laut.de-Kritik
Sweet-16-Stimme trällert stereotype Girlie-Phrasen.
Review von Anne NußbaumEigentlich ganz schön, wie Amanda Mair sich auf ihrem Albumcover präsentiert. Eine angemessene Außendarstellung für die 17-Jährige, die seit kurzem die Popmusik-Journaille verzückt: Leicht verschwommen und dunkel ist das Bild, Mair schaut nach unten und verwehrt dem Betrachter direkten Blickkontakt. Das filigrane Gesicht neigt sich und zeigt ihr hübsches Profil. Die Hand greift ins wallende Haar, der Mund ist leicht geöffnet. Der Spagat zwischen Unnahbarkeit und angedeuteter Laszivität, zwischen geheimnisvoll und sinnlich gelingt.
Erfreulich, dass man bei der Imagebildung der Sängerin von plumpem Ausschlachten ihrer Jugend, Attraktivität und Naivität abgesehen hat. Schade andererseits, dass man den Verzicht auf Exploitation im Zusammenhang mit dem Verkauf von Popmusik-Produkten überhaupt erwähnenswert findet.
Und doch bleibt die Figur der Amanda Mair, trotz positiv zurückhaltender Pose, genau das: ein Produkt der Mechanismen der Popindustrie. Rein zufällig gelang Labelchef Johan Angergard an Privataufnahmen der Schwedin, so will es uns die PR-Information glauben machen. Der Begriff "Information" ist hierbei genauso verklärend wie der darin herangezogene Vergleich mit Stevie Nicks oder Kate Bush.
Man kann sich das Händereiben vorstellen, als Label, Produzenten und Songschreiber hörten, was man da über ihren Schützling berichtet: Die Presse vergab ordentlich Vorschlusslorbeeren für Amandas ersten Song "House". Die griffen Labrador und Sony gerne zur Vermarktung des Debütalbums auf, und schon ging das Gerücht vom neuen Pop-Darling aus Skandinavien um.
Und tatsächlich, "House" ist ein zuckersüßes Stück Melancholie aus zarten Zweiton-Akkorden, Amandas Engelsgesang und elegischen Echo-Chören. Durch stete Verdichtung der Instrumentation gewinnt der Song an Dynamik und Intensität, so dass gegen Songmitte eine Tirade aus Schlagzeug, Streichern und Piano den Eifer jugendlicher Liebessehnsucht zelebriert. Angesichts ihres Alters sind Mairs Stimme und Ausdruck durchaus erstaunlich.
Doch ist das Material, aus dem die erste Platte zusammengestrickt ist, das immer gleiche: Glocken- und Windspiele, strahlendes Klavier, dengelnde Gitarren, Handclaps, dezente Streichereinlagen, mal Herzschlag-Beats ("Leaving Early"), mal hüpfende Percussions ("Sense"), das ganze meist im Upbeat, manchmal auch in schmonzettiger Langsamkeit ("Skinnarviksberget"). Die Synthies funkeln und glänzen an jeder Ecke, die Inszenierung der Schwedin als süße Unschuldsmine funktioniert.
Ihre Sweet-16-Stimme trällert dazu stereotypisierte Teenage-Girl-Phrasen wie "I saw your picture in the magazine, you looked bigger, brighter, stronger than everything". Stammten die aus Mairs eigener Tinte und Gedankenwelt, gäbe es kaum etwas einzuwenden. Doch stellt man sich die erwachsenen Songwriter vor, die schreiben, was sie glauben, was in einem Mädchen diesen Alters bzw. der anvisierten Zielgruppe vorgeht, bekommen solche Formeln einen seltsamen Beigeschmack.
Eingängig-einfache Retro-Melodien aus Nostalgie und Zuckerwatte füllen die recht konventionellen Popsong-Schemata aus, derer sich das Team hinter Amanda bedient. Das Endprodukt in Form des vorliegenden Albums besteht stellenweise aus endzückendem Lolli-Pop, oft allerdings lediglich aus harmlosen, beliebigen und schnell vergessenen Variationen der ersten Single. Das Messen an Superlativen wie Nicks oder Bush bleibt mehr Wunschdenken als Wirklichkeit.
Nach allen Mustern modernen Formatpops fabrizieren Johan Angergard und Philip Ekström, die für Songwriting, Produktion und einen Großteil der musikalischen Umsetzung verantwortlich sind, ein lupenreines Popalbum, das bis zur Perfektion glattgebügelt ist. So viel schablonisierte Reinheit wird auf Dauer schwer erträglich.
Mehrfach wiederholter Konsum der Platte kann zu Zuckerschock führen, mindestens aber zur Verflachung des Musikgeschmacks. Ob hinter Amanda Mair "weit mehr als eine harmlos-niedliche Poesiealbum-Pop-Sängerin" steckt, wie der Promo-Text verheißt, wird sich erst auf dem Nachfolgealbum zeigen. Dort wird sie dann hoffentlich auch mal mehr als nachsingen, was man ihr vorgesetzt hat.
2 Kommentare
der stimmliche vergleich zu kate bush ist gar nicht so weit hergeholt. nicht, dass das mädel sich ansonsten an diesem übermächtigen vorbild orientieren würde.
eine angenehme und "persönliche" stimme hat sie.
muss ihr erstlingswerk gleich so "überkritisch" angegangen werden ?
den "satz mit dem zuckerschock" hört man bisweilen hier und da. ich verstehe nicht recht, welche zusammenhänge da geknüpft werden sollen.