laut.de-Kritik
Das Talent zum großen Songwriter zeigt Conor auch im dritten Anlauf.
Review von Andrea TopinkaZeit für Blöße: Nach "Becoming A Jackal" und "{Awayland}" verlässt Conor O'Brien seine orchestral-elektronischen Soundweiten. "Darling Arithmetic" nahm der Hauptakteur hinter Villagers zuhause auf. Auf Mitmusiker verzichtete er, Akustik-Klänge überwiegen und die Geschichten kreisen um die Liebe. Trennen, verlieren, sich finden - der Ire beleuchtet verschiedene Situationen aus persönlicher Perspektive. Die dritte Villagers-Platte ist also thematisch und technisch als Folk-Klassiker angelegt, wie ihn viele Songwriter von Dylan über Damien Rice bis Beck schon ablieferten.
Treue Begleiter von O'Briens fragiler Stimme, dank der ihm, gepaart mit seinem Aussehen, gerne der Stempel eines "irischen Conor Oberst" aufgedrückt wird, sind daher Gitarre und Klavier. Zwischendurch mischen sich Atmo-Aufnahmen ("Hot Scary Summer") oder hallende Synthies unter das reduzierte Gesamtbild, beispielsweise bei "The Soul Serene" oder dem Opener "Courage". Die ersten Zeilen daraus lauten: "It took a little time to get where I wanted / It took a little time to get free / It took a little time to be honest / It took a little time to be me / It took a little lover, but then we parted / It took a little time to get over this".
Der Song eignet sich als Stellvertreter für das Gros der folgenden: Mit sich selbst und der Wechselhaftigkeit der Liebe ins Reine gekommen, berichtet Villagers von viel Traurigkeit, Selbstzweifel und Enttäuschung auf dem Weg zur eigenen Identität. Den Schmerz und Versuch, den Tod eines geliebten Menschen zu bewältigen, fühlt man O'Brien in jedem Satz des Titeltracks "Darling Arithmetic" nach: "And the lender say what they always say / But only serve us as a reminder that you are dead". Der Vierminüter ist einer der (musikalisch) blanksten und besten Momente des Albums.
Hängen bleiben beim ersten Hören am ehesten noch "Hot Scary Summer", das vom andauernden Kampf gegen Homophobie handelt, und "Little Bigot", das ebenfalls für Liebe, nicht Hass plädiert. In beiden taucht ein hörbar aufgewühlter O'Brien auf. Gitarren und Drums sind ebenfalls präsenter und greifen auf Einflüsse des Indie-Rock zurück, die es auf den Vorgängeralben in ähnlicher Weise gab.
Einige Lichtblicke gibt es zwar, etwa wenn er in "Dawning On Me" unter Vogelzwitschern die große Liebe aufgehen sieht und sich damit gefährlich nah an den Kitsch wagt. Die Negativerfahrungen überwiegen insgesamt aber und plätschern eher selbstmitleidig vor sich hin, wenn der Dubliner mal weniger wortgewandt unterwegs ist: "So I go walking on the shore and wonder what I'm walking fo / Rain falling in the stream as I try to figure out / I tried to figure out what it all means" ("The Soul Serene").
Deswegen muss man die Frage, ob Villagers mit "Darling Arithmetic" einen Klassiker geschaffen haben, verneinen. Das Potenzial zum großen Songwriter zeigt Conor auch im dritten Anlauf. Es optimal für sein eingeschränktes Thema und Instrumente-Repertoire zu nutzen, gelingt ihm aber leider nicht. Vielleicht zwei Drittel der Songs berühren und rütteln bekannte, etwas schmerzliche Gefühle wach. Bei den anderen bleibt das emotionale Anknüpfen aus und sie sind schnell vergessen.
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