laut.de-Kritik

Adele? Alexandra? Zeit für den Realitätscheck.

Review von

Die Vergleiche ließen aufhorchen. Die deutsche Adele? Sie selbst bemühte lieber Alexandra, was ebenfalls Großes erhoffen ließ. Das Label Polydor versprach vollmundig eine Sängerin, die "sich nicht hinter Worthülsen, Neologismen und Allgemeinpositionen" verstecke. Nun liegt Alinas Debüt "Die Einzige" vor. Zeit für den Realitätscheck.

Zum Einstieg konzentriert sich Alina auf ihr medial viel beachtetes Leitmotiv: das einsame Dasein eines Großstadt-Singles. Durchaus glaubwürdig schildert sie die Kollision des Willens, eine Beziehung einzugehen, mit der Unfähigkeit, sich wahrhaft zu verlieben: "Ich würde mich gerne verbrennen, mich verrennen, mit dir unendlich weit. Würde dich gerne halten, mich entfalten, fallen ohne Halt, doch mein Herz streikt". Damit hebt sich die Sängerin durchaus von der heilen Schlagerwelt ab.

Der Titelsong "Die Einzige" bestätigt den positiven Eindruck des Openers. Im Chanson-Stil liefert sie den Soundtrack für die wachsende Zahl der Single-Haushalte: "Vielleicht bin ich schon viel zu lang allein. So mit mir, nur mit mir, ganz ohne Kompromiss. Und vielleicht habe ich verlernt, was es heißt, zu zweit zu sein, du und ich". Grüblerisch und mit Selbstzweifel stellt Alina die Frage in den Raum: "Was ist nur falsch an mir?" Bedauerlich, dass sie am Ende des Beitrags doch noch in die Schlagerfalle gerät. So schwingt sie sich in luftig pathetische Höhen und durchbricht damit die aufrichtige Intimität.

Leider verdienen sich die meisten Texte der folgenden Stücke das Prädikat 'unangenehm'. "Schönheitskönigin" gibt den Soundtrack zum Bodyshaming ab ("Ich find' so viele Frauen viel schöner als mich. Du könntest jede haben, warum ausgerechnet ich?"). Andere Songs wie "Für Mich Schon Liebe" werfen derart inflationär mit dem Begriff Liebe um sich, dass die Emotion zum leicht verdaulichen Konsumprodukt degradiert wird. Der serienaffine Zuhörer muss unweigerlich an das zynische Bonmot aus "Mad Men" denken: "Was Sie Liebe nennen, ist von Leuten wie mir erfunden worden, um Strümpfe zu verkaufen".

"Titan" schreckt mit Erbauungslyrik im "Wenn-sie-tanzt"-Stil ab: "Denn in mir ist ein Titan, mit Zweifeln ist jetzt Schluss. Ab jetzt bin ich so stark wie ich stark sein muss." Noch stumpfsinniger und giesingerischer geraten die folgenden Kalendersprüche, die jemand der Sängerin ins Textbuch diktiert haben muss: "Dein größtes Versagen macht dich am Ende richtig stark." Genau, was dich nicht umbringt, macht dich nur stärker. Und Nachts ist es kälter als draußen.

Überhaupt stellt die Phrasendrescherei, an der ein Großteil des deutschen Pops krankt, eine Herausforderung an den Hörer dar. Tiefsinnig reift die Erkenntnis: "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold." Wenigstens scheint sie diese Sentenzen bewusst abzuschießen: "Jede Phrase sitzt wie ein Schuss." Absolut, ein Schuss direkt ins Zentrum für das ästhetische Sprachempfinden. Nach "Auch Wenn Du Fehlst" breitet sich schließlich die schreckliche Vermutung aus, dass eventuell doch wieder die Schimpansen des Gelsenkirchener Zoos ihre Finger im Spiel hatten: "Ich mach die Augen einfach zu und halt' die Welt an".

Musikalisch bewegt sich Alina zwischen leicht konsumierbarem Radio-Pop ("Zurück Zu Mir", "Nie Vergessen"), einigen Chansons und jeder Menge Bewerbungsmaterial für den "Eurovision Song Contest" ("Immer Wenn Es Weh Tut", "Stadt Aus Gold", "Schönheitskönigin"). "Haut Aus Glas" gibt etwa weniger dramatisch und völlig unpolitisch einen "Rise-Like-A-Phoenix"-Hearalike ab. Rätselhaft, weshalb positive Ansätze wie eine intim gehauchte Strophe in einem geschmetterten ESC-Refrain kulminieren.

So überzeugen letztlich nur wenige Produktionen wie zum Beispiel "Kind Sein", dessen schüchtern, an eine Spieluhr erinnerndes Instrumental Raum für Emotionen lässt. Für die ganz großen Gefühle reicht es bislang aber noch nicht, was den Vergleich mit der schwermütigen Alexandra hinfällig macht. Und um mit Adele mitzuhalten, fehlen sowohl die zwingenden Hits als auch Stimmvolumen. Es bleibt die Erkenntnis, dass sich Alina fürs zweite Album dann besser auf ihre Chanson-Vorbilder besinnen sollte.

Trackliste

  1. 1. Herzstreik
  2. 2. Zurück Zu Mir
  3. 3. Die Einzige
  4. 4. Nie Vergessen
  5. 5. Mit Größe Gehen
  6. 6. Kompass
  7. 7. Für Mich Schon Liebe
  8. 8. Titan
  9. 9. Immer Wenn Es Weh tut
  10. 10. Kind Sein
  11. 11. Stadt Aus Gold
  12. 12. Schönheitskönigin
  13. 13. Spiel Unsere Lieder
  14. 14. Auch Wenn Du Fehlst
  15. 15. Worte Sind Mörder
  16. 16. Haut Aus Glas

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