laut.de-Kritik

Zeitlos schöne Songs mit großartigen Texten.

Review von

Vor zehn Jahren kam Vanessa Peters nach Deutschland, um einen Workshop zum Thema Indie-Überlebenskunst zu geben: Wie finanziert sich eine Songwriterin ohne Unterstützung der Industrie? Dabei beweist Vanessa mit "Flying On Instruments" einmal mehr, wie Mainstream-tauglich und eingängig ihre Songs sind.

Im Gefolge von Sheryl Crow, Heather Nova, Sophie Zelmani, k.d. Lang, Vonda Shepard und weiteren Wegbereiterinnen lässt Peters straighte Gitarrensongs vom Stapel, die im Singer/Songwriterinnen-Jahrzehnt eine mühelose Karriere hingelegt hätten. Doch leider, "die moderne Welt hat nicht so viel Interesse an Schönheit oder Anmut", wie die 43-Jährige im Opener "Beauty Or Grace" resigniert feststellt.

In gehobenem Midtempo oder auch mal schneller (in "Pinball Heart") malt Vanessa warm komponierte und geschmackvoll orchestrierte Lieder über zwischenmenschliche Vorfälle und innere Zweifel. Eine verträumte Ballade gibt's auch, "Hey Claire".

Das besonders grazile "Blind Curves" untersucht zu einer leicht tänzelnden Melodie die Multi-Options-Gesellschaft und ihre Tücken. Unser Umfeld stellt widersprüchliche Erwartungen an uns. Sie nennt die eines Onkels, dessen Nichte Ärztin werden soll, weil er sich das wünscht. Auch Verlockungen ziehen ihre Kurven durch tatsächliche Lebensläufe. Wirklich auf einer Karte darstellen und klar visualisieren lassen sich die "Blind Curves" im Drehbuch unserer Biographie nicht. Für unübersetzbare Metaphern besitzt Vanessa ein Talent, sie liegen ihr. Schon das Artwork ist ein bildhaftes Statement. Die Sängerin sitzt in einem Cockpit, steuert den Kurs, aber man sieht nicht, wohin, und erkennt sie nur von schräg hinten seitlich.

Einen besonders guten Beitrag zum überspannenden Thema 'Halbzeitbilanz des Lebens' liefert das poetische "Halfway Through": "An emotional pack rat / I've carried my whole life on my back / in my Mary Poppins bag / but now I'm waving the white flag" - Synthese nennen das Philosophie und Sprachwissenschaft, wenn etwas nicht in seine Details aufgesplittert und analysiert, sondern in zusammenfassenden Bildern auf wenige Wörter komprimiert wird, die in der Summe etwas Neues sagen, hier pars pro toto, was noch nicht in den Teilen steckte. Vanessa ist eine großartige Texterin.

Sie trällert ihre Zeilen auch sehr schön. Hätte Sheryl Crow nicht beschlossen, nach ihrem Abschiedsalbum doch noch eins zu machen (erscheint am Karfreitag), dann könnte man sagen, Vanessa Peters habe sie angemessen beerbt. Wenn nicht gar Suzanne Vega - hört man das leidenschaftlich vorgetragene "Out To Sea": Vanessa saugt den Hörer in ihre Liedwelt hinein reißt ihn mit und erzielt eine kathartische Wirkung.

Im Song "Better" räumt die Kaffeeliebhaberin mit Prokrastination auf, der Fähigkeit, Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben. Insbesondere dass man vielleicht zu viel darauf hört, was andere von einem denken könnten, macht das so schwierig. Als Schlüsselsatz singt Vanessa "I've spent a lot of mornings shaking off bad dreams".

Ein Thema und roter Faden ist das Abhandenkommen von Leuten, mit denen man eigentlich doch noch gerne in Kontakt wäre, und wie man sie vermisst oder dann doch wieder nicht. "Flying On Instruments" ist ein Album für Feist-Fans, Folkrock-Nostalgische, Melancholiker:innen und Unentschlossene, wobei die Musik ausgesprochen entschlossen herüber kommt.

Nach dem Motto 'jeder Topf findet seinen Deckel' benötigt die Künstlerin heute keine Kickstarter-Kampagne mehr, um dieses Album möglich zu machen. Gleichwohl die Texanerin mit einer italienischen Band spielt, hat trotzdem ein Label in ihrer Heimat sie unter seine Fittiche genommen. Auf drei Shows in Deutschland kann man Vanessas Charisma live spüren. Die Platte wird über die Tour hinaus zeitlos aktuell bleiben.

Trackliste

  1. 1. Beauty Or Grace
  2. 2. Halfway Through
  3. 3. Blind Curves
  4. 4. Better
  5. 5. Pinball Heart
  6. 6. Out To Sea
  7. 7. How Long
  8. 8. Hey Claire
  9. 9. Wasted Days

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