laut.de-Kritik

Ein Sologitarren-Album? Himmel, hilf!

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"Oh Gott, bitte nicht schon wieder eins dieser unsäglichen Instrumentalalben", wird sich der ein oder andere jetzt denken. "Und dann auch noch von einem Gitarristen! Himmel, hilf!" Der Himmel hat schon geholfen. Oder was meint ihr, woher der Messias sonst herabsteigt? Für die einen Blender, für die anderen Glaubensstifter: "Arcade Messiah" folgt der Tradition.

Dahinter steckt der Brite John Bassett. Der machte sich in progressiven Untergrundkreisen bereits als KingBathmat einen kleinen Namen. Anfang des Jahres trat er aus dem Schatten dieses Bandbanners heraus und veröffentlichte das hauptsächlich akustisch gehaltene "Unearth".

Offenbar hat Bassett Gefallen daran gefunden, an mehreren Baustellen gleichzeitig zu arbeiten. Ein halbes Jahr später präsentiert er das nächste Neuprojekt. Nach sieben KingBathmat-Alben in zehn Jahren gibts nun also Releases dreier unterschiedlicher Operationen binnen 18 Monaten.

Wer bei Sologitarrenalben sofort in Richtung Frickelei schielt, den wird "Arcade Messiah" bitter enttäuschen. Ebenso all jene, die bei fehlendem Gesang augenblicklich "Laaangweilig!" plärren. Ja, zugegeben, ab und zu ein paar Vokalmelodien obendrauf hätten sicher gut gepasst. Es funktioniert aber auch wunderbar ohne.

Das liegt vor allem an den durchgehend starken Melodien. Mit tatsächlichen Soli hält sich "Arcade Messiah" nur selten auf. Schon bei "Unearth" fiel die Fähigkeit John Bassetts auf, einen Song interessant zu gestalten, ganz ohne plötzlich in egomane Selbstinszenierungs-Gefilde abzudriften. Geschwindigkeit ist für den Briten ohnehin kein Gradmesser. Zwar zieht er diesmal vereinzelt das Tempo etwas an, am wohlsten fühlt sich der Gitarrist aber im Midtempobereich.

Großartige Taktsperenzchen hat Bassett ebenso wenig nötig. Eigentlich fehlt "Arcade Messiah" so ziemlich alles, was andere Gitarrenalben definiert. Trotzdem ist es eines der besten dieser Zunft. Wenigstens in diesem Jahr. Statt seine Skills zur Schau zu stellen, konzentriert sich John in erster Linie auf Songdienlichkeit. Irgendwie seltsam, dieses Wort im Soloklampfenkontext zu verwenden.

Die Stücke erweisen sich als hervorragend strukturiert, arrangiert und überaus abwechslungsreich. Im Fokus stehen klar die Melodien, wie "Sun Exile" schon zu Beginn deutlich macht. Drums, Bass und Rhythmusgitarre sorgen für eine schwer groovende Basis, die auch selbst einige Schmankerl zu bieten hat. Der Vergleich mit Joe Satriani wirkt auf den ersten Blick vollkommen unpassend. Gar nicht mehr so abwegig allerdings, wenn man an dessen Chickenfoot-Engagement denkt. Klar, die musikalische Ausrichtung ist eine andere. Das Gespür für knackige Rhythmen ist allerdings vergleichbar.

Hinterher kommt mit "Your Best Line Of Defence Is Obscurity" eine Nummer, die anfänglich klingt wie ein elektrifizierter "Unearth"-Track. Hinten raus entwickelt sie derart furiose Leadduelle, dass man sich fragt, wieso diesen Bassett noch immer so gut wie niemand kennt. Sogar hier lässt sich selbiger nicht in einen Geschwindigkeitsrausch treiben, sondern kontrolliert zugunsten der Komposition seine Hände in flüssigen Legatobewegungen, während sich die Melodien und Rhythmen kanonisch gegenseitig überlagern.

Ruhiger geht es im spacigen "Aftermath" zu. Das dreiminütige Intermezzo teilt "Arcade Messiah" in zwei Hälften. "Everybody Eating Everybody Else" läutet also quasi den Endspurt ein. Entsprechend dem martialischen Titel wird es heavy. Mit druckvollem Sound beeindruckt auch das Schlagzeug. Obwohl die Gitarre natürlich klar tonangebend ist, vernachlässigt der Chef kein einziges Element in seinem Universum. Die offenbar perfektionistische Herangehensweise zahlt sich zu hundert Prozent aus.

Seinen epischen Abschluss findet "Arcade Messiah" in knapp neun Minuten bei "Roman Resolution". Eröffnet von einer feinen Steven Wilson-Melodie, spielt das Lied bald mit zaghaften Dissonanzen, bevor es sich elegant zur Hymne aufschwingt. Da geht er, der Messias. Bitte komm bald wieder!

Trackliste

  1. 1. Sun Exile
  2. 2. Your Best Line Of Defence Is Obscurity
  3. 3. Traumascope
  4. 4. Aftermath
  5. 5. Everybody Eating Everyone Else
  6. 6. The Most Popular Form Of Escape
  7. 7. Roman Resolution

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