laut.de-Kritik
Unter dem Damoklesschwert der Sterblichkeit.
Review von Dominik Lippe"Du kannst nur gut schreiben, wenn du zufrieden bist. Würd' das auch auf mich zutreffen, wär' ich ins Knie gefickt. Ich werd' erst richtig gut, wenn ich eine Krise krieg'. Nachdenkliche Melancholie durchzog eloQuents Musik seit jeher. Doch mit seinem Album "Samo Samo" vermittelt er nun den Eindruck, unter einer existenziellen Notlage zu leiden. Über allen Songs schwebt das Damoklesschwert der eigenen Sterblichkeit: "Mein Leben rauscht an mir vorbei bis zu dem Aufprall."
"Auf den Straßen meiner Jugend, da verroht ein Kind. Auf den Gassen meiner Gegenwart, zerstreut vom Wind, liegt irgendwo im feuchten Dreck noch ein Häufchen Mensch und zappelt 'rum, als wär' das Leben, wenn man keucht und rennt." Zwar legt die Goldwater-Regel nahe, psychiatrische Einschätzungen nicht als Ferndiagnose zu kommunizieren. Jedoch leidet er, ausgehend von seinen Songtexten, offensichtlich unter handfesten Depressionen: "Ich muss keine Psychopharmaka glorifizieren, um zu verdeutlichen, was mit meiner Psyche gerade passiert. Dass ich mehr als einen Knacks hab' und ziemlich oft sehr down bin."
Vielleicht nicht ursächlich für seine psychische Konstitution, aber ihr mindestens abträglich erscheint der Tod seines befreundeten Produzenten dude26, mit dem er noch 2017 das Album "Niemals Weg" veröffentlichte. Mit einer gewissen Sehnsucht, ihm zu folgen, denkt der Wiesbadener sein Leben besorgniserregend oft vom Ende her: "Werd' nicht viel hinterlassen außer 'nem Haufen Gekritzel, dem Sound, den ich pinsel' und in etwa so Tausende Skizzen. Ich glaube zu wissen, dass da nicht mehr viel für mich kommt."
Seine missliche Lage überschattet selbst die obligatorische Kollegen-Schelte: "Ich bin konsequent MC, du bist Rapper nebenbei. Der Unterschied zwischen uns beiden, dass ich um mein Leben schreib'." eloQuent zeigt sich weder für die warholschen 15 Minuten noch für ein volles Portemonnaie bereit, seine Musik anzupassen: "Ich piss' auf Kies, mess' die Kunst nicht an dem Einkommen. Als wär' Produkte künstlich aufzublasen eine Leistung." In Negroman, dem zufolge die Männlichkeit seiner Kollegen "genauso antrainiert" sei wie "die Angst vor Kopftüchern", findet er einen Bruder im Geiste.
"Frag' mich nicht, was das für 'n Sample ist, Dicker, kennst du nicht." In der Tat bewegt sich eloQuent abseits musikalisch ausgetretener Pfade. Songs wie "Sondermüll" und "Intermission" leben von im Hip Hop-Kontext selten gehörten Jazz-Samples. "Nachmittag" versprüht die unheilvolle Atmosphäre eines dystopischen Films der 1960er Jahre. Dagegen nähert sich Produzent IAMPAUL dem Boom-Bap-Grundgerüst von "Viel Für Dich" nur mit Samthandschuhen, um minimale Soundeffekte einzufügen.
Tief gehende Entspannung zeichnen Songs wie "Ist Bleibt" oder "Intro" aus. Das von Delicious produzierte Instrumental zu "Oh Lawd" schwebt derart sanft vor sich hin, als sei der Blunt als Sättigungsbeilage bereits eingepreist. Dabei strafen die Aussagen eloQuents jedoch erneut den Beat Lügen: "Ich kenn' keine Regeln hier, deren Befolgung einen Einfluss darauf hat, ob wir nicht am Ende elendigst krepieren."
Bleibt nur zu hoffen, dass es eloQuent letztlich gelingt, im Stil von JAWs "Die Unerträgliche Dreistigkeit Des Seins" den Restore-Button zu betätigen. Auf der musikalischen Ebene will ihm diese Wiederherstellung seiner selbst nicht mehr gelingen. So setzt das lyrische Ich seinem Leben schließlich einen geräuschvollen Schlusspunkt: "Ich atme durch, nicht verspäten jetzt beim Abflug, schließe die Augen und betätige den Abzug."
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