passt es allerdings wie Arsch auf Eimer. An großen, hymnischen Melodien wird auch nicht gespart, wobei der mit Chören gefütterte Refrain umgehend in den Ohren kleben bleibt.
Die harsche Kritik an Kommerz und Konsumgesellschaft in Form des synthesizerschwangeren "Wir Warten" stakst textlich etwas ungelenk durch die Strophe ("Wir warten auf den goldenen Schuss?"), glänzt aber erneut mit einem mächtig pompös-poppigen Chorus. Live zündet das Teil, keine Frage! Ob man in Monaco tatsächlich über Leichen geht, sei dahingestellt, aber die Nummer trägt den Punk im Herzen, und das steht ihr gut.
Im Rahmen einer gesamtgesellschaftlichen Bestandsaufnahme kommt man an den Hohlfritten der Querdenkerbewegung natürlich nicht vorbei, Songs zu dem Thema kommen ja regelmäßig aus den einschlägigen Ecken. "Harte Kost" ist auf jeden Fall einer der besseren. Der Protagonist, der als Küchenchef in die Suppe der Schwurbler spuckt, groovige Riffs, höchst organische Galoppdrums und ein theatralischer Spoken Word Part mit gruseliger Flöte. Erinnerungen an die Perlen früher Rammstein-Werke werden wach, ohne dass hier zu offensichtlich abgekupfert worden wäre.
"Nur Wegen Dir" geht in die gleiche Richtung und vor allem ordentlich voran. Über den leider etwas stumpfen Text und das leicht aufkeimende Schlager-Feeling lassen wir uns an dieser Stelle noch nicht aus, das geht noch deutlich schlimmer.
Mit "Genug" steigt zumindest die musikalische Qualität deutlich. Aufrüttelndes Industrial-Gekloppe, Shouts und Chöre machen klar, was im kommenden Sommer auf den größeren Clubbühnen los sein wird. Nicht zum ersten und (Spoiler!) nicht zum letzten Mal meint man, das Düsseldorfer Lutschbonbon und seine ewigen Altpunks hätten hier ein wenig Pate gestanden.
"Die Neue Zeit" hält dann auch endlich, was Erwartung und Pressetexte versprochen haben: Mehr Geschwindigkeit, dramatischer Gesang und über die Moderne klagender Text. Jawohl, ein Punksong! Hymnisch und etwas wehmütig, mit einem angenehm atmosphärischen Akustikpart. Was sich unser Projekt bei "Vor Deiner Tür" gedacht hat, erschließt sich mir leider nicht vollständig. Anstatt den bereits gewohnten, modernen Hartwurstriffs mäandert ein eher schwulstiger Keyboardteppich und umspült den absolut nicht minder schwulstigen Text. Fernsehgarten-Goth à la Unheilig in einem leider viel zu pathetisch geratenen, schlageresken Liebeslied, darf man skippen. Allerdings kommt dann mit "Lichtgeschwindigkeit" nur wenig Auftrieb in die Sache. Es grüßen erneut die rheinischen Stadionpunker, zumindest im Chorus. Das recht lebendige Nu-Metal-Riff ist schon ganz knorke, aber der Text vom Flug in die Unendlichkeit? Na gut, dafür wird es auch ausreichend Abnehmer geben.
Die klare Kante gegen Fremdenfeindlichkeit in "Die Leichen Der Zeit" zeigt, dass zu diesem Thema eben nicht bereits alles gesagt wurde. Ein ehrliches, fettes Brett mit Punk- und Hardcore-Feeling und wiederum einem echt smarten Text. Wenn hier die "Rettungsringe aus Blei" besungen werden, ist die Gänsehaut garantiert. Mit dem Fuß länger auf dem Gaspedal hätte U25 vielleicht auch aus den weniger gelungenen Stücken mehr rausholen können. Auch das folgende Scherben-Cover von "Der Traum ist aus" ist rundum gelungen. Es gelingt auch die Kür, den Song neu zu interpretieren, ohne dieses wundervolle Stück Musik im Kern zu verändern. Aktueller denn je, nur so von Hoffnung strotzend, das sind die Momente, die ein Rockalbum groß machen.
Das abschließende "Horizont In Flammen" klingt vorerst positiv und hoffnungsvoll, fasst aber letztlich noch ein letztes Mal alle bitteren Fakten des weltlichen Status Quo zusammen. Ein mächtiger, epischer Refrain, wie immer voll mit Melodien und hymnenhafter Theatralik.
Zusammengefasst muss man sagen, dass es sich hier um ein wirklich gut durchdachtes, hervorragend produziertes und anspruchsvoll komponiertes Album handelt. Es krankt lediglich durch übertriebene Pathos an einigen Stellen und die alte "reim dich oder ich fress' dich"-Manier fällt gelegentlich unangenehm auf. Beim Hören meinte meine aus dem Rheinland stammende Gattin, U25 sei ein typischer Fall von "Kegelclub-Metal", so weit würde ich jetzt allerdings auch nicht gehen.
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