laut.de-Kritik
Drei gute Stücke und viel Füllmaterial.
Review von Giuliano BenassiAkustikgitarre und nörgelige Stimme – Willie Nelson is back in da house. Der charismatische Sänger mit den mittlerweile ergrauten Zöpfen setzt dabei wie gewohnt auf eine Mischung aus (wenigen) eigenen Stücken und (vielen) Coverversionen. Dass bei seinen vielen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten nicht genügend Zeit bleibt, um genügend Material für die im Jahrestakt erscheinenden neuen Studioalben zu schreiben, ist nicht verwunderlich.
Der Opener "Over You Again" stammt aus der eigenen Feder und erinnert an U2 in ihrer "Joshua Tree"-Phase. Doch bereits mit dem Titeltrack, ein Stück von Kris Kristofferson, kehren die gewohnten Country-Klänge ein. Ein Metier, das Nelson mit seinem vibrierenden, melancholischen Organ nach wie vor glänzend beherrscht. Leider bleibt es nicht dabei – im weiteren Verlauf versucht sich der Texaner immer wieder an ungewohnten Einlagen.
"The Bob Song" ist die Geschichte eines Piraten, die mit teuflischem Gelächter beginnt und irisch-schunkelig daher kommt. Leider versucht Nelson nicht, die Coverversionen als eigene Interpretationen zu tarnen, sondern lehnt sich stark an die Originale an. Besonders deutlich in Randy Newmans "Louisiana" und Dave Matthews' "Gravedigger", das schon fast anbiedernd klingt. Im dazugehörigen Video, ein klarer Verweis auf Johnny Cashs "Delia", erinnert der Barde als Leichengräber mit offenem Haar, Schaufel und Dreitagebart an Filch, den Hausmeister in Harry Potters Internat Hogwarts.
Eine fast comichafte Figur also, die nicht in der Lage ist, einen Hauch Lächerlichkeit abzuschütteln. Zum Glück kommt im weiteren Verlauf doch noch der eine oder andere gute Moment auf. "Keep Me From Blowing Away" könnte dazu gehören, wenn nicht die billigen Keyboardstreicher im Hintergrund wären. "When I Was Young And Grandma Wasn't Old" bietet einen liebevoll-ironischen Rückblick auf ein langes, ereignisreiches Leben, wie auch das bluegrassige "You Don't Think I'm Funny Anymore". Den Höhepunkt bildet allerdings "Worry B Gone", ein gut gelauntes Duett mit Produzent Kenny Chesney.
"Moment Of Forever" bietet ein Sammelsurium an Stilen, die weder zusammen passen noch überzeugen. Zwei, drei Stücke stechen halbwegs hervor, der Rest ist einfach nur Füllmaterial. Fast scheint es, als wäre das Aufnehmen eines Albums kaum mehr als eine lästige Pflichtübung. Wie so viele seiner Vorgänger wird es versickern, ohne große Spuren zu hinterlassen. Ein Trost bleibt: Auf der Bühne kann Nelson nach wie vor sein Publikum begeistern. Eine Ausnahmefigur, die sich auf der Bühne vor vielen Menschen offenbar wohler fühlt als in der Enge eines Studios.
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