laut.de-Kritik
Zwischen Auenland und Space Shuttle.
Review von Kai ButterweckVor drei Jahren sprang das halbe britische Königreich im Dreieck ob des Auftretens eines zarten High Fashion-Pop-Chamäleons namens Beth Jeans Houghton. Die zierliche Britin war noch keine zwanzig Jahre alt, da klopfte sie mit ihrer EP "Hot Toast" bereits energisch an die Pforte des Singer/Songwriter-Olymps.
Drei Jahre später erscheint das langersehnte Full Lenght-Debüt der quirligen Pop-Art-Elfe aus Newcastle upon Tyne und präsentiert sich ebenso kunterbunt, wie das fast täglich wechselnde Erscheinungsbild der Sängerin. Mit an Bord hat sie die Hooves Of Destiny, eine talentierte Truppe von Kleinkunst-Musikern, die ihrer dunklen Stimmfarbe den passenden Background liefert.
Eher weniger als mehr heißt die Devise, wenn sich Banjo, Cembalo, die Akustische, Kontrabass und Konsorten aufmachen, altbewährte Folk-Strukturen in ein zeitgemäßes Gewand zu kleiden.
Dirigiert wird der spartanische Hintergrund vom leicht näselnden Timbre der Protagonistin, die in ihren jungen Jahren bereits klingt, als hätte sie ihr halbes Leben hinter dem Piano einer verruchten Rotlichtbar verbracht. Doch wäre dem so, hätte eben jene Spelunke heutzutage einen goldenen Anstrich und edles Inventar zu bieten, bei all den verzaubernden Melodien, die sich über die Jahre in Beths Kopf angesammelt haben.
Beschwingt und fast schon kindgerecht aufbereitet entführt einen bereits der Opener "Sweet Tooth Bird" in ferne Fantasiewelten. Die simplen Harmonien wirken unaufgeregt, treffen aber dennoch mitten ins Pop-Bulleye und hinterlassen mehr schwerelose Gedanken, als man in zwei Minuten vertragen kann.
Die Snare lastige Saloon-Hymne "Humble Digs", das träumerische "Dodecahedron" oder der Avantgarde-Pop auf "Nightswimmer": Immer wieder erinnert die Bardin an eine in der Fußgängerzone musizierende Florence Welch, fernab von Pauken und Trompeten.
Einige Minuten später will man den Song "Liliput" nur allzu gerne in "Goliath" umtaufen, denn hier präsentiert sich "Yours Truly, Cellaphone Nose" auf dem Höhepunkt. Verspieltes Akustikgezupfe wechselt sich ab mit galoppierender Marschrhythmik, wenn Beth Jeans ihren stimmlichen Facettenreichtum ausreizt.
Unkonventionelles Songwriting gepaart mit Melodien für Millionen: Beth Jeans Houghton und ihre Hufe des Schicksals parken gekonnt zwischen Kinderzimmer, Auenland und fernen Galaxien. Da steigt man ein. Da will man mit! Egal ob im Kinderkarussell, im Ab-ins-Land-der Träume-Shuttle oder auf Gandalfs Rücken: Die Reise lohnt sich.
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