laut.de-Kritik

Zwischen Aufbruchsstimmung und leeren Versprechungen.

Review von

Im Musikbusiness ist eine Trennung nur selten ein Statement für die Ewigkeit. Zu verlockend ist das emotionale Potenzial der Wiedergeburt für Fan und Künstler. Gleichzeitig birgt die verloren geglaubte Romantik dagegen immer auch das Risiko des freien Falls.

Nicht jede Reunion entfacht die Magie der guten alten Zeit aufs Neue, nur selten ist alles wie früher und ehe man sich versieht, ist das wohlverdiente Standing futsch. Fünf Jahre nach ihrem letzten musikalischen Atemzug stellen sich die Post Hardcore-Könige von Underoath dieser Gefahr.

Mit Gründungsmitglied Aaron Gillespie kehrt das Herzstück der Band zurück hinters Schlagzeug. Nach seinem vorzeitigen Ausstieg vor acht Jahren teilt sich der trommelnde Sänger auf "Erase Me" wieder die Vocals mit Frontman Spencer Chamberlain. Ein Grund mehr, furchtlos in die Zukunft zu blicken.

Was bereits die erste Single-Auskopplung "On My Teeth" durchblicken lässt: Der rohe, kratzbürstige Sound und die verschachtelten Song-Strukturen gehören der Vergangenheit an. Mit dem Label-Wechsel in die Obhut von Tonmeister Matt Squire steht eine klangliche Neuausrichtung im Vordergrund: Elektronische Nuancen ergänzen das organische Fundament. Am Ende steht ein fett produziertes Paket aus düsteren Vibes und poppiger Schleife.

Man kann den Aufschrei förmlich hören, den die stilistische Veränderung im Kreise eingefleischter Fans heraufbeschwört. Gemessen am ersten Eindruck steckt dahinter nicht mehr als leidige Nostalgie. Denn was die sechs Amerikaner hier abreißen, ist zwar anders, aber schlicht und einfach brutal gut.

Gillespie leitet selbst mit dramatischem Prolog an den Drums ein. Shouts keifen aggressiv nach vorne und münden schließlich, genial aufgelöst, in einem Refrain, der sich hartnäckig in den Gehörgängen einnistet.

In der Rolle des Eisbrechers nährt "It Has To Start Somewhere" einmal mehr die Hoffnung, dass die Comebacker strotzend vor Energie in eine neue Ära aufbrechen. "There's no turning back, there's no comin down" bringt "Rapture" die geradlinige Marschroute geradezu im Hit-Format unters Volk.

Synthie-Samples harmonieren mitten im organischen Post-Hardcore? Klingt jedenfalls danach. So schnell einen die Punktlandung zum Einstieg in den Bann zieht, so rasch verblasst die Euphorie mit jeder weiteren Minute. Aus elektronischen Ornamenten werden überkandidelte Beats, aus treibender Melodie atmosphärisches Geplänkel.

Was man in "Wake Me" noch für einen Ausreißer oder eine verhaltene Facette hält, dominiert von nun an das Geschehen. Wie "No Frame" verliert sich auch "Sink With You" in einem schaurigen Ambiente. Irgendwo zwischen hypnotischer Trance und aufgedrehten Effekt-Spielereien lugen halbgare Assoziationen zu Muse oder Enter Shikari um die Ecke.

Einzig "Hold Your Breath" rüttelt noch mal am Niveau der anfänglichen Aufbruchsstimmung. Die ist längst in leeren Versprechungen verendet. Die Bürde des Comebacks ist auch für Underoath nicht leicht zu tragen. Alles andere wäre vielleicht auch zu viel erwartet.

Trackliste

  1. 1. It Has To Start Somewhere
  2. 2. Rapture
  3. 3. On My Teeth
  4. 4. Wake Me
  5. 5. Bloodlust
  6. 6. Sink With You
  7. 7. ihateit
  8. 8. Hold Your Breath
  9. 9. No Frame
  10. 10. In Motion
  11. 11. I Gave Up

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