Porträt

laut.de-Biographie

Prince

Wenn jemand nach dem Unterschied zwischen Soul und Funk fragt, genügen als Demonstration zwei Songs: "Let's Stay Together" von Al Green - und "Sexy Motherfucker". Soul ist Liebe, Funk ist Sex. Den treibt Prince mit dieser derben Oldschool-Nummer auf die Spitze. Doch er hat noch viel mehr in petto.

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Der am 7. Juni 1958 geborene Prince Rogers Nelson (benannt nach der Jazzband seines Vaters, Prince Roger Trio) zeigt früh seine große Begabung. Mit 17, da ist er schon zu Hause ausgezogen, bieten ihm bereits zwei Studios Verträge an. Die bekommen ein Demotape zu Ohren, auf dem Prince neben den Keybords Bass, Schlagzeug und Gitarre spielt und dazu singt.

Ein weiteres Demo mit drei Tracks veranlasst Warner Bros., ihm einen 100.000-Dollar-Vertrag anzubieten, der dem inzwischen 19-Jährigen bei der Gestaltung seines Debüt-Albums völlige künstlerische Freiheit einräumt. Die gilt dem Multitalent, das neben Michael Jackson und Madonna zum bekanntesten Star der 80er aufsteigen soll, stets als höchstes Gut.

Großes Aufsehen erregt sein '78er-Debüt "For You" allerdings noch nicht. Das bleibt dem legendären "1999" vorbehalten, nachdem Prince zuvor mit seiner androgynen Erscheinung und expliziten Lyrics den meisten Zeitgenossen eher unangenehm auffällt. Doch die Singles "1999", "Little Red Corvette" und "Delirious" dudeln bereits 1982 in jedem Radio und rotieren im frisch gegründeten MTV. Das großartig produzierte Soul-Funk-Album hält sich drei Jahre in den Billboard-Charts. Nach Amerika verneigt sich 1983 auch der Rest der Welt vor dem kleinen großen Rhythm King, der auch jede Menge Pop im Repertoire hat.

Die folgenden Jahre lacht den Mann aus Minneapolis das Glück. Er schreibt erfolgreiche Songs (1990 hat Sinead O'Connor mit "Nothing Compares 2 U" einen Riesenerfolg), seine Scheiben erobern die Charts (geschätzte 100 Millionen weltweit verkaufte Platten) und für seinen Beitrag zum Film "Purple Rain", mit dem Prince zum Superstar aufsteigt (über zehn Millionen verkaufter Einheiten, das Album "Purple Rain" bleibt 24 Wochen in der Charts-Pole Position), erhält der 1,57 Meter große Musiker 1985 sogar einen Oscar.

Weiter ins Filmgeschäft wagt sich Prince 1986 als Regisseur von "Under The Cherry Moon", dem sein Album "Parade" als Soundtrack zur Seite steht. Zu dieser Zeit wächst Prince in seinem kreativen Schaffen über sich heraus, schreibt quasi kontinuierlich neue Musik. Resultat dieser manischen Arbeitswut ist "Sign 'O' The Times", das nach wie vor als zentrales Werk des Künstlers gilt.

"Lovesexy" sachafft es 1988 als erstes Album nicht in die Top Ten (trotz des Single-Knallers "Alphabet St."). Prompt prophezeien Prince Kritiker das Ende der Karriere. Im gleichen Jahr gibt es erstmals Streit mit dem Label, das das "Black Album" wegen zu drastischer Texte ausrangiert.

1991 legt Prince seine Tour-Band The Revolution endgültig zu den Akten und gründet The New Power Generation. Im selben Jahr knüpft er mit "Diamonds And Pearls" an die alten Erfolge an. 1992 erhält er einen neuen Vertrag von Warner, der ihm für sechs Alben zirka 100 Millionen Dollar (!) garantiert.

Doch kurz darauf ändert Prince seinen Namen in ein unaussprechbares und vor allem unschreibbares Symbol. Gewiss ist Prince für einen revolutionär gesinnten jungen Mann ein unmöglicher Name, doch das hätte er sich wohl früher überlegen müssen - er verzichtet 1993 auf ihn.

Kein Wunder, dass das Label nicht entzückt reagiert: In der Folge entsteht ein endloser Streit, in dessen Verlauf sich Prince "Slave" auf die Wange schreibt und der auch kein Ende findet, als ein britischer Journalist den Kompromiss TAFKAP, "The Artist Formerly Known As Prince", für ihn erfindet.

1996 endet der Knebelvertrag. Endlich ist Zeit für "Emancipation" und das eigene Label NPG (damals im EMI-Vertrieb), doch die alte Gelassenheit findet der kleine Mann erst mit "Rave Un2 The Joy Fantastic" wieder.

Schon zwei Jahre später, im Oktober 2001, sorgt Prince erneut für Unruhe. Auf seinem eigenen Label NPG veröffentlicht er "The Rainbow Children". Zwei Besonderheiten zeichnen das Album aus. Zum einen verkündet Prince, zu den Zeugen Jehovas übergetreten zu sein. So klingt es zuweilen etwas seltsam, wenn zu abgefahrenen Jazz-, Funk- und Fusion-Grooves ein engelsgleicher Chor den neuen Glauben verkündet.

Ein anderer Aspekt schürt aber noch mehr Aufregung. Zunächst sind die Songs nur für Premiumkunden über die Internetseite des Labels gegen die Angabe der Kreditkartennummer zu beziehen. Drei Tage später dürfen dann die normalen Kunden mit schlechterer Qualität reinhören, noch einen Monat später kommt das Album in die Läden. Gläubige Menschen können sehr geschäftstüchtig sein.

2002 veröffentlicht das Londoner Label Rex Records eine Tribute-Platte, auf der junge Elektro- und Indierock-Bands sich vorzustellen versuchen, "If I Was Prince". Nachdem im Jahr des Tributs Prince selbst ein Live-Album einschiebt, erscheint 2003 das durch Improvisation geprägte vier Track-Studioalbum "N.E.W.S." (Abkürzung für die vier Himmelsrichtungen), wiederum eine Fusion aus Jazz und Funk mit ein wenig New Age.

Für die eingefleischten Fans erfüllt die Scheibe sicherlich nicht die Erwartungen. Doch es kann auch interessant sein, den Freiheiten zu lauschen, die sich ein Künstler nimmt, wenn er nicht bei einem Major unter Vertrag steht.

Für seine Karriere wird Prince 2003 mit dem Einzug in die Rock and Roll Hall of Fame belohnt. Mit dem selbst produzierten Album "Musicology" etabliert sich er 2004 wieder im aktuellen Business. Für den Longplayer handelt er einen einmaligen Platten-Deal mit Columbia/Sony aus (bereits 1999 einigt er sich darauf mit Arista). Die Platte staubt zwei Grammys ab und erhält mehrfach Platin.

So gehört der kleine Tausendsassa auch in seinen mittleren Jahren längst nicht zum alten Eisen. Freilich schreitet das Leben an ihm nicht spurlos vorüber. Im Herbst 2005 berichten Boulevardmedien, Prince müsse sich an der Hüfte operieren lassen. Der Grund: das jahrelange Abgehen auf der Bühne in wackeligen High Heels. Musikalisch sieht es da rosiger aus.

2005 kehrt er erneut in den Schoß der Majors zurück. Diesmal unterschreibt er bei Universal, ebenfalls nur für ein Album. Doch fortan verwaltet Universal, bei denen er bereits einen Vertriebs-Deal in der Tasche hat, auch seinen kompletten Album-Backkatalog. Laut Prince gibt ihm die Plattenfirma exakt was er braucht: Freiheit und Unabhängigkeit. Im selben Jahr erhält er erneut eine Grammy-Nominierung in der Kategorie "Best Male Pop Vocal Performance".

Für das Video zu "Te Amo Corazon" verbündet sich Prince mit Selma Hayek. Beim in Marrakesch in Marokko gedrehten Clip, der Mitte Dezember in den USA auf VH-1 Premiere feiert, steht die Schauspielerin hinter der Kamera und führt Regie. Die Single, ein heißblütiger Liebessong, vertreibt Prince, wie einen Großteil seiner Musik in den 90ern, per Download im NPG Music Club. Ende März 2006 folgt der abwechslungsreiche Longplayer "3121".

In Amerika gehört Prince nach dem lang ersehnten Nummer-eins-Album, das ihm fünf Grammy-Nominierungen einbringt, wieder zum guten Ton. Im Februar 2007 tritt der mittlerweile 48-Jährige im Pausenprogramm des Super Bowlsim Dolphin Stadium in Miami auf, dem Event mit den höchsten Einschaltquoten des Jahres im US-Fernsehen.

Am 8. Mai 2007 verkündet Prince auf einer Pressekonferenz, er wolle in London zahlreiche Konzerte geben. Am Ende werden es vom 1. August bis 14. September 2007 insgesamt 21. Hierfür verkauft der exzentrische Musiker binnen 20 Minuten 140.000 Karten (Kosten pro Stück: 31,21 britische Pfund). Kurz darauf schon wieder Nachrichten aus Minneapolis: Prince' 24. Studioalbum "Planet Earth" erscheint am 20. Juli.

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Wieder landet der Stachel tief im Fleisch der Musikindustrie: Die Platte liegt dem britischen Sonntagsblatt Mail On Sunday gratis bei (Auflage: drei Millionen), von der Zeitung erhält Prince dafür 370.000 Euro. Konzertbesucher sollen die Platte beim Kauf eines Tickets ebenfalls wieder umsonst erhalten, ein Vorgehen, das er bereits zu Zeiten von "Musicology" praktizierte.

Auch "20TEN" (2010) kommt als Magazin-Beilage zum potenziellen Hörer, danach folgt eine mehrjährige Pause. Zumindest eine Veröffentlichungspause, denn ab Mitte 2014 erscheinen weitere Alben in schneller Folge, als habe Prince alle Songs für diesen Zeitraum aufgespart: "Plectrumelectrum" und "Art Official Age" erscheinen 2014 bei Warner, "Hitnrun Phase One" und "Hitnrun Phase Two" Ende 2015 exklusiv auf Jay-Zs Streamingdienst Tidal.

Und dann diese Meldung. Am 21. April 2016 geht die Nachricht um die Welt, The Purple One sei völlig unerwartet im Alter von nur 57 Jahren in seinem Studio verstorben. Wie sich später herausstellt, wurde ihm seine Schmerzmittel-Abhängigkeit zum Verhängnis. Er starb an einer Überdosis des Medikaments Fentanyl, ein starkes Schmerzmittel, das teils auch für Narkosen verwendet wird. "Sometimes it snows in April / Sometimes I feel so bad, so bad / Sometimes I wish life was never ending / And all good things, they say, never last." ("Sometimes It Snows In April" - "Parade")

Schnell stellt sich die Frage nach dem Erbe. Manisch schien Prince unendlich vieles produziert zu haben, das nie erschien. Ins posthume Geschacher platzt wenige Monate nach dem Tod der mit allzu flinker Hand gestrickte Release "Prince 4Ever", ein willkürlich wirkendes Best Of. Dem Release mangelt es sowohl an all den exzentrischen, langen, komplexen Tracks von Prince, als auch an den smoothen, süßen Pop-Nummern wie "Starfish And Coffee". Die relevanten Teile der Karriere von Prince enden laut diesem Release 1992, was ein unfaires Bild zeichnet. Selbst ein essentieller Smash-Hit wie "Money Don't Matter 2 Night" fehlt. Die Compilation verkauft sich in manchen Ländern sehr gut und erntet positive Kritiken; in Deutschland und Österreich floppt sie auf ganzer Linie.

Ein Testament gibt es nicht, und Prince hätte diesen Release wohl kaum gewollt. Prince hat keine Kinder. Es gibt eine Schwester Tyka Nelson. Zum Erbe ist sie aber nicht alleine berechtigt. Princes Vater und Mutter waren vor seiner Geburt bereits jeweils anderweitig verheiratet. Aus diesen Ehen hat der Sänger fünf Halbgeschwister. Da sich die Verwandten nicht einigen können und da Prince im Laufe der Jahre neben Warner Brothers und Eigen-Releases noch die anderen Major-Labels verschliss, teilen sich nun diverse gerichtlich bestellte Zuständige die Aufgabe, das Erbe auszuschlachten.

Zwei Finanzkonsortien, der ehemalige Vizechef von Warner und interessanter Weise ein Mitarbeiter von Spotify haben einen vorläufigen Plan erstellt, welche Firma wann aus welchen Jahren etwas ans Licht bringen darf. Prince selbst wollte gerade Spotify zu Lebzeiten komplett boykottieren und hatte seine Songs sperren lassen; dort taucht er nun allerdings wieder auf.

Den Anfang im bunten offiziellen Re-Release-Reigen macht das umstrittene "Piano & A Microphone 1983". Es folgen Originalversionen von Songs, die Prince für andere schrieb, überwiegend für weibliche Interpretinnen, "Originals".

Nachdem Warner im Mai 2019 eine BluRay mit dem Konzertfilm "Sign O' The Times" für den 13.09. ankündigt, setzt Sony Music sich mit den Wiederveröffentlichungen von "Emancipation" und "Chaos And Disorder" (beide 1996) genau auf denselben Tag. Zusätzlich zückt Sony noch die digitalisierte Kassette "The Versace Experience (Prelude 2 Gold)" aus dem Archiv: einen Promo-Gag, mit welchem Prince Warner damals (1995) ärgerte. Teilweise befand sich auf seiner Privat-Veröffentlichung besseres Material, als dasjenige, das er für "The Gold Experience" bei Warner ablieferte, so der Vorwurf des Labels damals. Teilweise verriet Prince mit der Kassette bereits, wie die Musik des Albums klingen würde.

Bei all den Streitigkeiten und Querelen erstaunt es fast, dass Warner sein Sublabel Rhino noch an die liebevolle Detail-Arbeit zu einem wirklich hochkarätigen Release setzt: der Restauration eines Konzerts. Im Rahmen des Boxsets "1999 (Super Deluxe Edition)" tauchen da zwei ganze Abende wieder auf, einer davon auch auf Schallplatte in der 10 LP-Spezialausgabe.

Der Multiinstrumentalist brachte gewaltige Innovationen in die Musikwelt ein. Er inspirierte viele Kollegen mit seinem Sound. Dennoch trifft auf kaum einen anderen der Spruch wohl besser zu als auf den Mann, der am liebsten im Falsett sang: Entweder du magst ihn - oder du wirst ihn niemals mögen.

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Prince - Welcome 2 America: Album-Cover
  • Leserwertung: 4 Punkt
  • Redaktionswertung: 3 Punkte

2021 Welcome 2 America

Kritik von Kerstin Kratochwill

Party like it's 2010? Das 'neue' Material von Prince wirkt seltsam seelenlos. (0 Kommentare)

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