29. September 2016

"Von AC/DC hat keiner angerufen"

Interview geführt von

Alle Regler hoch, Fäuste in die Luft und ab dafür! Airbourne melden sich mit "Breakin" Outta Hell" endlich zurück: Wir trafen Sänger Joel O'Keeffe in Berlin.

Als im Frühjahr die Nachricht die Runde machte, dass Brian Johnson aus gesundheitlichen Gründen vorerst nicht mehr mit AC/DC auf der Bühne stehen kann, war das Entsetzen nicht nur im Lager der Anhängerschaft groß. Auch Airbourne-Fans hielten vor Schreck den Atem an, schließlich zählen Angus und Co. seit Kindheitstagen zu den großen Vorbildern von Airbourne.

Doch es war nicht nur die Tatsache an sich, die in beiden Lagern für Unruhe sorgte. Nach der Bekanntgabe, dass AC/DC ihre "Rock Or Bust"-Tour dennoch zu Ende bringen wollten, fragten sich natürlich alle, wer denn statt Johnson mit auf Reisen gehen würde? Schnell kursierten Namen wie Jizzy Pearl (Quiet Riot), Jimmy Barnes (Cold Chisel) und Angry Anderson (Rose Tattoo). Auch Joel O'Keeffe stand auf vielen Expertenzetteln ganz oben auf der Liste.

Die Fans der Hardrocker aus dem australischen Warrnambool machten sich große Sorgen. Letztlich kam dann doch alles anders: Angus wählte Axl Rose. Ruhe kehrte ein. Aber wie nah war Joel letztlich an einem Engagement für die Geschichtsbücher dran? Gab es Gespräche zwischen ihm und Angus Young? Stand die Airbourne-Zukunft wirklich auf der Kippe?

Joel, euer neues Album trägt den Titel "Breakin' Outta Hell". Wann hast du dich das letzte Mal lästiger Ketten entledigt?

Joel O'Keeffe: Das tue ich jeden Tag. Da ist beispielsweise immer dieser nervende Drang weiter zu schlafen, wenn morgens der Wecker klingelt. Aber während des Schlafens entgeht einem immer so viel. Und ich will nichts verpassen, verstehst du? Also kämpfe ich jeden Morgen dagegen an, sprenge die Ketten und stürze mich in den Tag. Das ist manchmal ganz schön anstrengend. Aber es lohnt sich. (lacht) Im Ernst: Der Albumtitel richtet sich an alle Leute, die aus ihrem Alltagstrott ausbrechen sollten. All der Frust über sich immer wiederholende Abläufe, den nervenden Job, die schreienden Kinder und die unzufriedene Ehefrau: Der sollte hin und wieder mal mit einer ordentlichen Dosis Rock'n'Roll weggespült werden. Genau darum geht es auf dem Album.

Rock'n'Roll ohne Ende. Gibt es eigentlich noch irgendetwas anderes in deinem Leben?

Nicht wirklich. Für mich geht es bei Rock'n'Roll aber auch nicht nur um die Musik. Das ist wie beim Punk. Für mich ist es eine Lebenseinstellung. Und die verbindet so ziemlich alles in meinem Leben. Familie, Freunde, Musik: Das gehört für mich alles zusammen.

Würdest du diese Worte auch jemandem glauben, der den ganzen Tag Eurodance hört?

Wenn er es mir glaubhaft rüberbringen kann, auf jeden Fall. Ich lebe in meiner kleinen Welt. Und andere leben in ihrer kleinen Welt. So ist das halt. Für mich zählt nur Rock'n'Roll. Das heißt aber nicht, dass ich anderen nicht gestatte, andere Musik toll zu finden. Wichtig ist doch, dass jeder etwas hat im Leben, an dem er sich festhalten kann.

"Ich hätte mich sofort in jeden Flieger gesetzt"

Wahre Worte. Du hältst dich mitunter auch gerne an Bühnentraversen und Balkonbrüstungen fest. Angst kennst du keine, oder?

Auf der Bühne nicht. Und natürlich auch nicht, wenn ich mal ein paar Bier zu viel habe. Das passiert ab und zu schon mal. (lacht) Es ist einfach so, dass ich alles rauslassen muss, wenn mir danach ist. Ich bin kein Typ, der seine Gefühle und Emotionen deckeln kann. Wenn ich Lust habe, von einem Balkondach in den Pool zu springen, dann mach ich es auch. Wenn mir danach ist, auf der Bühne irgendwo hoch zu klettern, dann tue ich das. Ich bin halt ein Mann der Tat, der gerne feiert und eine gute Zeit hat. Manchmal geht dabei halt auch mal was kaputt. Das gehört dazu. (lacht)

Du klingst wie einer, der rundum glücklich ist.

Das bin ich auch.

Ich frage mich gerade, ob es irgendetwas gibt, dass deiner Glückseligkeit noch die Krone aufsetzen könnte.

Ein Bier wäre cool. (lacht)

Ich dachte da eher an etwas anderes. Wie wäre es mit Erinnerungen an Stadionkonzerte unter dem AC/DC-Banner? Angus Young links, Cliff Williams rechts, und du in der Mitte am Mikrofon: Na, wie klingt das?

(lacht) Das klingt großartig.

Warum gibt es diese Erinnerungen nicht? Die Jungs haben dich im Frühjahr doch bestimmt auch angerufen, oder?

Nein. Mich hat leider keiner angerufen.

Im Ernst? Dich hätte ich als ersten auf dem Schirm gehabt, als es hieß, man suche einen Live-Ersatz für Brian Johnson.

Ich hätte mich auch sofort in jeden Flieger dieser Welt gesetzt und alles stehen und liegen lassen. Vorher hätte ich natürlich noch meine Airbourne-Jungs um Erlaubnis gefragt. (lacht) Aber die hätten mir da sicherlich keine Steine in den Weg gelegt. Es kam aber leider kein Anruf.

"Axl macht einen tollen Job"

Traurig? Enttäuscht? Sauer?

Nein, gar nicht. Sicher, alle reden immer davon, dass wir perfekt ins Beuteschema von AC/DC-Fans passen. Das stimmt ja auch. Die Jungs gehören zu unseren Idolen. Und ich habe auch eine ähnliche Stimmfarbe wie Brian und Bon. Aber wir reden hier von einer Band, die seit Jahrzehnten jedes Stadion dieser Welt ausverkauft. Da braucht man auch jemanden an vorderster Front, der sich mit der Materie bestens auskennt.

Die fleischgewordene Zeitbombe Axl Rose?

Er ist sicherlich kein einfacher Typ. Aber was er bisher abgeliefert hat, ist aller Ehren wert. Ich habe sie in der jetzigen Konstellation nicht live gesehen. Ich habe mir aber einige Videoclips angeschaut. Und da passt es wie Arsch auf Eimer. Er macht einen tollen Job.

Wie hast du die Nachricht von Brians Abgang aufgenommen?

Ich war natürlich geschockt. Wir alle waren geschockt. Wir reden hier ja auch nicht von einer Grippe oder einem verstauchten Knöchel. Die Diagnose war für mich fast noch schlimmer, als die daraus resultierenden kurz- und mittelfristigen Folgen für die "Rock Or Bust"-Tour. Für einen Musiker sind die Ohren so wichtig, wie für einen Sportler die Beine oder Arme. Ich habe aber erst neulich gelesen, dass es ihm wohl schon wieder besser geht und eine Rückkehr auf die Bühne nicht ausgeschlossen ist. Das wäre natürlich großartig.

Zunächst sah es aber nicht so gut aus. Hand aufs Herz: Hattest du kurzzeitig Angst um die Zukunft von AC/DC?

Was heißt Angst? Ich meine, die Band hat alles erreicht. Und sie werden natürlich auch nicht jünger. Aber sie sind halt AC/DC. Der letzte Albumtitel "Rock Or Bust" sagt doch eigentlich schon alles aus. Sie fühlen sich ihrer Sache genauso verpflichtet wie wir. Entweder Vollgas oder Stillstand. Zum Stehen sind sie aber scheinbar noch nicht bereit. Und so lange es funktioniert und die Band ihren Sound und ihre Glaubwürdigkeit behält, wird sich daran wohl auch nichts ändern.

Würden Airbourne irgendwann ohne Joel O'Keeffe funktionieren?

Keine Ahnung. Diese Frage stellt sich momentan nicht. Ich glaube auch nicht, dass sie sich irgendwann stellen wird. Wir sind wie eine Familie. Und Familien reißt man nicht einfach so auseinander. Ich jedenfalls fühle mich gut bei dem Gedanken, auch in zwanzig Jahren noch mit meinen Jungs unterwegs zu sein. Und ich glaube, meinem Bruder und den beiden Anderen geht es nicht anders.

Klingt gut. Auf dass du rundum glücklich bleibst.

An mir soll es nicht scheitern. (lacht)

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