25. Februar 2014

"Wenn ich König von Deutschland wär ..."

Interview geführt von

Im Frühjahr 2013 entschied sich Jakob Wich aka NMZS für den Freitod. Nur kurze Zeit später kündigten seine Freunde von der Antilopen Gang an, er habe ein komplettes Album hinterlassen. Am 28. November, Jakobs 29. Geburtstag, war es dann so weit: "Der Ekelhafte" erschien - und ein letztes Mal durfte man sein außergewöhnliches Talent bewundern.

Die posthum veröffentlichte Platte vertreibt die Gang wie immer selbst. Doch eigentlich trafen sich Danger Dan, Koljah und Panik Panzer vergangenen Dezember nicht in Düsseldorf zum Pakete packen, sondern um die Arbeit an neuen Lyrics für eine gemeinsame Platte aufzunehmen. Dazwischen finden die drei trotzdem noch Zeit für ein gemütliches Interview in der Bilker Kneipe Tigges.

In welchem Stadium habt ihr die Arbeit an der NMZS-Platte eigentlich übernommen?

Koljah: Es war auf jeden Fall sehr weit fortgeschritten, die Aufnahmen waren fertig. Es waren ja Pitlab, die das Album produziert haben. Die Beats standen bereits, die hatte Jakob selbst ausgewählt. Ab Frühjahr haben die dann viel Zeit investiert, um das alles auszuproduzieren. Es wurde arrangiert, hier und da noch was eingespielt und aufgepimpt.

Ihr drei habt euch dann um die Veröffentlichung gekümmert?

Danger Dan: Genau, gemeinsam mit Pitlab. Im Grunde hatte er schon alles Mögliche geplant, es gab eine Setlist und das fertige Comic. Das ging schon sehr weit.

Panik Panzer: Es musste nur noch der Plan umgesetzt werden, der schon mindestens ein Jahr vorher stand. Wahrscheinlich stand er sogar schon zwei Jahre.

Betrachtet ihr das Album als autobiografisch? Oder seht ihr Jakob eher als jemanden, der gerne mal zwischen Realität und Kunstfigur pendelte?

D: Ich glaub, immer wenn man was Fiktives schreibt, schwingt da ganz viel von einem mit. Niemand von uns macht sich Gedanken wie: Ich mach das jetzt autobiografisch. Aber hinterher entdeckt man vielleicht doch was.

K: Bei Jakob sieht man schon diese Kunstfigur NMZS, "Der Ekelhafte", bei der seine Biografie aber überspitzt eine Rolle spielt.

P: Es gibt Ausnahmen, würde ich sagen. "Siegen" ist zum Beispiel ein hundert Prozent autobiografischer Track.

K: Nee, der ist ja auch überspitzt. Um die Dramaturgie eines solchen Tracks aufrecht zu halten, musst du manche Sachen komprimieren und verdichten. Aber die Story stimmt schon. Bei "Jetzt Ist Es Vorbei" ist es ähnlich, man merkt das ja. Wenn NMZS erzählt, dass er Katzen isst, ist das wahrscheinlich nicht autobiografisch, bei den persönlicheren Songs dagegen schon eher. Aber oft verschwimmt das ein bisschen. Ich glaub, dass auch die Kunstfigur auf die bürgerliche Person zurückwirken kann.

D: Eben, Jakob hat sich bestimmt auch aus den Flyern irgendwelcher Rapper Filter gedreht ["NMZS 2", d.Red]. Man schöpft dann doch aus seiner Umgebung, aus seinem Erlebten.

Wie muss ich mir das bei euch vorstellen? Gibt es eine Antilopen-Dropbox, in der jede Songidee sofort landet? Oder habt ihr vieles auch erst nach seinem Tod gehört?

P: Normalerweise kriegen wir ziemlich schnell mit, wenn jemand etwas macht. Das landet dann tatsächlich in der Dropbox. Diesmal habe ich die aufgenommenen Tracks erst in einem relativ weit fortgeschrittenen Stadium gehört. Dann hat er um Feedback gebeten, denn bei den Antilopen quatschen wir uns selbst bei Soloprojekten immer gegenseitig rein.

D: Ich kannte ein paar Texte bereits ohne Beat. "Sarkophag" hat er mir zum Beispiel mal vorgelesen. Aber wann ich die ganze Platte zum ersten Mal gehört hab, weiß ich gar nicht mehr. Am Stück, glaube ich, erst als er schon gestorben war.

K: Ich erinner mich auch noch gut daran: Ich hab zu der Zeit nicht in Düsseldorf gewohnt, und immer wenn ich ihn besucht habe, hat er mir ein paar neue Texte vorgerappt. Wir geben dann schon gegenseitig unseren Senf dazu und holen uns andere Meinungen ein.

Wie zufrieden seid ihr denn mit dem Verlauf der letzten Wochen? Die Platte ist draußen ...

K: Es ist natürlich total erleichternd, dass das endlich über die Bühne ist. Die Erwartungen wurden jedenfalls übertroffen, die erste Auflage ist schon weg. Wir hatten da nicht wirklich ein Ziel, aber es gab tatsächlich mehr Aufmerksamkeit, als wir dachten. Das ist gut, aber der Stress ist natürlich noch nicht vorbei. Meine Wohnung quillt über mit Müll, Verpackungen und CDs.

Ihr macht das alles von zuhause aus?

K: Wir haben uns zu dritt bei mir eingerichtet und das alles verschickt. Das war ziemlich anstrengend, jetzt gehts langsam wieder.

D: Für uns ging es nicht in erster Linie darum, eine Platte rauszubringen. Sondern das war einfach ein wichtiges, persönliches Ding. Und da ist es für mich auch schwierig, von Zufriedenheit zu reden. Ich glaub, jetzt kommen wir erst mal langsam runter und lassen das alles sacken. Und dann überprüfen wir, wie traurig wir wirklich sind. Zwischendurch hab ich schon immer wieder gesagt: Das ist ein Albtraum. Und dann auch noch so 'ne Platte. Ich bin eigentlich ganz froh, dass sich die Wogen langsam glätten. Und gleichzeitig bin ich gespannt, wies mir geht, wenn mal wieder Ruhe einkehrt.

Erst dann kann man das vermutlich nur ansatzweise fassen.

K: Ja. Wir haben uns da direkt reingestürzt. Das ist ja ein ganz bestimmter Umgang, aber eben auch eine große Aufgabe.

Im Internet, auch unter unserer NMZS-Review, haben sich manche Fans über die Wortwahl beschwert. Verfolgt ihr das und könnt ihr das nachvollziehen - gerade in Anbetracht der Tatsache, dass ihr selbst das Thema in der Öffentlichkeit ja sogar mit schwarzem Humor angeht?

K: Wir haben das Problem ja selbst. Man ist schließlich nicht darauf vorbereitet, für so eine Katastrophe die richtigen Worte zu finden. Ich weiß nicht, worum es bei der Rezension genau ging. Aber generell meint das niemand böse.

D: Ich glaub, die Situation ist so falsch, dass es keine richtige Reaktion gibt. Da kommt irgendwie ein Freund zu mir und sagt: 'Boah, scheiße. Mein Beileid.' Und ich denk: Du Spast, lass mich in Ruhe. Und dann kommt einer und sagt nichts, sondern: 'Komm wir trinken ein Bier.' Und ich denk: Du Spast, lass mich in Ruhe. Jede Reaktion ist automatisch kacke. Und wahrscheinlich auch meine eigene. Man kann nur alles falsch machen. Davon haben wir, glaube ich, so wenig wie möglich falsch gemacht.

P: Ich finds bis jetzt auf jeden Fall ganz okay, wie wir damit umgehen. Man kann vielleicht auch gar nicht bewerten, ob das richtig oder falsch ist. Aber auf jeden Fall funktioniert es so. Man kommt so weiter.

Dass es bei der Antilopen Gang weitergeht, habt ihr von Anfang an betont. Da fragt man sich natürlich: Wie? Fest steht, dass ein Crew-Album kommt. Wird sich thematisch etwas verändern?

D: Wir sind hier in Düsseldorf, um zu schreiben. Aber das ist wie ein Freestyle: Du weißt vorher nicht, was hinterher dabei rauskommt. Bis jetzt ist es auf jeden Fall sehr gut.

K: Man kann schon davon ausgehen, dass so Sachen verarbeitet werden oder irgendwie eine Rolle spielen.

P: Aber wir machen jetzt nicht das große Album, das ein einziges Thema behandelt. Nämlich dass der vierte Mann über Bord gegangen ist.

K: Ein paar Mal wurde ich auch gefragt: 'Habt ihr jetzt euren Humor und eure Leichtigkeit verloren?' Das weiß ich nicht. Unser Humor hatte ja schon immer irgendwie eine tragikomische Komponente, so wie ich das empfinde. Wir können jedenfalls auch noch lustige Lieder machen.

Der Prinz Pi-Disstrack war jedenfalls kein Zeichen von verlorenem Humor.

K: Genau, das war auch der erste Track, den die Öffentlichkeit seitdem gehört hat. Da hat das Thema eine Rolle gespielt, so stark wird das auf dem Album vielleicht nicht mehr der Fall sein. Aber das war auch ein gewisses Statement.

D: Ich war schon immer eher der Traurige.

K: (lacht) Nein, ich!

D: Man redet immer so vom Antilopen-Humor. Und alle Leute sagen immer: 'Ihr seid so sarkastisch!' Aber wenn ich mir meine Lieder so anhöre ... Das ist so ein Ruf, der uns vorauseilt. Wir kommen aus Düsseldorf und wir sind lustig: Das stimmt halt beides nicht. (lacht) Wir sind tieftraurig und kommen aus dem Antilopen-Land. Aber das ist auch ein geiles Image. Von daher glaubt bitte weiter, dass wir sarkastisch, lustig und gut drauf sind.

K: Wir sind lustig und schlecht drauf.

"Freestyle rappen und aufnehmen - danach hörten die Skills auf."

Der EP "Aschenbecher" von NMZS & Danger Dan liegt eine txt-Datei bei, in der ihr erwähnt, dass die EP in einem Tag komplett geschrieben wurde.

D: Eigentlich war der Arbeitstitel "Liebe & Aschenbecher". Aber die Liebe ist irgendwie flöten gegangen. Wir haben uns halt getroffen, hatten beide irgendwie Beziehungsprobleme, haben die besprochen und dann war es schon Abend. Bis 4 Uhr morgens haben wir dann geschrieben, eigentlich runtergeschrieben wie einen Freestyle. Zack, zack, Text für Text, Beat für Beat. Die Beats gab es schon, die habe ich im Vorfeld alle skizziert.

Am nächsten Tag haben wir uns dann hingesetzt und aufgenommen. Danach gab es noch einen Tag, an dem wir uns mal getroffen haben und zwei, drei mega peinliche Textstellen rausgeschnitten haben. Aber auch da wären wir - wie auch bei Jakobs Album - nie in der Lage gewesen, das selber abzuschließen und die Feinarbeit zu machen. Daher haben sich die Pitlabs noch mal drangesetzt, alles arrangiert, die Drums neu gemacht, die Doppels tight geschnitten ...

P: In einem ersten Schritt hab ich erst mal die ganzen Projektdateien von verschollenen Festplatten gerettet, wozu du nicht in der Lage warst. Es hätte auch sein können, dass dieses Album nie so rauskommt.

D: Es gab sogar einen Aufruf an alle Antilopen-Fans, mich zu beschimpfen, bis ich die Daten rausrücke. Mit einer E-Mail-Adresse, die eine Weiterleitung zu meiner privaten Adresse hatte.

K: Das haben wir ohne sein Wissen gemacht.

D: Wir konnten halt irgendwie Freestyle rappen und das aufnehmen. Und dann hörten unsere Skills auf. (lacht) An der Stelle: Danke an alle die mich beschimpft haben. Und an die Pitlabs. Und an Aspirin Complex.

Aber es ist kein Antilopen-Grundsatz, etwas schnell zu schreiben und das dann so zu belassen, so wie es sich etwa Marsimoto vornimmt? Ich habe letztens auch gehört, dass bei Sido jeder Song unter den Tisch fällt, der nicht nach einem Tag fertig ist.

P: Nein, wir haben da unterschiedliche Herangehensweisen. Das kollidiert auch gerade ein bisschen. Wir müssen uns erst mal wieder aufeinander einstellen, weil wir länger nicht mehr in einem solchen Gefüge gearbeitet haben. Daniels beste Texte sind tatsächlich die, die er schnell runterschreibt. Wenn er anfängt zu verbessern, sind das oft Verschlimmbesserungen. Dann sollte man es lieber lassen. Und ich hab sowieso nur Schreibkrämpfe. Bei mir ist es Glück, wenn ich überhaupt einen Text zustande kriege. Und Koljah schreibt seine Texte, glaube ich, in Ruhe runter und bessert es am Ende aus. Gerne auch mit ein wenig Abstand.

K: Es ist auch bei uns schon vorgekommen, dass wir Tracks ganz schnell fertig hatten. Aber das ist kein Grundsatz. Da kommt manchmal was Geiles bei raus, es kann aber auch scheiße werden.

D: Ich finds auf jeden Fall gut, an so einem Album auch intensiver zu arbeiten und noch mal zu gucken: Find ich das alles cool? Oder zumindest so viele Tracks zu machen, dass man irgendwelche aussortieren kann. Das Dogma 'Ein Track muss an einem Tag fertig sein' ist genauso unproduktiv wie das Dogma 'Ich muss jetzt zwei Wochen an einem Track arbeiten, sonst kann der nicht gut sein'.

Danger Dan, ich habe im Netz einen Artikel über deine erste EP "Coming Out" gefunden, auf der sich auch politische Tracks befanden - was ich bislang gar nicht mit euch in Verbindung gebracht hätte. Darin fragst du dich etwa, warum in 20 Jahren Deutschrap noch kein Track über den Holocaust geschrieben wurde. Werdet ihr auch solche Themen mal wieder verarbeiten?

D: Na ja, das war ja die Gegenfrage auf die Frage, wieso ich das mache. Und ich fragte: Wieso machts eigentlich kein anderer? Das ist doch viel spannender. Bei uns spielte Politik in den Anfängen unserer Zusammenarbeit schon ein Rolle. Und es fand eine Identifikation der Leute mit uns aufgrund dieses Themas statt, viel eher als aus dem Hip Hop-Kontext heraus. Mittlerweile hat sich das verschoben, was ich auch begrüße.

Ich habe zwar irgendwo eine politische Haltung, die sich in den Liedern auch widerspiegelt. Aber ich benutze Musik oder Rap nicht, um irgendwen zu agitieren oder irgendwem was zu erklären. Wenn ich aus Versehen mal schlaue oder politische Dinge schreibe, dann liegt das daran, dass ich über meine Umgebung und mein Leben darauf stoße. So wie damals: Die Shoah ist 60 Jahre her und es kostet viel Kraft, ihre Spuren irgendwie zu übersehen. Daher habe ich mich gewundert, dass niemand darüber schreibt.

P: Weil das vielleicht kein gutes Thema für Musik ist. Oder zumindest ein schwieriges.

K: Zumal es ja schon Barbarei ist, nach Auschwitz überhaupt ein Gedicht zu schreiben, wie ein kluger Mann einmal sagte.

D: Adorno?

K: Ja, klar.

D: Ich glaube, es kommt darauf an, in welchem Dilemma man steckt. Wenn man das Thema vermeidet, weils schwierig ist, finde ich das mindestens genauso dumm wie: Ich greife ein Thema auf, weils populär ist und nutze das irgendwie aus. In dem Fall gabs in meinem Leben halt konkrete Anlässe, und das hat mich beschäftigt. Es gab unglaublich viele Reaktionen darauf und im Endeffekt ist es auch kein Lied, dass ich auf einem Konzert spielen und sagen würde: Hey, jetzt alle Hände in die Luft!

"Wie kommt man raus aus der Hip Hop-Szene?"

Was haltet ihr eigentlich vom generellen Rauchverbot in NRW? "Aschenbecher" beinhaltet schließlich schon eine gewisses Pro-Raucher-Statement.

K: Genau, deswegen sind wir auch dagegen.

P: Moment!

K: Du rauchst nicht, aber du bist doch nicht fürs Rauchverbot. Antilopen hassen das Rauchverbot.

P: Nee, Moment. Also wenns nach mir ginge, also wenn ich König von Deutschland wär, dann würde ich Zigaretten verbieten und das Rauchen dementsprechend auch. Nee. Ich würde Rauchen erlauben, aber man darf nicht inhalieren. (allgemeines Gelächter)

K: Wenn ich König von Deutschland wär, würde ich Nichtrauchen illegalisieren.

D: Wenn ich König von Deutschland wär, gäbs keine Zigaretten-Rauchverbote. Aber diesem ganzen Trend zu sonstigen illegalen Drogen würde ich mich mit sehr harten Konsequenzen entgegenstellen. Sowohl Kiffern als auch Leuten, die Ecstasy nehmen. Oder dieses sogenannte Kokain.

K: Du schweifst jetzt auch ein bisschen vom Thema ab.

P: Ey, du versuchst uns immer in eine lustfeindliche Anti-Drogen-Ecke zu stellen. Damit wollen wir genauso wenig zu tun haben wie mit Drogen.

K: Ich will mit Drogen was zu tun haben! Aber ich wollte zum NRW-Rauchverbot noch mal was sagen: Allein wenn man die Lebensrealität hier in Düsseldorf betrachtet, finde ichs zum Kotzen, dass man in Kneipen nicht mehr rauchen kann. Es ist unerträglich, gerade im Winter. Ich finds auch irgendwie eine Frechheit, dass sich da irgendwelche Instanzen einmischen. Meinetwegen kann man da irgendwelche Regelungen finden, mit Nichtraucher-Abteilen. Aber insgesamt gefällt mir das gar nicht.

D: Ich mach auch Musik mit so 'ner Rap-Crew, mit der wir uns immer zuhause bei einem treffen, wo nicht geraucht werden darf. Und die Crew werde ich demnächst verlassen. Ich komm damit nicht mehr klar.

P: Hol dir halt endlich mal diese scheiß Elektro-Zigarette. Die gibts bei Real, da gehen wir gleich hin.

D: Ein Grund, warum ich nach Berlin gezogen bin: Da darf ich in Ruhe rauchen.

Ihr seid bekennende DIY-Anhänger. Habt ihr die letzten Jahre dennoch mal daran gedacht, mit einem Label zu sprechen?

P: Ja.

K: Aber die Labels haben nie daran gedacht. (lacht)

D: Es ist halt de facto der Punkt erreicht, an dem uns die Logistik über den Kopf wächst. Wir müssen die Strukturen verändern.

P: Wir brauchen sehr dringend Hilfe.

D: Im Moment kommen wir zu nichts mehr. Jetzt haben wir uns zum Beispiel hier getroffen, um Texte zu schreiben und haben zwei Tage lang im Grunde nur Quatsch gemacht. Und einen Abend hatten wir ab 22 Uhr mal Zeit, nachdem wir die ganze Zeit Pakete gepackt haben. Ich finds nicht schlimm, sich Unterstützung zu holen. Der Sellout kann beginnen.

K: Warum sollte das auch schlimm sein?

D: Na ja, es ist schon vom Swagger her geil, das so lange wie möglich selber zu machen und zu behalten. Das empfehle ich auch allen Bands. Es wird auch in Zukunft so bleiben, dass wir die Kontrolle über alles haben. Aber damals bei dieser "Dinkelbrot & Ölsardinen"-EP hat Tobi [Panik Panzer, d.Red.] noch die Farben selber angemischt und selber gesiebdruckt. So DIY waren wir mal. Dann ging so was halt peu à peu nicht mehr, stattdessen mixte dann die Druckerei die Farben. Und mittlerweile können wir halt nicht mehr die Mails von zwanzig Gymnasiasten beantworten, die fragen, ob wir auf deren Abiball spielen können.

Ist das ein Beispiel aus der Realität?

K: Kommt vor, ja.

D: Da gibt es mittlerweile ein Agentur, die uns hilft. Ich gehe auch davon aus, dass wir die nächste Platte nicht mehr ...

P: Jetzt setz langsam mal 'nen Punkt!

K: Kurz: Wir werden auch mit Labels sprechen.

D: Wie willst du das alles transkribieren? (lacht)

K: Wir wollen nicht über ungelegte Eier sprechen. Aber es ist unfassbar, wie reich wir jetzt schon sind!

Ihr arbeitet trotzdem noch nebenher, oder?

P: Nee, ich habe meinen Job Anfang November, ohne groß drüber nachzudenken, aufgegeben. Eigentlich mit dem Vorhaben, ab Januar weiterzumachen. Ich weiß auch gar nicht, wie ich die Zeit überstehe. Fürs Erste bin ich jetzt mal wohnungslos – für die Musik. Was auch eigentlich ein ganz guter Zustand ist. Ich habe Koljah hier in Düsseldorf zwangs-WG-isiert.

K: Furchtbar.

P: Ich bin einfach bei ihm eingezogen, ohne vorher zu sagen, wie lange ich da bleibe. Alles für die Musik.

K: Ich bin arbeitsloser Akademiker.

Was hast du denn studiert?

K: Soziologie.

P: Ich war Gebäudereiniger im Rotlichtviertel und hatte da zwei, drei Häuser, die ich fest reinigte.

D: Und ich bin so 'ne Art Hochstapler mit dem Schwerpunkt Projektarbeit in Radio- oder Theaterzusammenhängen.

Könnt ihr mir eigentlich erklären, was aus der Düsseldorfer Musikszene geworden ist? Man hört immer so viel von den Achtzigern - Kraftwerk, DAF, Fehlfarben, Ratinger Hof und so weiter.

K: Heute gibts Die Toten Hosen, Stabil Elite, Antilopen Gang.

D: Es gibt hier Farid Bang. Und auf der Ellerstraße ist wahrscheinlich in jedem Haus 'n krasser Rapper. Ich hab mal mit Jakob in der Ellerstraße gewohnt.

K: Hip Hop-technisch gibts hier immerhin einmal im Monat die Herrentorte, es gibt also schon eine Untergrundszene. Da sind wir jetzt nicht so stark involviert, Jakob war es schon eher.

P: Aber was du jetzt sagst, klingt nicht so, als ob in Düsseldorf irgendwie was los wär.

K: Ja, gut, die Ratinger Hof-Zeiten sind vorbei. Aber da war Düsseldorf auch Pionier in ganz Deutschland beziehungsweise in Europa, abgesehen von London. Das ist vielleicht eine arg hohe Messlatte.

D: In Berlin ist es gerade andersrum. Viele Jahre ist nichts passiert und seit ich da wohne, organisiert sich alles noch mal neu. Viele Berliner Rapper werden gerade gut, weil ich da bin.

P: Tut mir halt auch Leid, dass wir beide Aachen verlassen haben, und die Stadt damit endgültig zu kulturellem Brachland gemacht haben. Das ist halt das Dilemma der Städte.

Abschließende Frage: Was bedeutet euch euer erster Auftritt auf dem Splash!?

D: Ich gebe jetzt eine ehrliche Antwort, auf die Gefahr hin, dass ich gehasst werde. Wir haben auf dem Mile Of Style gespielt, wo auch einige Rapper waren. Und ich hab halt immer gedacht: Endlich raus aus den Autonomen Zentren, rein in die Hip Hop-Gegend. Und denke jetzt gerade: Wie kommt man raus aus der Hip Hop-Szene, rein in irgendwas Besseres?

K: Casper.

D: Genau, so Casper-mäßig. Aber ich hab gehört, beim Splash! kann man sich umsonst tätowieren lassen, dann sind das ja mehrere Fliegen mit einer Klappe: Wir kriegen von Prinz Porno aufs Maul und können uns umsonst tätowieren lassen.

K: Ich glaub, von Prinz Porno kriegt man nicht aufs Maul.

Das glaube ich auch nicht.

D: Schade.

K: Ich finds sehr schön, dass wir beim Splash! spielen. Weil ich seit zehn Jahren immer gesagt habe: Ich geh da erst hin, wenn wir selbst spielen. Ich hoffe, unser Auftrittszeitpunkt ist nicht 13 Uhr oder so.

P: Aber davon ist auszugehen. Wir freuen uns schon alle sehr, da zu spielen. Diesen Meilenstein möchte man gerne mal in seiner Rap-History abhaken. Aber meine persönliche Befürchtung, als Berufspessimist der Antilopen: Es wird wahrscheinlich nicht der krasse Auftritt. Weil wir in irgendwelchen Städten schon krassere hatten, wo sich die Leute auch wirklich für einen interessieren.

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1 Kommentar

  • Vor 10 Jahren

    warum kennt friedrich denn nicht antilopen... jeder kennt uns, wir sind die mit dem toten :koks: :koks:
    Ich mag die. auch nmzs. die sind :cool:
    aber es gibt hip hop tracks die den Holocau$t thematisieren :suspect: :confused: sogar in einem breiten spektrum. angefangen bei SOokee über diSSau crime :koks: