laut.de-Kritik

Mit dem Vorschlaghammer servierter Postcore-Mathpunk.

Review von

Mit "Love Forever" bodenlos schmonzettig betitelt ist nicht der neueste Auswurf einer gesichtslosen Vertreterin der gemeinen Popschnulze, die zu geschürzten Lippen und blanken Brüsten einen auf große Gefühle macht. Nein, "Love Forever" nennen fünf schwitzige Schweden ironisch ihren sperrigen Schrubbelsound.

Nach den melodischen Wirrungen, durch die Alarma Man auf ihrem selbstbetitelten Debüt im "Labyrinth Mathpunk" irrten, tun sich auf dem Zweitling andere Wege auf: Ein bisschen mehr Struktur, ein bisschen weniger kalkuliertes Chaos, dafür dieses Mal mit Vokaleinlagen versehen.

In treibendem Dreiviertel-Takt und mit ungestümen Drums waschen sie uns gleich zu Beginn mit "Pitch Grammar" ordentlich und ungeniert den Kopf. Weit entfernt von Mainstream und Pop knallt die Schwedenfraktion uns wenig tanzbare, spröde und kantige acht Songs vor die Birne.

Dabei geben sie einen Dreck auf konventionelle Harmonielehre und scheißen einen dicken Haufen auf glatte Ästhetik. Auf dem Programm steht energetischer, dunkler Postcore, ein schmetternd-schräges Menü aus dissonanten Akkorden, nervösen Gitarren und Saxophon in Schieflage ("Nightwolf").

Hier versammeln sich Rockmathematiker und Postpunks um die Scheibe. Der Sound zieht Kenner förmlich an: Liebhaber vertrackter und schwer zugänglicher Kompositionen sind hier ganz unter sich. Eine dicke Punkrock-Instrumentierung verleiht dem Sound die entsprechend Wucht: Ein Vorschlaghammer aus zweimal Gitarre und zweimal Drumset zertrümmert dem Publikum Nasen und Visagen.

Wer der Einladung des Fünfers folgt, macht keine Kaffeefahrt. Vielmehr wartet ein kräftezehrender Berg-und-Tal-Trip. Besondere Aufmerksamkeit gilt Andreas Litfeldt, der sich bei so viel Drumgetöse am gedoppelten Schlagzeug wohl zwei dicke Tennisärme spielen muss.

Am zugänglichsten gestalten sich noch "Arrow" und "Cabin In The Woods". Zwar sind die Tracks weit entfernt von der beschaulichen Ruhe einer heimeligen Waldhütte, trotzdem sind die Knoten im Soundgewand nicht ganz so verstrickt. Die Gitarren schrammeln melodischer, die nervenflatternde Stimme klingt sanfter.

Lyrisch bleibt es düster: "The street is empty and the sun is gone / We are right where we belong / The forest is sloping and so are we". Die Schweden entwerfen verstörende Bilder, die pessimistisch die Entfremdung von der Welt skizzieren. Von ewiger Liebe und entsprechender Glückseligkeit, wie es der Titel suggeriert, kann kaum die Rede sein. Musikalisch wie textlich üben sich die Schweden mehrheitlich in Misanthropie und Skeptizismus.

So viel Ernsthaftigkeit und Düsternis mag man ob des jungen Alters der Fünf doch gern ab und zu mit etwas Leichtigkeit durchzogen wissen. Doch keine Spur davon. Irgendwie schade, dass sich die Jungs das Augenzwinkern des Albumtitels auf Plattenlänge so schnell abgewöhnen.

Stark zeigt sich die Combo vor allem auf der ersten Hälfte. Dort packen einen die Songs heißkalt im Nacken und werfen den Kopf nach vorn. Nach hinten fällt die Spannungskurve etwas ab, die strikte Homogenität beginnt zu langweilen. Der Brei aus dominanten Gitarren, ausladenden Percussions und hintergründigem Bass schmeckt auch nach der sechsten Portion immer noch gleich.

Gefallsucht scheint den Jungs komplett fremd: Ungehalten und schnörkellos schneidern sie ein paar rote Indie-Fäden ins Math-Rock-Postpunk-Kostüm. Das kleidet sie zwar gut, doch so richtig sitzen will es auf Dauer nicht. An manchen Kleidern sieht man sich einfach zu schnell satt.

Trackliste

  1. 1. Pitch Grammar
  2. 2. Electric Flag
  3. 3. Cabin In The Woods
  4. 4. Arrow
  5. 5. Nightwolf
  6. 6. Uninterrupted Light
  7. 7. Swedish Intelligence
  8. 8. These Are The Mirrors

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