laut.de-Kritik
Nach fünfjähriger Abstinenz ist Österreichs tückischste Droge wieder erhältlich.
Review von Daniel StraubEndlich. Die lange Zeit des Wartens ist vorbei und Österreichs kurioseste Formation meldet sich mit "Sun" nach fünfjähriger Abstinenz wieder zurück. Natürlich treten Attwenger auf ihrer neuesten Platte wieder in der Stammformation an. Markus Binder trommelt und textet, unterstützt von den einschneidenden Geräuschen aus Hans-Peter Falkners Ziehharmonika. Doch das attwengersche Universum präsentiert sich auf "Sun" offener als noch auf den Vorgängern. Die Freude am Experiment und der Drang, sich ständig selbst zu widersprechen, machen "Sun" zum lausbübischen Kunststück.
"I have no idea what it's all about, but I like the general noise - a great deal", hat der englische Radio DJ John Peel, dessen Peel-Sessions in jeder halbwegs gut sortierten Plattensammlung zu finden sind, einmal über Attwenger gesagt. Gut, John Peel versteht den Dialekt der beiden Österreicher nicht und auch die im Booklet abgedruckten Texte werden ihm nicht sonderlich geholfen haben. Sonst wäre er nicht nur über die Geräusche im allgemeinen entzückt gewesen, sondern hätte auch den feinsinnig ironisch gereimten Sprechgesang zu schätzen gewusst.
Attwenger setzen auf "Sun" die bereits auf ihrem letzten Album "Song" angeklungene Entwicklung konsequent fort: Weg vom Polka-Punk früherer Tage, hin zu einer Arbeits-Ästhetik, die man mit dem Wort 'Freistil' vielleicht am besten charakterisiert. So spielen sie mit dem Gitarristen Fred Frith zum beinahe elf Minuten langen "Mei Bua" auf, das sich immer wieder aus sich selbst heraus neu erfindet. Mein persönlicher Anspieltipp ist jedoch ganz klar Stück Nummer zwei. "Kalender" ist so gut, weil es typisch Attwenger ist und doch auch völlig untypisch Attwenger, wodurch es eben wieder zu einem typischen Attwenger-Song wird. Keine Ziehharmonika und auch kein Schlagzeug sind zu hören. Dafür gibt es einen sanften, elektronisch programmierten Groove, der auf die Reime von Markus Binder geradezu gewartet zu haben scheint. So kommt zusammen, was nicht zusammen kommen soll: Attwenger sind wieder da.
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