laut.de-Biographie
Augustines
Wer die Geschichte der Augustines erzählen möchte, kommt um mehrere Absätze zu den tragischen Lebensumständen von Sänger und Gitarrist Billy McCarthy nicht herum. Die Schicksalsschläge seines Lebens sind es, die 2010 nicht nur zur Formierung der Augustines führen und die Vorgängerband Pela mit zu Grabe tragen, sondern auch den Kern des Augustinesschen Alternative Rock in Klang, Stimmung und Lyrik formen.
Schon die Kindheit verbringt McCarthy in verschiedenen Kinderheimen in Nordkalifornien. Denn die schizophrene und drogensüchtige Mutter ist der Herausforderung Erziehung nicht gewachsen. Geschädigt vom brüchigen Verhältnis zur Mutter rebelliert McCarthy gegen andere Kinder und Erwachsene, gerät regelmäßig in Schlägereien und wird von Heim zu Heim weitergereicht.
Damit nicht genug, stirbt die Mutter auch noch an einer Überdosis, als der Sohn gerade 19 ist. Billy McCarthys Bruder James leidet wie sie an Schizophrenie, die in einigen Straftaten mündet. Die wiederum führen zu einer Einzelhaft in einem kalifornischen Gefängnis, was der Bruder nicht verkraftet und seinem Leben selbst ein Ende setzt.
Wahl-New Yorker McCarthy befindet sich zu jener Zeit gerade mit seiner Indieband Pela an der Studioarbeit für deren zweites Album. Geschockt von den persönlichen Dramen, aber auch erdrückt von Schulden sowie im chronischen Streit mit der damaligen Plattenfirma, zerbrechen die Brooklyner Pela nach fünf Jahren 2009 an den äußeren Umständen.
Auftritt: der Vogel Phönix. Schon wenig später nehmen McCarthy und Pela-Multiinstrumentalist Eric Sanderson das weitgehend fertige Pela-Songmaterial, suchen sich mit Oxcart Records ein neues Label und veröffentlichen "Rise Ye Sunken Ships". Der Erstling erscheint aufgrund einer Namensstreitigkeit noch unter dem Namen We Are Augustines. Das selbstbetitelte Zweitwerk beschränkt sich dann wieder auf ein schlichtes Augustines. Der britische Drummer Rob Allen komplettiert die Band.
Alles andere als schlicht fällt hingegen die mediale Resonanz anlässlich des überaus persönlichen "Rise Ye Sunken Ships" aus. Bei iTunes schafft es die stadiontaugliche Platte gar zum "Alternative Album of the Year". Apropos stadiontauglich: Die zwischen U2-Gitarren, The National und Arcade Fire-Pathos changierenden Augustines-Songs gewinnen vor allem live durch die hochemotionale Performance der Band. Immer wieder verlässt das Trio, das mit den Maccabees, Counting Crows und den Kaiser Chiefs auf Tour war, die Bühne, um auf Augenhöhe mit dem Publikum zu interagieren.
Mit McCarthys reibeisener Stimme im Geiste Bruce Springsteens erzählt die Band im Stück "Book Of James" vom Leben und Suizid des Bruders. Auch die tragischen Konflikte mit und um die Mutter prägen das Album, mit dem die Augustines bei aller Bitterkeit dazu anhalten wollen, sich wider alle Umstände nicht unterkriegen zu lassen. Religiöse Motive komplettieren die großgestige, aber stets um Aufrichtigkeit bemühte Bildsprache.
Dazu passt McCartyhs lakonische Interviewäußerung: "Wenn mich nicht alles täuscht, bereitet das Leben doch vor allem Schmerzen ..." Zugleich betont er seine tiefempfundene Dankbarkeit für die Anerkennung durch Fans und Talkshow-Hosts wie David Letterman: "Mein Herz würde brechen, müsste ich wieder als Barmann oder Truckfahrer arbeiten. In diesen Jobs wurde ich regelmäßig gedemütigt. Ich würde das zwar erneut überleben, aber meine Seele würde sterben."
2016 kommt das dritte und damit auch letzte Album der Augustines "This Is Your Life" auf den Markt. Auf ihrer offiziellen Facebook-Präsenz verkündet die Band ihre Auflösung in einem offenen Brief an die Fans. Die Gründe sind so trivial wie verständlich: große Herausforderungen während der Touren zehrten an den drei Musikern, die sich nach der bevorstehenden Herbsttour jeweils eigenen Projekten widmen. 2017 soll noch Todd Howes Film "Rise", der die Geschichte der Augustines dokumentiert, in die Kinos kommen. Gibt es ein schöneres Abschiedsgeschenk als eine eigene Dokumentation?
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