laut.de-Kritik
Luftige Popsongs zwischen Electronica und Krautrock.
Review von Dominik KautzFünf Jahre nach dem letzten und stark von Disco geprägten Album "Streetlife" steht nun "Under Pressure" in den Regalen. Erschienen ist es über Bureau B, die in ihrem Backkatalog auch Wiederveröffentlichungen klassischer Krautrockplatten von Conrad Schnitzler, Cluster, Faust, Dieter Moebius und anderen führen. Und ja, der Albumtitel ist angelehnt an den gleichnamigen Song von David Bowie und Queen aus dem Jahre 1982. Bowies Vers "It's The Terror Of Knowing What The World Is About" passt gut zu den hier aufgeworfenen Fragen über zunehmenden sozialen Druck und die beinahe allgegenwärtigen Drohfassaden der aktuellen Lebenswelt.
15 Jahre sind vergangen, seit die Kölner Kreativgemeinschaft Von Spar ihr Debütalbum "Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative" veröffentlicht hat. Dem Debüt folgten drei weitere Alben – nicht mitgerechnet ihre 2013er Kollaboration mit dem ehemaligen Pavement-Sänger Stephen Malkmus "Can's Ege Bamyasi", mit der sie eben jenen Krautrock-Klassiker der ebenfalls aus Köln kommenden legendären Can nachspielen.
Die im Debüttitel angesprochene uneingeschränkte Freiheit ist bei den Experimentalisten um Sebastian Blume, Jan Philipp Janzen, Christopher Marquez und Phillip Tielsch durchaus wörtlich zu verstehen. Mit ihrem bunten Eklektizismus aus Post-Punk, Electronica, Krautrock, Synthiepop der 80er und Indie durchkreuzen sie chamäleonhaft und stets unterwartet musikalische Hörerwartungen. Die einzigen Konstanten in diesem Labyrinth sind dabei das Spiel mit ausgefeilter Rhythmik, harmonischer Raffinesse und gebrochenen, omnipräsenten Synthesizer-Dreiklängen.
Mit dem Weggang von Thomas Mahmoud vor zwölf Jahren hat die Band auch das Konzept eines festen Sänger aufgegeben. Da sich Von Spar aber als ein modulares System verstehen, laden sie stets Gastmusiker ein, um ihre Musik mit Variationen und unverbrauchten Ideen anzureichen. Auf "Under Pressure" gibt es davon gleich fünf an der Zahl, von denen der bereits auf früheren Veröffentlichungen gastierende Kanadier Chris A. Cummings alias Marker Starling bei mehr als der Hälfte der Songs vertreten ist. In "Happiness" fragt er, anknüpfend an Bowies oben genannten Vers, mit seiner unverwechselbaren Kopfstimme: "Is There A Cure For This Unhappiness / Happiness?".
Das sich aus den beiden Zwillingssongs "A Dream (Pt. 1)" und "A Dream (Pt. 2)" zusammensetzende Eröffnungsstück teilt sich Cummings mit der japanischen Sängerin Eiko Ishibashi (Jim O'Rourke, Kafka's Ibiki, Merzbow). Würden im ersten Teil des Songs nicht ihr japanischer Gesang und bordunartige Synthie-Arpeggios erklingen, könnte man "A Dream (Pt. 1)" glatt mit Cans "Vitamin C" vom oben angesprochenen Album "Ege Bamyasi" verwechseln - der zunächst unisono gespielte Beat des Schlagzeuges ist hier wohl als eine Reminiszenz zu verstehen. Definitiv ein starker Song.
Von einem hypnotisch-treibenden Motorik Beat in bester Kraftwerk und Neu! Spielart ist "Extend The Song" mit Stereolab-Sängerin Laetitia Sadier geprägt. Ihre Frage "If Someone Would Ask Me / Could I Go On?" muss mit einem klaren Ja! beantwortet werden.
In "Boyfriends (Dead Or Alive)" befreit sich Vivien Goldman, Musikerin und Lehrende für Punk und Reggae an der New York University, vom fesselnden Staub alter Beziehungen. Ebenfalls mit an Bord ist der amerikanische als "Godfather Of Homerecording" bezeichnete Lo-Fi/DIY-Pionier Robert Steve Moore, der seit 1968 über 400 Aufnahmen in Eigenregie veröffentlichte. In "Falsetto Giuseppe" fragt er mantraartig "Should I Worry? ... Should You Worry?".
Ja und nein. Der Reiz von "Under Pressure" und dem bestimmenden, von schwebend-dringlichem Elektro-Kraut geprägten Klangbild liegt darin, dass Von Spar auf geschichtliche Spurensuche gehen. Durch diese Art von Reflexion und Introspektion transportieren sie die bestimmenden Klangideale vergangener Musikgeneration in die unbehaglich erscheinende Moderne. Insgesamt macht dies aus dem Album eine durchaus zwiespältige Angelegenheit.
Manchmal, wie in "Extend The Song", in "A Dream (Pt. 1)" sowie in "A Dream (Pt. 2)" und dem abschließenden "Mont Ventoux" gelingt ihnen ihr lebendig schillernder Spagat hervorragend. Die restlichen Songs des Albums sind jedoch längst nicht so stark und bleiben klar hinter diesen Highlights zurück.
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