laut.de-Kritik

Versehentlich in die Schnappi & Co.-Kiste gegriffen?

Review von

Die Songs von "36 Grad", dem mittlerweile vierten Album des Berliner Duos 2raumwohnung, entstanden im letzten Sommer während eines Spanien-Aufenthaltes. Von erhöhter Temperatur im Gegensatz zu den Vorgängeralben ist allerdings kaum etwas festzustellen – Inga Humpe und Tommi Eckardt pflegen nach wie vor ihren bislang bekannten Stil mit einem Mix aus Akustik-Einlagen und Synthie-Sounds, unterlegt von Ingas unverwechselbarer Stimme.

Kein schlecht aufgegangenes Konzept in den letzten Jahren. Allerdings: Statt künstlerischer Fortentwicklung überwiegt bei zunehmender Alben-Hördauer der Eindruck gepflegten Leerlaufs. Das ist bedauerlich, denn der fluffige Opener "Besser Gehts Nicht" macht zunächst mächtig Laune. Prasselnde, tanzbare Beats, schwelgerische Melodieführung und ein charmanter Text machen Appetit auf ein gefühlig-beschwingtes Album. Doch der Großteil der Songs enttäuscht aufkeimende Hörer-Hoffnungen – keine Spur von Mut zu neuen Experimenten. 2raumwohung bleiben auf ihrem erprobten und erfolgreichen Schienenkurs, waghalsige Spur-Wendungen finden sich auf "36 Grad" nicht.

Belanglos: "Eins Zwei Drei - Tschiu". Nervig und überflüssig: Das peinliche "La La La" samt "Tatü-Tata"-Einlagen. Versehentlich in die Schnappi & Co.-Kiste gegriffen? Die Dorfdisco-Übung "Ja" blubbert ziemlich einfallslos vorüber mit seinen schon tausendfach gehörten Plastikbeat-Verzierungen. Als Alben-Füllsel langweilen "Nimm Sie" und "Lotus". "Ich Bin Der Regen" zeigt sich auch nicht gerade als erfrischendes Sommer-Gewitter, sondern eher als trübes November-Nieseln. Die schleppende Schnarch-Nummer "Seid Eins" zieht sich endlos und kommt trotzdem nie auf irgendeinen lohnenden Punkt.

Verschenkt mit diesen Tracks: Ingas betörende Stimme. Die blonde Sängerin bot schließlich bereits ungleich Spannenderes in ihrer Vergangenheit: Etwa jene noch heute Gänsehaut verursachenden Songs, die sie in den Achtzigern mit den Neonbabies (Für mich ohnehin die besseren Ideal) heraus brachte. "Horizont Ohne Ende" und "Engel" waren und sind schlicht packende und einzigartige Songs. Die später erscheinenden Arbeiten zusammen mit ihrer Schwester Annette Humpe – besonders deren zweites Album "Swimming With Sharks" – enthalten ebenfalls sympathisch-unterhaltsamen Pop der späten achtziger Jahre. Von früherem Witz und damals durchaus aufblitzender Innovation ist 2007 leider nicht mehr viel auffindbar.

Doch "36 Grad" besitzt - wenn auch nicht im Übermaß - seine überzeugenden Momente: Als Klasse-Track erweist sich "Der Sommer Der Jetzt Nicht War" in seiner gesamten Ausführung. Hier kommen gebündelt alle Stärken von 2raumwohnung voll zum Tragen. Das beginnt mit Komposition und musikalischer Umsetzung und setzt sich fort mit Ingas zart hauchender Stimme zum streichelnden, wehmütig-romantischen Text. 2raumwohnung in Höchstform! Hübsch eingespielt und lasziv intoniert: "Du Bewegst Dich Richtig". Der Titel-Track "36 Grad" bietet eine charmant-liederliche Inga, umrahmt von fröhlichem Grillen-Gezirpe.

Und mit dem Ausklang "Bleib Doch Bis Es Schneit" bekommt das Duo dann die Kurve hin zu einem versöhnlichen Alben-Abschluss. Zu dem schlicht-effektiven Kuschel-Arrangement lassen sich wunderbar, zu zweit am Fenster stehend, vom Himmel tanzende Schneeflocken anschauen. Schade nur, dass die überdurchschnittlichen Titel mühsam herausgepickt werden müssen aus der vorherrschenden Überzahl von oft fad-abgeschmacktem Akustik-Synthie-Blubberlutsch.

Wer auf hübsch formatierte Hintergrund-Belanglosigkeiten mit betörender Frauenstimme steht, macht beim Kauf von "36 Grad" nicht viel falsch. Doch statt schwüler Sommerhitze streichen allzu oft nur laue Song-Lüftchen durch die erwartungsfroh geöffnete Musikanlagen-Terassentür. Daran ändern auch die drei, vier positiven Ausreißer nichts entscheidend. Bunte Nichtigkeiten, hübsch verpackt: Das nächste Mal mit bitte mit mehr leckerer Mozartkugel-Füllung und weniger austauschbarem MarsSnickers-Zuckerschock.

Trackliste

  1. 1. Besser Gehts Nicht
  2. 2. Mir Kann Nichts Passieren
  3. 3. 36 Grad
  4. 4. Der Sommer Der Jetzt Nicht War
  5. 5. Ich Bin Der Regen
  6. 6. Nimm Sie
  7. 7. Ja
  8. 8. La La La
  9. 9. Du Bewegst Dich Richtig
  10. 10. Seid Eins
  11. 11. Eins Zwei Drei - Tschiu...
  12. 12. Lotus
  13. 13. Bleib Doch Bis Es Schneit

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9 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    einmal mehr ein seltsames review von 2raumwohnung. ich meine...cd kritiken sind immer subjektiv...wie sollten sie auch sonst sein. und dennoch hat man wenn man so ein review liest, das eindeutige gefühl, dass hier der falsche das ganze geschrieben hat. ich kann z.b. mit iggy pop so gut wie nix anfangen...ein review zu schreiben, nachdem ich mir eine seiner platten angehört habe, wäre ganz einfach schwachsinn. ein weiteres beispiel: ich mag die ersten paar alben von tracy chapman...die neueren interessieren mich nicht mehr so...warum auch immer. ein review über eine ihrer neuen platten zu schreiben wäre imho genau so sinnlos für mich.
    ich frage mich, warum jemand ein review schreibt, der mit der platte nichts anfangen kann. ich höre 2raumwohnung seit ihren anfängen und habe genauso meine favourites und meine nicht so beliebten stücke und alben. aber das hier einfach mal 6 stücke in 2 sätzen nebenbei als "langweilig" bezeichnet werden...das is einfach nur lächerlich und auch ärgerlich, wenn man eine cd-review lesen will. es gibt viele leute, die nach "sexy girl" und "wir trafen uns in einem garten" nichts anderes mehr wollten und alles spätere für schlechter erklären...aber diese sollten nicht eine review von 36 grad schreiben. die kritiken aller 2raumwohung alben werden kontinuierlich schlechter...nur leider ist das für ne menge fans nicht der fall. kurz gesagt...lasst beim nächsten album mal jmd schreiben, dem das gefällt ;)
    ps: die songs "ja" und die angebliche schnappi-nummer "lalala" sind imho eine der besten tracks auf dem album und haben auch wenig mit künstlerischem stillstand zu tun.

    ma schauen, ob ihr euch die mühe macht, das zu lesen ;)

  • Vor 17 Jahren

    laut. ihr solltet am besten für jede cd jemanden einstellen und review schreiben lassen, der die cd auch mag :mad:

  • Vor 17 Jahren

    Ich finde die CD ziemlich lau, was aber auch eher damit zu tun hat, dass mich 2raumwohnung eher schnell langweilt und ich kein Fan (aber auch kein Hasser) bin.

    Aber genau das ist der Grund, warum ich mir kein Urteil über das Album erlaub. Zumindest nicht als Kritik. Wenn das Album für mich nicht hörenswert ist, na gut. Aber wer mit der Musik etwas anfangen kann, sollte in einem Review einfach etwas mehr Substanz finden und nicht ein halbherzig geschriebenes Review von jemandem, der nicht hinter der Sorte Musik steht.

  • Vor 17 Jahren

    @TauLeonis (« ich frage mich, warum jemand ein review schreibt, der mit der platte nichts anfangen kann. »):
    unverschämtheit, hier schreiben doch glatt leute reviews über alben die sie nicht feiern?! :mad:

  • Vor 17 Jahren

    Wieso schreibt laut bloß immer so subjektive kritiken. Ihr pösen, pösen lautis, echt ey. :(

  • Vor 16 Jahren

    Hä? Wenn der Laut-Kritiker komplett das Album verreißt, aber 80% der Laut-Leser dem Album trotzdem die Bestnote geben, dann hat aber jemand eine "schleppende Schnarch-Nummer"-Kritik geschrieben, oder? Ach so, Kritiker sind auch Künstler und haben das Recht “fad-abgeschmacktes Blubberlutsch” zu verzapfen, wie es ihnen passt? Ok, schreibt halt für den Minderheitengeschmack... dann lese ich aber in Zukunft lieber Kritiken bei massenkompatibleren Rezessoren :o