laut.de-Kritik

Der Wechsel zum Latin Pop wirkt kitschig und kalkuliert.

Review von

Allein schon für den Verrat an seinen Homeboys verdient 6ix9ines neues Album "Leyenda Viva" eine ungehört 1/5. Tekashi, der nachweislich Sex mit einer Minderjährigen hatte, jahrelang häusliche Gewalt ausübte und vor Gericht snitchte, um einer 47-jährigen Gefängnisstrafe zu entgehen, gehört sicherlich zu den Top 10 der unsympathischsten Rapper.

Ehrenwerten Gangstaz wie mir stößt also die ganze Persona 6ix9ine übel auf. Da ein fairer und unvoreingenommener Umgang mit Musik hier jedoch an oberster Stelle steht, sehe ich mich in der Pflicht, mich auf die Musik und nicht die Person dahinter zu fokussieren.

Bis auf einige wenige Lines auf dem Track "MX PR" singt Tekashi auf "Leyenda Viva" ausschließlich auf Spanisch. Gerappt wird nur wenig, das Album lässt sich dem Latin Pop zuordnen und setzt in erster Linie auf Reggaeton-Beats. Ob der Genre-Wechsel an der Verachtung, die er in der Hip Hop-Szene 'genießt', oder an dem lukrativen Latin Pop-Markt liegt, kann ich nicht sagen, ich vermute, es ist eine Mischung aus beidem.

6ix9ines Stimme konnte ich noch nie viel abgewinnen, aber zumindest hatte sein Schrei-Rap Energie. Sein Gesang allerdings klang in der Vergangenheit meist furchtbar, wie beispielsweise auf seinem erfolgreichsten Song "Bebe" mit fucking 1,4 Milliarden Aufrufen auf dem YouTube-Upload!

Zwar hat der Sohn einer mexikanischen Mutter und eines puerto-ricanischen Vaters immer noch kein engelsgleiches Stimmchen, aber seine Vocals klingen auf "Leyenda Viva" zumindest okay. Das Autotune ist zwar stark hörbar, ohne das weltbekannte Plug-in wären Tekashis Parts aber wahrscheinlich unerträglich. Der Tatsache, dass er nicht der beste Sänger ist, scheint sich 6ix9ine auch bewusst zu sein und holt sich auf fast jeden Song ein Feature, das die Kunst des Singens besser beherrscht als er - vor allem der Kubaner Álvaro Lenier Mesa, kurz Lenier, ist hier mehrfach vertrteten.

Die größte Stärke von "Leyenda Vita" sind die hochwertigen, mal aus Ukulelen, Pianos, Gitarren und Rasseln, mal aus Bongos und tiefen Bässen bestehenden Instrumentals und Arrangements. Die tropischen Rhythmen und eingängigen Melodien verbreiten Sommer-Feeling. Auf dem Opener "Bori" gibt es sogar ein E-Gitarrensolo, das richtig gut klingt, und auch das Gejodel auf "Wapae" macht Laune.

Mit "Y Hora" haben wir die beste Nummer des Albums samt der stärksten Performance 6ix9ines. Der Track startet nur mit einer Akustikgitarre, die langsam im 3/4 Takt spielt. Später kommen noch Hi-Hats und Snare und gegen Ende noch Synthies und Trompeten rein. Die Gesangeinlagen könnten auch aus alten südeuropäischen Schlager-Songs kommen. Nicht unbedingt ein Garant für Qualität, ich finde es aber unterhaltsam und nostalgisch.

Letztendlich bietet "Leyenda Viva" keinen Mehrwert gegenüber Genre-Kollegen. Die wenigen coolen Momente ändern nichts daran: ein Großteil des Albums wirkt kitschig und kalkuliert.

Trackliste

  1. 1. Bori
  2. 2. Papa
  3. 3. Wapae
  4. 4. Mata
  5. 5. Dueño
  6. 6. Pa Ti
  7. 7. Perra
  8. 8. Nota
  9. 9. Sola
  10. 10. Y Ahora
  11. 11. MX PR

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