laut.de-Biographie
YellowStraps
Neo-Soul-Wunderkinder, vielversprechendste Newcomer, ein Geheimtipp ... die Fachpresse zerfließt angesichts von YellowStraps schier vor Begeisterung. Insbesondere die beiden letzten Zuschreibungen sollen jedoch nicht von Dauer sein. Neuling bleibt niemand ewig, und wirklich geheim halten lässt sich der Mix aus Soul, R'n'B, Jazz, Hip Hop und Electronica auch nicht. Was hier in den Außenbezirken von Brüssel keimt, entpuppt sich schlicht als zu berückend, um lange im Verborgenen zu blühen.
Dabei hatten die beiden Brüder Yvan und Alban Murenzi eigentlich gar keine professionelle Musiker-Karriere im Sinn. "Es ist einfach passiert", erklärt Zweiterer im Interview mit Highclouds. "Wir haben mit Instrumenten herumgespielt, mit Gitarre, Ukulele und Xylophon, da waren wir ungefähr 13. Yvan hat dann angefangen zu singen, nur zum Spaß." Eine gute Idee, wie sich herausstellt: Der ältere der Brüder verfügt nicht nur über eine ausdrucksstarke Stimme, sondern auch über ein Händchen für gefühlvolle, meist sehr persönliche Texte, auf Französisch wie auf Englisch.
Es bleibt nicht bei Coverversionen. Bald schon verlegen sich die Brüder auf eigenes Material. Während Yvan Gesang und Lyrics übernimmt, liefert sein Bruder Alban mit der Gitarre die passenden Melodien dazu. "Wir wollten einfach mal sehen, was dabei herauskommt", so Alban.
Pate für ihr Bandprojekt stehen, ganz profan, tatsächlich gelbe Gurte: "Als ich meine erste Gitarre gekauft habe, war ich etwa 15", erinnert sich Alban. "Eine schwarze Folk-Gitarre. Im Laden hatten sie diesen gelben Gitarrengurt, und ich dachte: 'Die Farbe könnte großartig zu meinem Instrument passen.' Mein Bruder und ein Freund, der damals mit uns zusammen gespielt hat, haben sich dann die gleichen Gurte gekauft. So hatten wir sofort einen Bandnamen."
Die vielen verschiedenen Einflüsse in ihrem Sound spiegeln den bewegten Lebensweg der Brüder. Geboren in Ruanda, verbringen sie ihre Kindheit in Uganda, ehe es die Familie nach Belgien verschlägt. In der Peripherie der Hauptstadt Brüssel finden sie nicht nur eine neue Heimat, sondern auch eine pulsierende Kulturszene.
"Wir haben uns Zeit genommen und eine Menge Musik gehört", so Yvan. "Wir sammelten Inspiration bei den unterschiedlichsten Künstler*innen, etwa bei Daniel Caesar, Jordan Rakei, River Tiber, Tom Misch, Moonchild, Robert Glasper, Mr. Jukes, D'Angelo, JMSN, Smino, Cosmo Pyke, Henry Wu, FKJ, Mahalia, Monte Booker, Quickly Quickly, Persian Empire und vielen anderen."
Als Referenz für den Sound von YellowStraps fällt auch immer wieder der Name King Krule. Als seinen persönlichen Helden, mit dem er liebend gerne einmal einen gemeinsamen Track aufnehmen würde, bezeichnet Yvan außerdem Kendrick Lamar. "Er ist der Beste. Für mich ist er das. Er verarbeitet verschiedenste Einflüsse, hat aber trotzdem einen ganz eigenen Sound." Eine Beschreibung, die durchaus auch auf die Musik des Brüderpaars zutrifft.
Für die läuft zunächst alles wie am Schnürchen. YellowStraps treffen den Produzenten Le Motel, gemeinsam arbeiten sie an einer ersten Veröffentlichung, die 2015 unter dem Titel "Mellow" erscheint und ihnen sofort einen Award für den vielversprechendsten Newcomer-Act des Jahres und diverse Festivalbookings einbringt. Schützenhilfe von Radio-DJ LeFtO, der den Brüdern Airplay verschafft, hat wahrscheinlich auch nicht geschadet.
Der inzwischen eingetütete Plattendeal mit Majestic Casual Records kam übrigens als Folge gewisser jugendlicher Dreistigkeit zustande: "Wir haben übers Internet Kontakt aufgenommen und einfach mal gefragt." Ähnlich unkompliziert vernetzen sie sich auch mit Kolleg*innen weltweit.
2018 folgt mit "Blame" die nächste EP, im Jahr darauf flattert zudem eine Einladung zu einer COLORS-Session ins Haus. YellowStraps geben dort "Rose" zum Besten: "Bisher der Höhepunkt meiner Karriere", freut sich Yvan noch Jahre später. "Das hat uns viele Türen geöffnet." Der Track landet auf der nächsten EP: "Goldress" erscheint Anfang 2020 auf dem frisch gegründeten eigenen Label Haliblue Records.
Eigentlich könnten YellowStraps jetzt so richtig durchstarten, doch der Blick auf die Jahreszahl lässt ahnen: Es ergeht den beiden Brüdern wie dem Rest der Welt: Die Corona-Pandemie legt alle hochfliegenden Pläne auf Eis. "Wir waren am Arsch, alle Gigs wurden gecancelt", beschreibt Yvan eine vielen vertraute Situation. "Wir hatten aber auch das Glück, dass wir immerhin arbeiten konnten." Bedeutet konkret: YellowStraps heben das Projekt "Yellockdown" aus der Taufe und veröffentlichen jede Woche einen neuen Track mit einem anderen Gast-Act.
Ihre Produktivität, Vertrauen und Hoffnung halten YellowStraps aufrecht, allerdings bleibt darüber die Zusammenarbeit auf der Strecke. Die musikalischen Vorlieben der Brüder entwickeln sich einfach zu unterschiedlich. Alban verlässt das Duo, im Guten, wie sein Bruder betont. Yvan behält den Bandnamen und führt YellowStraps im Alleingang weiter.
Mit seinem Solo-Debüt "Tentacle" schließt er Anfang 2023 eine mit zwei vorangegangenen EPs begonnene Trilogie ab, die die verschiedenen Phasen der Verarbeitung einer Trennung behandelt: Auf "Blame" regiert, unmittelbar nach dem Bruch, noch der Zorn, während auf "Goldress" schon Raum für Gedanken über das Scheitern bleibt. Auf "Tentacle" schließlich setzt der Heilungsprozess ein.
"Liebe ist immer Chaos", zeigt sich Yvan überzeugt. "Aber ich habe meinen Frieden damit gemacht." So lange er als YellowStraps den Schmerz in wunderschön berührende Songs umgemünzt bekommt, die Fans von King Krule, James Blake und Kendrick Lamar gleichermaßen abholen, war das Herzeleid wenigstens nicht umsonst.
Noch keine Kommentare