laut.de-Kritik
Dream Theater 2.0.
Review von Yan Vogel"Automata" nennt sich das aktuelle Projekt aus dem Hause Between The Buried And Me, dem (natürlich) ein Konzept zu Grunde liegt. Nach den außerkörperlichen Erfahrungen auf "The Parallax: Hypersleep Dialogues" und "The Parallax II: Future Sequence", der komatösen Introspektion auf "Coma Ecliptic", wechselt Sänger und Texter Tommy Rogers nun erneut die Perspektive: Was wäre, wenn deine Träume einer breiten Öffentlichkeit zugänglich würden?
Die Frage, ob ein Traum handlungsleitend sein kann oder gar, dass Traum und Wachphase zwei gleichberechtigte Realitäten darstellen, inspiriert Menschen seit jeher. Man denke beispielsweise an Freuds Traumdeutung oder den Hollywood-Blockbuster "Minority Report".
BTBAM interpretieren die Bedeutung des Traums hier als Befriedigung öffentlicher Schaulust: Rogers denkt dafür die grassierende Social Media-Nabelschau weiter. Da die Aufmerksamkeitsspanne bei Progbands generell hoch anzusiedeln ist, diese im medialen 24/7-Informationsgetöse aber faktisch auf 0 schrumpft, entschlossen sich die Amis, die Platte zu splitten. Wohl wissend, dass dies den Vorwurf der Profitgier nach sich ziehen dürfte. System Of A Down und Coheed And Cambria können ein Lied davon singen.
Musikalisch klingt "Automata I" wie die konsequente Weiterentwicklung von "Coma Ecliptic", wenn auch in homöopathischen Dosen. Die dort etablierten Ruhephasen (zugängliche Melodien und ruhigen Synthie- wie Akustikpassagen) flechten BTBAM in bester Progrock-Tradition in ihren Metal/Djent-Mix ein. Sicherlich dürfte sich der ein oder andere Hörer an den vielen metrischen Finessen und durchdachten Harmonien stoßen, die der klassischen Dur/Moll-Schwerkraft trotzen. Gleichwohl passt gerade dieser Stilmix wunderbar zur Traumexegese des Ami-Quintetts. "Change My Spirit" ist sowas wie die textliche Leitlinie der Platte.
Jeder Song erzählt eine Begebenheit aus der dualen Realität des Protagonisten. Mal ausufernder und verspielt wie auf "Condemned To The Gallows", "Yellow Eyes" oder "Blot". Mal fokussierter und kompakter wie ("House Organ", "Millions" oder "Gold Distance"). Und so kreisen BTBAM wie ein Magnetresonanztomograph um den menschlichen Schädel und versuchen den menschlichen Geist hervorzulocken.
Der Fünfer festigt hier seinen Status als moderner Prog-Vorreiter und etabliert sich sozusagen als Dream Theater 2.0. Ob der komplette Zyklus zur Höchstnote taugt wie "Coma Ecliptic", lässt sich zur Halbzeit schwer orakeln. Dafür fällt die Weiterentwicklung im Vergleich zum Vorgänger zu moderat aus. Zudem verhindert die kurze Spielzeit, sich wirklich in die Traumwelt fallen zu lassen.
1 Kommentar
Ich hab das Ding jetzt mehrfach durchgehört - die Aufmerksamkeitsspanne ist tatsächlich kurz, liegt aber eher an den Songs, die die Finessen des Vorgängers oder Colors vermissen lassen. Gesamtlänge 35 Min - auf ne CD passen heute bis zu 80. Ein Doppelalbum wäre doch auch ne Option?! Als Vinyl-Fan tue ich mich schwer 2x 24 EUR für das Gesamtwerk zu zahlen - vielleicht kommt das komplette Teil ja mal im Paket. Ich höre da gute 3,55 von 5 - der zweite Teil reißt es vielleicht raus.