laut.de-Kritik
Der Ex-Punk bewahrt seine musikalische Eigenständigkeit.
Review von Martin TenschertWestbam arbeitet bekanntlich gerne mit Rock und Pop-Zitaten. So auch bei der Titelwahl seiner neuen Werkschau "Famous Last Songs Vol.1", einem klug gewählten Topos, der Ende und Fortschritt gleichermaßen beinhaltet. Mit Anfang 50 sind solche Reflexionen über das Karriereende sicherlich gerechtfertigt, trotzdem spielt der Ex-Punk nochmals mit zwölf elektronischen Liedern (nicht nur) zum Tanz auf.
Gastbeiträge werden zwar meist in der Hip Hop-Kultur verortet, Maximilian Lenz wendet diese Kulturtechnik mit Vorliebe auch in der elektronischen Musik an. So zieren The Beloved bzw. Jon Marsh die melancholisch instrumentierte Vorab Single "Sky Is The Limit", die in pandemischen Zeiten zugleich Mut und Verzweiflung abzubilden versucht.
Mit durchaus eingängigen Harmonien und dem Lenz eigenen oldschool Hymnencharakter wartet auch "White Boy" feat. Afterlife3000 auf. Hier verarbeitet Westbam gewissermassen seine eigene Musikgeschichte von den frühen 90ern bis zu den Nuller-Jahren, und Erinnerungen an frühe Loveparade Hymnen werden wach wach.
2raumwohnungs Inga Humpe verbindet eine längere Künstlerfreundschaft mit dem gebürtigen Münsteraner. Nur folgerichtig, dass auch sie hier stimmlich 'partyzipiert'. "Wasteland" ist allerdings arg simpel und vorhersehbar instrumentiert, von dem sympathischen Synthgeblubber mal abgesehen.
Das Konzept des minimalen Arrangements, in dem die einzelnen Sounds mehr Raum bekommen, ist keineswegs neu. Es sollte aber nicht zum Prinzip werden, gerade wenn es, wie hier, nicht um funktionale Minimal Techno-Tracks, sondern um elektronische Songs geht. Ein Beispiel, dass es auch anders geht, zeigt "Goldelse Is Burning": Wehmütige Grundstimmung trifft Rave-Theatralik, hier geht das Konzept auf.
Etwas überraschend kommt wiederum die Zusammenarbeit mit Richard Judge (u.a. auch bekannt durch Kollabos mit Robin Schulz), sie sorgt aber für Abwechslung: "C'est La Vie" setzt die Entscheidung Richtung Pop konsequenter um und mit dem Einsatz von Akkordeon-Samples wirksame Akzente.
Die mehrheitliche Hinwendung zum "Lied" kann man Maximilian Lenz sicher nicht verübeln, hat er sie ja bereits auf den letzten Alben praktiziert. Nur bekommt man beim aktuellen Beispiel manchmal den Eindruck, es wäre mehr drin gewesen. Durchaus positiv kann man aber subsumieren: Westbam fährt sich nicht in lethargischer Bequemlichkeit fest, sondern bewahrt seine musikalische Eigenständigkeit.
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