laut.de-Kritik
"Ich geh' pennen und du machst die Lichter aus." Gute Nacht.
Review von Dominik LippeEs ist irritierend einfach geworden, Olli Banjo zu kritisieren. Dabei steht ein echter Klassiker des hiesigen Rap in seiner Diskografie. Vor beinahe 20 Jahren übertrug er die Leidenschaft seiner amtlichen Battle-Rap-Tapes auf "Lifeshow". Druckvolle Produktionen trafen auf einfallsreiche Samples zwischen Gospel-Chor und Bernard Herrmanns "Cape Fear". Geschickt hielten sich politische und persönliche Themen die Waage, wechselwirkten gar miteinander. Ein solches Album wäre nun, da die Krisen immer näher ans individuelle Leben heranrücken, am Puls der Zeit. Doch "Pablo" bietet nichts von alledem.
Ja, Olli Banjo ist nach wie vor ein hervorragender Rapper. "Britney" oder "Da Illest" legen davon eindrucksvoll Zeugnis ab. Allein ihm ist die Fähigkeit abhanden gekommen, sein Talent in einigermaßen sinnvolle Bahnen zu lenken. "Die Sonne knallt, der Bass tötet ein Nashorn. Ich hör' nichts mehr, ich nutz' die Box als Ventilator", plappert er im Assoziationsreigen "Piratenradio", "SpaceX, Raumschiff, Piratenflagge, roter Tee." Das ergriffene Instrumental suggeriert noch Gehalt, doch im Grunde ist er am Ende mit seinem Latein und ergreift die Flucht ins Nichts. "Auf 170 Bpm ist Politik gut tanzbar."
An die Stelle gesellschaftlicher Beobachtung rückt die Religion, die zwar immer zu ihm gehörte, in "Jesus" aber nochmal deutlich anwächst. "Wie du mich aus Lehm aus dem Moor nahmst, mich mit deinen Händen geformt hast", lobpreist er die höchste Instanz für die Erschaffung seiner selbst, "Ich leg' mein Leben in dein' Schoß." Als kehre er der Welt den Rücken zu, predigt Olli Banjo, die Antworten in der Bibel zu suchen. Sein Gottessohn-Schmachten erinnert bisweilen an die South-Park-Folge über Cartmans irritierende Christen-Rockband ("Anscheinend bist du wirklich in Christus verliebt?").
"Ich liebe dich, Jesus Christ", reiht sich ein leider ungenannter Glaubensbruder in den Messias-Worship ein. Olli Banjo versammelt traditionell allerhand Szene-Akteure auf seinen Projekten. Kreuzbrav besingt Vase Simeon die "Elemente". Neben dem agilen Sparring-Rapper wirkt Diloman wiederum reichlich schwerfällig ("Ich Bin Fett"), während sich Kool Savas und der "Kopfdisco"-Rapper stets gegenseitig zu vorzeigbaren Leistungen antreiben. Das gilt auch für "Geldmaschine", dessen ohnehin totgerittenes Scheinstapel-Motiv dem Hauptakteur allerdings ebenso schlecht zu Gesicht steht wie der Autotune-Gesang.
Geistig auf Augenhöhe bewegt er sich insbesondere mit Prinz Pi, mit dem er einst schon "Verdammt Lang Her" für "Großstadtdschungel" verbrochen hat. Zum prätentiösen Geigen-Piano-Gemisch bemühen sich beide Rapper darum, den "Fokus" zu halten. "Fokus, schnelle Schnitte, Film, ich lass' sie ghosten und steh'n im Blues. Da gibt's kein'n Finderlohn, solange Adam Eva sucht", hüpft Olli Banjo zwischen Gedankenfetzen herum, die tieferen Sinn scheuen wie der Teufel das Weihwasser, "Mit der Katze aus 'Matrix', 'n Glitch in der Zeit, Neo ruft. Retrospektivisch, Megafon an 'nem Rednerpult."
Abgesehen vom Glauben scheinen die Themen aus "Tagesschau" oder "Gimme The Light" an Bedeutung für ihn verloren zu haben. "Heut' trifft mich nichts mehr, die Ruhe liegt im Raum, wenn man über seiner Wut die Truhe schließt", rappt Prinz Pi, als spiegele er seinen abgestumpften Kollegen. Unterm Strich scheint alles egal zu sein, da die Aussicht ohnehin düster ausfällt. "Bleib entspannt, es ist das Ende der Welt", wie Jonesmann singt. Und auch Olli Banjo blickt gleichgültig auf die Raketen, die über seinem Kopf vorbeirauschen. "Ich geh' pennen und du machst die Lichter aus." Gute Nacht.
1 Kommentar
Tatsächlich hat es Olli Banjo geschafft, seine beiden letzten Alben noch einmal deutlich zu unterbieten, das ist doch was! Selbst meine niedrigen Erwartungen wurden noch einmal weit untertroffen. Mittlerweile hat das Zeug von ihm eher etwas mit nervtötendem Krach zu tun als mit Musik.