laut.de-Kritik

Das wohl bemitleidenswerteste Album des Jahres.

Review von

Wer ist dieser Alexander Marcus eigentlich? Ist er der Eddy the Eagle unter den Musikschaffenden, einer, der einfach Spaß daran hat, etwas zu tun, wovon er eigentlich gar keine Ahnung hat? Oder handelt es sich bei Alexander Marcus eher um einen rampenlichtsüchtigen Fremdschäm-Selbstdarsteller, dem kein Trash zu peinlich ist, um Aufmerksamkeit zu erregen? Sicher scheint nur: Alexander Marcus will lustig sein. Ist er aber leider nicht.

Der Beweis: Sein neues "Electrolore"-Album namens "Kristall". Hier vereint sich nämlich das Ergebnis eines Casio-Grundkurses für 8- bis 12-Jährige mit dem Gesang eines pubertierenden, während der Kitazeit zu oft von seinen Buddelkasten-Kumpels im Stich gelassenen Reinhard Mey, bei dem man eher die Hände vors Gesicht schlägt, als lauthals loszulachen.

Ein bisschen Kika-Pop ("Hundi"), eine Prise Waschküchen-Hip Hop ("Ich Bin Ich"), etwas Sade-Soul für Schwerhörige ("Der Punkt Wo's Nicht Mehr Zurück geht") und ein Hauch von Depeche-Mode-meets-Blue-System ("Dein Scirocco"): So in etwa – grob zusammengefasst – präsentiert sich die wohl bemitleidenswerteste Klingklang-Veröffentlichung des Jahres.

Darin zittert sich Alexander Marcus von einem Fremdschäm-Strohhalm zum nächsten und setzt dabei auf unterirdische Reim-Strukturen und irrwitzige Harmonie-Schlingerfahrten. Die Inhalte präsentieren sich dementsprechend: Von pseudo-witzigen Starkstrom-Fantasien ("Elektriker") über nicht minder narkotisierende Vierbeiner-Geschichten ("Hundi") bis hin zu Angst einflößenden Party-Ankündigungen ("Bis Zum Frühstück") und Kniefällen vor der Automobilindustrie des letzten Jahrtausends ("Dein Scirocco") ist so ziemlich alles mit am Start, was dem guten Geschmack im Handumdrehen den Garaus macht.

Lachen ist gesund, keine Frage. Bestimmt gackert auch der eine oder andere laut los, wenn Alexander Marcus sein mit allerlei Effektfirlefanz betriebenes "Kristall"-Raumschiff in den Orbit jagt. Mir jedoch wurden beim Hören dieses Albums gute 80 Minuten (Oh ja, ich habe zwei komplette Durchläufe durchgehalten) meines Lebens geraubt, in der ich mich lieber zum Beispiel mit richtiger Musik beschäftigt hätte.

Seis drum, Alexander Marcus is in the House. Ich habe ihn reingelassen. Nun ist es aber an der Zeit, die Tür zu öffnen und den wohl stumpfesten aller Witzigkeit-kennt-keine-Grenzen-Interpreten dieser Republik wieder ins Freie zu jagen. Auf dass er nie wieder an meine Pforten klopfen möge.

Trackliste

  1. 1. Elektriker
  2. 2. Denk Nicht An Gestern
  3. 3. Hast Du Bock?
  4. 4. Die Zeit War Geil
  5. 5. Hundi
  6. 6. Ich Bin Ich
  7. 7. Auf Jeden
  8. 8. Der Punkt Wo's Nicht Zurück Geht
  9. 9. Stop...Und Weiter
  10. 10. Bis Zum Frühstück
  11. 11. Dein Scirocco

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12 Kommentare mit 14 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    So ein 1/5 Verriss ist doch das größte Kompliment, das man einem Künstler wie Alexander Marcus machen kann. Würde mich an seiner Stelle schief lachen, wenn sich Leute über meine absichtlich schlecht produzierte Musik aufregen.

    • Vor 2 Jahren

      Meine Vermutung ist, dass er irgendwann komplett abgeschenkt hat und gemerkt hat, wie leider viel zu wenige, dass sich Leistung in dieser Gesellschaft NULL lohnt und seit dem scheißt der halt auf alles und es läuft. Genau richtig, so macht man das. Hinzu kommt wahrscheinlich, dass viel von dem, was wir sehen auch seiner Persönlichkeit tatsächlich entspricht. Eine ganz böse Mischung aus Komik, Rache und absolut berechtigter, schwarzhumoriger Gesellschaftskritik. Ich finde den Typen einfach mega-großartig, leider erst Jahre später drauf gekommen.
      An Weihnachten werde ich einen Rotwein-unterstützen Alexander Marcus Abend veranstalten.

    • Vor 2 Jahren

      EDIT: Was für das Thema "Leistung" gilt, gilt natürlich genau so für das Thema "Soziale Anpassung" im Allgemeinen. Versucht man es, ist es hinterher dennoch falsch, da nicht genug und die gesellschaftlichen Normierungsprozesse erdrücken einen, wenn man nicht versucht wie Marcus dagegen zu halten und den Rest, der einfach zu dumm ist, um zu checken, dass er in Reih und Glied geprügelt wird, einfach hemmungslos auszulachen bzw. zu verachten.
      Wie gesagt: ich liebe ihn.

  • Vor 9 Jahren

    Bei "Dein Scirocco" hatte ich eine Parodie auf "My Sharona" erwartet und wurde diesbezüglich leider enttäuscht :(

    deshalb 1/5

    • Vor 9 Jahren

      Genau den Track hatte ich auch im Ohr, war dann auch tatsächlich ein wenig traurig da es perfekt gepasst hätte. Dafür hat das Album aber auch andere starke Songs wie z.B. "Der Punkt wo's nicht zurück geht"! Musste mich erstmal davon überzeugen, dass der gute Quincy Jones da seine Finger nicht im Spiel hatte und MJ gleich um die Ecke kommt!

  • Vor 9 Jahren

    Och, das ist aber schon ein harter Verriss! Okay, Hundi fand ich jetzt nicht so prall, aber es ist halt Alexander Marcus!! Immer noch lustiger als 257ers und Trailerpark. :D