Porträt

laut.de-Biographie

Autre Ne Veut

Moderner R&B gehört in den 2010er Jahren zu den diskursivsten Spielarten des Popbetriebs: Mit dem Durchbruch Indie-kredibler Künstler wie The Weeknd und Frank Ocean in den Mainstream entflammt ein Disput darum, was eigentlich die konkreten Insignien des Genres sind.

Solange Knowles etwa kritisiert in einem Twitter-Post diejenigen Kritiker, die aus einer Außenperspektive den neuen "hippen" Reinterpretations-R&B anpreisen, ohne sich beispielsweise mit den Beatkonstrukten einer Aaliyah oder den historischen Wurzeln des R&B auszukennen.

Knowles verkennt dabei den unumstößlich ernsthaften wie geschichtsbewussten Umgang vieler Underground-Blog-Stars mit dem Topic. So löst sich die Authentizitätsdebatte um die Unterschiede zwischen Alternative-R&B-Acts und "klassischen" Künstlern wie Beyoncé, Usher und Rihanna in Anbetracht von Autre Ne Veut weitegehend in Luft auf.

Das Schlafzimmerpop-Projekt, übersetzt "Ich denke an niemand anderen", wird nicht aus Zeitgeistigkeit, sondern aus Leidenschaft fürs Thema geboren. Als Erstgeborener, Jahrgang 1982, in Kenia lebender Expat beschäftigt sich Arthur Ashin in Jugendtagen zwar auch mit Alternative Rock, hört Nirvana und Pavement. Daneben begeistert der New Yorker sich jedoch auch für als uncool geltende Pop-Superstars, für Michael und Janet Jackson, Madonna, Whitney Houston: "Ich habe diese Musik geliebt!"

In der Highschool lässt sich Ashin zum klassischen Sänger ausbilden. Einige Jahre später am Hampshire College in Massachusetts studiert er dann Psychologie – vermutlich auch, um mit periodisch auftretenden Depressionen fertig zu werden. Er wohnt zusammen mit Daniel Lopatin, bekannt als Labelboss der experimentellen Synthpop-Schmiede Software sowie mit seinem Ambient-Unterfangen Oneohtrix Point Never.

"Daniel produzierte diese phänomenale, merkwürdige Ambientmusik. Ich war neidisch und machte es ihm nach. Das tötete meinen kreativen Antrieb total: I was over-intellectualizing it, over-researching it, over-thinking it." Nach Studiumsabschluss nimmt sich der Amerikaner eine Auszeit und arbeitet in Brooklyn als Jingle-Autor. Dort kreiert er instrumentale Hintergrundmusik für Marken wie Estée Lauder.

Bis ihm eines Tages das R&B-Licht aufgeht. Ashin entscheidet sich dafür, fortan endlich die Popmusik zu machen, die ihn seit Kindertagen berührt. In der Folge erscheint 2010 das selbstbetitelte Debüt. Doch erst mit dem nachfolgenden Werk "Anxiety", erschienen 2013 auf Daniel Lopatins Software, wagt Autre Ne Veut die allumfassende Pop-R&B-Umarmung.

Das Album, das sich im Titel wie inhaltlich stark mit der Angststörung auseinandersetzt, wegen der sich der Künstler ein Jahr lang in Psychoanalyse begeben hatte, vereint Ashins exaltiertes Falsetto mit Synthbeats, die mal mit dem Genre Trap, mal mit Timbaland flirten. Die größte und eindeutigste Referenz durch Hairmetal-Gitarrenriffs, Maschinengewehr-Hi-Hats und Gender Studies-informiertes Crooning hindurch heißt allerdings Prince.

Ganz ähnlich wie bei How To Dress Well erwächst Autre Ne Veuts maximalistische Broadway-Theatralik aus Passion. R&B dient ihm als Ausdrucksmittel für übermütigen, sehnsüchtigen Pop zum Thema Trennungsangst. "Viele sagen: 'Das ist so R&B'. Aber für Leute, die tatsächlich hauptsächlich R&B hören, wird es sich nicht wie ein richtiges R&B-Album anfühlen", lautet das schlaue Resümee.

Lopatins synthetischer 90s-Post-R&B-Einfluss bleibt im Schaffen des Brooklyners jederzeit hörbar, sein Privatleben hingegen weitgehend im Dunkeln. Typisch für die Blog-Lieblinge seiner Zeit, lässt er Musik und Artwork zunächst für sich sprechen, ohne seine Identität preiszugeben.

So sichert er sich mit dem an weibliche Genitalien erinnernden Cover der 2011er EP "Body" genauso Aufmerksamkeit wie mit dem "Anxiety"-Artwork: In dessen ursprünglicher Variante zeigt es die gerahmte Ausgabe des weltberühmten Munch-Bildes "Der Schrei" - ziemlich passend für einen Künstler, der sich die emotionalen Farben des R&B zunutze macht, um die Grenzen subkultureller Integritätsdogmen zu transzendieren.

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