laut.de-Kritik
100 Prozent samplefrei.
Review von Dani FrommMit Produzentenalben ist das so eine Sache. Allzu oft beschlich mich schon der Eindruck, zu diesem Zweck würden Beats zusammengeklaubt, die niemand so recht haben wollte, und dann einem unübersichtlichen Wust von Rappern zum Fraß vorgeworfen. Das Resultat laboriert dann meist an der üblichen Sampler-Krankheit: völliges Fehlen des roten Fadens.
Im Fall Baby J liegen die Dinge etwas anders. Zwar zieht auch er einen Stall voll Vokalisten aus dem Zylinder, von denen ich größtenteils noch nicht einmal gelesen habe. Zudem scheucht der Reglerschieber aus dem britischen Untergrund seine Hörerschaft auf einen wahren Höllenritt durch die Genres.
Dennoch wirkt der von ihm angerührte Brei erstaunlich homogen, was angesichts der scharfkantigen Stilwechsel von Hip Hop-Beats über Singer/Songwriter-Ästhetik, Indie-Zitate und Spuren von Grime zu satten Reggae-Grooves und zurück mehr als verblüfft. Baby Js besonderes Händchen zeigt sich darin, ob der gebotenen Vielfalt den Eindruck der Wahllosigkeit zu verhindern .
Das greinende Baby verstummt, kaum dass das Gläschen geöffnet wurde: Schwermütige Pianoakkorde, Gitarre und eine Rassel (!) untermalen Gesang und die dunklen, flüssigen, gehaltvollen Zeilen A. Alikes': ein durchdachter Einstieg in ein Album, das vor musikalischem Ideenreichtum schier platzt.
Auf Samples verzichtet Baby J vollständig. Statt dessen bastelt er, wie in "If I Could Do It All Again", seine Beats aus wenigen, klug gewählten Einzelteilen zusammen und erzeugt so enorme Wirkung. Klar strukturierte Synthies sägen sich durch "Lies", dessen Gesangspart problemlos von Justin Timberlake hätte stammen können.
In "Children Of The Hungry" schneidern Keyboards, Gitarre und Bass den Raps ein Offbeat-Kleid, in das sich Aynzil Jones' knautschig gesungene Hook problemlos einfügt. Die blechernen, an eine Brassband erinnernden Klänge aus "Love And Peace" peppt ein Kinderchor auf - der aus Baby Js ehemaliger Schule nämlich. Farma G.s ungemein eindringlichen Zeilen perlen mühelos darüber weg und dazwischen hindurch.
Auch, wenn er sich dagegen wehrt: Britisch pikierter als Jun Tzu in "Wee Jonny" kann man sich eigentlich kaum anhören. Mit schnarrendem R grantelt er seinen Unmut - "See all these rappers? ... No real content!" - ehe der Beat einsetzt über eine improvisierte Percussion-Einlage.
So könnte man Nummer für Nummer fortfahren. Jeder Track besitzt seine eigene kleine Besonderheit. In "Hard To Imagine" ist es schüchterner Backgroundgesang, der den Refrain vor der Weinerlichkeit bewahrt. "Wake Up" hätte ich, wüsste ich es nicht besser, den Gorillaz zugeschrieben, während Wreh Ashas gedehnte Vocals ("Could You Be More") geradewegs aus Jamaika herüberzutönen scheinen.
"Ruffneck Set The Trend" bezieht seine Dynamik aus einem ordentlichen Schlag Ska, während in "No One Like U" Piano und Bass für den Groove sorgen. Einzig die Streicher-Gesang-Legierung aus "I'm In Love" besitzt das Potenzial, an den Nerven zu zerren. Abgesehen davon übertreffen sich die MCs bei ihren Beiträgen gegenseitig an Lässigkeit.
Trotz aller Smoothness fällt Baby Js Menü keineswegs unter Schonkost. Wer es bis dahin noch nicht kapiert hat, dem hämmert es der Nachschlag "Midlands Anthem" mit dem Grimehammer ein. Vielen Dank. Sehr gerne nehm' ich noch ein Löffelchen.
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