laut.de-Kritik

Olli, du bist definitiv kein Rocker!

Review von

Olli Banjo macht einen auf Rocker. Das entsprang nicht der Phantasie eines schockierten Anhängers dieses Genres, sondern ist die Aussage Banjos selber ("Im Herzen bin ich eigentlich ein Rocker. Ein Gitarrist.").

Die Marschrichtung ist also von Anfang an klar vorgegeben. "Camp Für Dicke Kinder" eröffnet das gleichnamige Album von Banjos Band Wunderkynd. Ein Sommer-Gute-Laune-Riff in "Hallo Hallo" biedert sich bei den poppigen Punkern der Nation an. Die Suche nach der großen Liebe kommt textlich dabei genau so ausgelutscht rüber wie das Wort 'Rock' unter den wahren Hartwurst-Vertretern. "Durch Die Wand" ballert dann recht schnell los und ist eine astreine Hardcore/Metalcore-Nummer.

Olli, dessen Stimmvolumen alles andere als ausreichend für diese Art der Musik ist, wird hier von Callejon-Frontsau Bastian Sobtzick verbal unterstützt. Gewohnt aggressiv shoutet sich Metalcore-'Urgestein' Basti durch Teile des Tracks: Auge um Auge als stünden sich Hip Hop-Crew und ein Haufen Hardcore-Bolzen gegenüber, um sich das Fressbrett neu richten zu lassen. Der dritte Track der Platte glorifiziert offensichtlich Gewalt, passt sich dadurch aber den Prämissen der jeweiligen und grundverschiedenen Genres an.

Musikalische Prominenz half dann auch bei "Polizei" aus, da zerrt Olli die Jungs von K.I.Z. und Jan Delay vor das Mikro. Eine Queens Of The Stone Age-Bass-Line untermalt das lyrische und sozialkritische Querfeuer. In bissigem und vor Zynismus strotzendem Text nehmen Olli, Jan und vor allem das Berliner Trio sich die Staatsgewalt zur Brust und ihre teils pervertierten Auswüchsen des Amtsmissbrauchs. Wer K.I.Z. kennt, weiß was ihn hier erwartet.

Aber das "Wunderkynd" zeigt seine Schwächen vor allem dann, wenn ihm keine gestandenen Profis zur Hand gehen. Wie bei der stumpfsinnigen und hochnotpeinlichen Ode an den oralen Flüssigkeitsaustausch "Zungenkuss". Die könnte kaum niveauloser sein. Die Punk-Light-Nummer "Wolke", die mit religiösen und rumpeligen Texten Völkerverständigung generieren will, fügt sich dabei nahtlos an das Niveau-Limbo ein.

Zu einem vage an Nine Inch Nails erinnernden Hintergrundgewummer, torpediert Olli "Partisan" mit einem nervenden Refrain, der unangenehmer ist, als es der Song zu Beginn erhoffen ließ. Ein technisch einwandfreier Mix, der lyrisch den Nährwert eines kleinen Snickers hat. Apropos: "Twix war noch Raider/Joschka Fischer ein Kommunist/Mobiltelefone gab's noch nicht/Und keiner wusste wo du bist". Bei "Früher war alles besser" ist wirklich jeder weitere Kommentar überflüssig.

Immer wieder blitzen nette Gitarren-Riffs und offensichtliche Anleihen an Punk, Alternative und Metal auf, gelegentlich funktioniert auch das Beimischen von Hip Hop-Elementen. Einigen Tracks muss man sogar einen gewissen Ohrwurmcharakter zugestehen. Die textliche Einfalt ist dann aber so überdeutlich, dass man nur entweder lachen oder weinen kann.

Peter Fox gibt dann noch bei "Benzin" einen Kurzauftritt; über das letzte Viertel der überlangen Platte möchte man am liebsten den Mantel des Schweigen legen. So ordentlich wie der erste Teil von "Wunderkynd" funktioniert, so nervend und ätzend sind die Auto-Tune-Katastrophe "Killer", der Kopfschüttel-Garant "Damenrad" und der pop-rockige Rausschmeißer "Maschinengewehr". Selten hat der Spruch, dass der Schuster bei seinen Leisten bleiben soll, besser gepasst als hier. Olli, du bist definitiv kein Rocker!

Trackliste

  1. 1. Camp Für Dicke Kinder
  2. 2. Hallo Hallo
  3. 3. Durch Die Wand
  4. 4. Polizei
  5. 5. Zungenkuss
  6. 6. Wolke
  7. 7. Partisan
  8. 8. Siebter Sinn
  9. 9. Heute Nacht
  10. 10. Früher War Alles Besser
  11. 11. Wir Lassen Uns Das Tanzen Nicht Verbieten
  12. 12. Benzin
  13. 13. Killer
  14. 14. Damenrad
  15. 15. Ex-Ding
  16. 16. Maschinengewehr

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