26. Februar 2004

"Eminem ist ein geborener Poet"

Interview geführt von

Den durchdringenden Blick starr auf die Interviewer gerichtet, lauscht 50 Cent still den Fragen. Strahlt er nun Boshaftigkeit aus? Will er uns vielleicht gar aufessen oder muss er Lippen lesen, da ihm zu viele Kugeln um die Ohren geflogen sind? Auf jeden Fall ist Humphrey Bogart ne Lachnummer gegen diese "Schaut mir in die Augen, kleine Journalisten"-Nummer.

Früher am Nachmittag hatten drei potentielle Groupies sowie fotogeile Pressevertreter für Aufregung bei Fiftys Personal Managerin gesorgt. Die Folge: Fotoshots waren danach verboten, dafür ließ sich 50 Cent wenigstens noch zu einem Gruß an die LAUT-Leser überreden. Die Leibwächter entpuppten sich indes als überaus coole Menschen, die sich sogar zu kleineren Witzeleien hinreißen ließen und die Zeit zum Interview überbrückten. Als der Boss selbst zu Gesprächsbeginn kurz für kleine Königstiger musste, erstattete der heisere G-Unit-Kronprinz Lloyd Banks über seine Solopläne Bericht.

Wie sieht es mit deinem Soloalbum aus?

Lloyd Banks: Ich arbeite seit der Roc The Mic-Tour (US-Konzertreihe mit Jay-Z, Busta Rhymes, Snoop Dogg, Missy Elliott u.a.) an meinem Solodebüt. Wir hatten ein kleines Studio in unserem Tourbus zur Verfügung. Das machte die Arbeit zwischen den Shows einfach und smooth. Knapp 18 Songs habe ich so aufgenommen. Ich stoppte dafür zeitweilig sogar meine Arbeit am "Beg For Mercy"-Album für G-Unit. Fifty machte mir jedoch klar, dass unsere G-Unit-Platte Priorität habe. Die Leute sollen mich erst einmal kennen lernen, damit sie wissen, was sie auf meinem Album erwartet.

Bist du zufrieden mit deinem Part auf "Beg For Mercy"?

Lloyd Banks: Oh yeah, definitiv. Nach den Kommentaren von Fifty verwendete ich einige eigentlich für mein Solowerk geplante Songs wie "Smile" oder "Salute You".

Welche Art Beats darf man erwarten? Welche Produzenten werden an deinem Projekt beteiligt sein?

Lloyd Banks: Die Produzenten und der Sound ähneln dem G-Unit-Album, denn ich habe Beats von Dr. Dre, Eminem und Hi-Tek am Start. Die Scheibe soll Mitte Mai erscheinen.

50 Cent hat anscheinend sein Geschäft erledigt (welches auch immer) und setzt sich aufs Sofa. Banks verstummt abrupt, während Fifty sofort unseren Augenkontakt sucht und die nächste Frage erwartet.

Auch wenn das dritte G-Unit-Mitglied Young Buc nicht hier sein kann: Welche Richtung wird er als Dirty South-Native einschlagen?

50 Cent: Neben Cats wie Lil Jon oder der 3'6 Mafia, die den Südstaaten-Flavor bringen, werden natürlich auch Dr. Dre und Eminem Beats produzieren. Die Platte wird also auf jeden Fall unterhaltsamer sein als das durchschnittliche Dirty South-Album. Normalerweise arbeiten die Dirty South-Leute nur mit Beatbastlern aus ihrem eigenen Camp, wie zum Beispiel Juvenile, dessen Songs zu 99 Prozent Mannie Fresh kreiert hat. Durch mich bekam Young Buc die Möglichkeit über den Tellerrand zu schauen. Sein Album soll auf jeden Fall noch 2004 erscheinen.

Ich hab die Frage in ähnlicher Form schon Lloyd gestellt: Bist du zufrieden mit dem Erfolg und dem Feedback des G-Unit-Debüts?

50 Cent: Ja, wir haben weltweit drei Millionen Platten verkauft, ohne einen echten Single-Hit. Die erste Auskopplung "Stunt 101" war als Anheizer für die Clubs gedacht und der Nachfolger, Dr. Dres "Poppin Them Thangs" sollte nur die Zeit zu unser jetzigen Single "I Wanna Get To Know Ya feat. Joe" überbrücken, die am ehesten Hit-Potential besitzt.

Ist ein Song von Dr. Dre als Lückenfüller nicht zu schade?

50 Cent: Dr. Dre ist einfach unglaublich. Wir arbeiten eng mit ihm zusammen. Da kommt immer etwas bei heraus, was wir in irgendeiner Form nutzen können. Der Typ ist so talentiert, dass es hart wird, jemand besseres zu finden.

Was macht Dr. Dre so besonders?

50 Cent: Beständigkeit. Er ist seit 15 Jahren im Game und veröffentlicht Platten. Er hat mit N.W.A. den Gangsta Rap erfunden. Deren Musik reflektierte bildhaft das gewalttätige Umfeld, in dem sie aufwuchsen und lebten. Damit hatten sie Erfolg und verkauften Millionen, obwohl sie ihre Beats und Raps nie mit Blick auf Airplay oder Massentauglichkeit ausgerichtet hatten. Diese Situation damals ist vergleichbar mit "Get Rich Or Die Tryin'". Mein Album basiert auf den Dingen, die ich zur Entstehungszeit in meiner Nachbarschaft erlebt habe. Ich habe diese Gangsta Raps nicht der Kunst wegen gemacht. Wenn Sachen wie Schießereien und so passieren, prägt dich das eben nachhaltig als Künstler. Ich kann auch Love Songs schreiben, aber ich bin momentan nicht verliebt, also lasse ich es noch bleiben. Ein Song, der dank echter Gefühle und Erlebnisse entstand, wird immer besser ein, als etwas Gefaktes.

Ihr habt auf "Beg For Mercy" aber ungewohnt viele smoothe Love- und Sex-Songs.

50 Cent: Yup, wir haben "I Wanna Get To Know You" mit Gastsänger Joe. Das trägt aber immer noch unseren aggressiven Stempel. "I wanna get to know you. I really wanna fuck you." Der normale Musiker singt das nicht. Ich schon. Die würden auch niemals Tracks wie unser "Groupie Love" machen. Es gibt unendlich viele männliche Solo-Künstler in der Geschichte des Rap, des R'n'B, der Rock- und sogar der Countrymusik, die nur über Beziehungen sprechen. Verdammt noch mal, wie konnten die Jungs die "Groupie Love" übersehen? Das Wort 'Groupie' hat in unserer Gesellschaft immer einen negativen Klang. Frauen würden sich nie freiwillig als Groupies bezeichnen. Ich habe aber Männer aus meinem Umfeld gesehen, die sich nur mit einer Frau unterhalten und diese gut behandelt haben, weil sie mit mir zusammen gesehen wurde. Das ist nichts negatives dabei. Groupies besitzen halt nicht so viele Referenzen, um ein Star zu sein. Sie bauen über Fernsehen, Artikel oder Begegnungen eine Beziehung zum Promi auf und fühlen sich ihm so nahe.

Dein Superstar-Status zieht nun nicht nur Frauen sondern auch Neider an. Das ehemalige G-Unit-Mitglied Bang Em Smurf beschuldigt dich zum Beispiel, ihn um viel Geld betrogen zu haben und spricht dir deine Street-Credibiliy ab.

50 Cent: Okay, pass auf. Ich werde dir nur das eine sagen: Nicht alle Menschen sind dafür geschaffen, erfolgreich zu sein. Wenn du nicht die richtigen Leute um dich hast, die dich auf das nächste Level führen, musst du dich von diesen trennen. In meiner Nachbarschaft gibt es sicher mehr Menschen, die mir den Ruhm gönnen als umgekehrt. Neider können es eben nicht ertragen, dass sie nicht so talentiert sind wie ich. Aber alles ist cool, Mann.

Letzte Frage also: Wann und wie wird der Beef zwischen dir/Eminem und der Source-Posse enden?

50 Cent: Es wird erst enden, wenn Benzino und The Source aufhören, Eminem zu attackieren. Ich habe kein Beef mit dem Source-Magazin. Ich stehe Eminem nur zur Seite. Die Source-Leute meinen, dass Eminem die Black Music ausnutzt. Doch seit wann ist Musik eine Frage der Hautfarbe? Eminem hat so viel Talent. Er ist einfach bestimmt dafür, ein Emcee, ein Poet zu sein. Jemand, der eine Kunstform so gut beherrscht, muss seine Fähigkeiten einfach nutzen. Michael Jordan war bestimmt dafür, Basketball zu spielen, Tiger Woods dafür, ein Golfschläger zu schwingen. Es gibt nur eine kleine Anzahl guter, weißer Rapper. Doch dank Eminem werden in Zukunft viele weiße Jungs zum Mic greifen und mit neuen Sachen kommen. Hip Hop ist eben die Sprache der Jugend, und Konkurrenz belebt das Geschäft. Jeder muss hart an sich arbeiten, um auf dem neuesten Level zu bleiben.

Danke für das Interview.

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