laut.de-Kritik
Das Album gibt sich so bescheuert wie man selbst vielleicht mal war.
Review von Christian KollaschDie Bloodhound Gang kotzt und pisst auf "Hard Off" dort weiter, wo sie mit "Hefty Fine" aufgehört hat. Knietief steht sie in den eigenen Fäkalien und schwenkt die versiffte Fahne des schlechten Geschmacks, als würden wir noch immer das Jahr 2000 schreiben, "Hooray for Boobies!" schreien und als sei Jimmy Pop noch 28 Jahre alt, nicht 43.
Ich erinnere mich an einen guten Schulfreund, der damals den Song "The Ballad of Chasey Lain" als Maxi-Single besaß. Der CD-Aufdruck zeigte eine Frau in Beine spreizender Pose, die Intimsphäre ließ das Loch des Silberlings aus. Damals beömmelten wir uns über diesen vermeintlich raffinierten Sex-Witz, auch wenn keiner von uns die Lücke in seiner Fantasie ausfüllen konnte.
15 Jahre später bringt die Bloodhound Gang mit "Hard Off" diese infantile Perversion zurück, das musikalische 'Höhöhö' nach einer halben Flasche Jägermeister. Schon das Cover schreit danach, das neue Album auf CD, besser noch als Kassette zu kaufen. Bloß nicht auf Vinyl, um das Abbild der reifen Dame mit den überreifen Brüsten möglichst klein zu halten.
Der Anblick eignet sich sicher nicht für schwache Nerven. Aber "Pussies" wollen die Bluthunde sowieso nicht unter ihren Hörern. Die, die Fair-Trade-Kaffee trinken, Haarprodukte verwenden oder noch schlimmer: Klopapier benutzen. Alles Kram für Weicheier, heißt es in "My Dad Says That's For Pussies". Der Einstieg in das Sammelsurium der Körperflüssigkeiten erfolgt mit Pop-Punk aus dem letzten Jahrtausend, der Menschen mit Stauballergie Tränen in die Augen treibt. Was für ein ideenloser Quatsch, den die Gang hier vom Stapel lässt. Trotzdem: In Gedanken trinke ich wieder verbotenerweise Bier und kichere heimlich in mich hinein.
Musikalisch entspricht der Output der Bloodhound Gang auf "Hard Off" in etwa dem, was Bassist 'Evil' Jared Hasselhoff regelmäßig bei Circus Halligalli hochwürgt. Dumpfe Bumms-Beats paaren sich mit Billo-Synthies auf "Dimes", ebenso auf "Chew Toy". Bestenfalls fabriziert die Band belangloses Geklimper wie in "American Bitches". Ein Highlight bietet aber "Uncool As Me" mit dem haarsträubendsten Feature-Gast der Bandgeschichte. Joey Fatone (Ex-N-Sync) steuert auf dieser Ode an schräge Außenseiter Vocals bei, die sich nicht ganz mit seiner Boyband-Vergangenheit vereinbaren lassen ("Hey you, you dance like those assholes I see / in old Molly Ringwald movies / I think you're as uncool as me").
Die lyrischen Ausscheidungen Jimmy Pops finden auf "Diary Of A Stranger" ihren Höhepunkt. Zu grausigem Synthie-Piepen schmückt der Frontmann ein sanitäres Erlebnis der unschönen Art aus: "Barf into a toilet, full of the stranger's diarrhea." Dieses Mal gehen Text und Musik Hand in Hand. Schrottiger geht es kaum, und wieder kann ich mir das Lachen nicht verkneifen. Die Zeile "Hausgemachter Toilettensalat" traf mich unvorbereitet, ich kapituliere vor dieser irren Text-Anarchie. Mit "Socially Awkward Penguin" gelingt der Bloodhound Gang noch ein akzeptabler Ohrwurm, den sie sich jedoch mit banalem Singsang und platten Riffs erkaufen.
Erinnert sich jemand an den Golgathaner aus dem Film "Dogma"? Ein Dämon aus Exkrementen, der aus einer Toilette aufsteigt, um die Helden anzugreifen. So wirkt "Hard Off". Ein Haufen Mist, der aus der Vergangenheit auftaucht und erwachsene Männer wieder über Fäkalhumor lachen lässt. Braucht niemand mehr, tut aber auch nicht weh. Im Gegenteil: Das Album gibt sich so bescheuert wie man selbst vielleicht mal war. Mit einer Menge Nostalgie, Bier und abgedecktem Cover geht das Ding getrost als peinlicher Partyfüller durch.
18 Kommentare mit 18 Antworten
Keine Ahnung, was der Rezensent da für ein Album gehört hat. Ich gebe nach dem ersten Durchlauf 4 von 5 Punkten, gehe aber davon aus, dass es mit zunehmender Anzahl an Durchläufen wächst. Ganz klar Album des Jahres.
Ganz sicher nicht
Genau, unterhaltsam. Nicht mehr und nicht weniger. Der Reszisent bzw. BG-Hater sollte keine tiefgründige Lyrik bei der BG erwarten. Das ist und bleibt Musik für verrauchte Kellerparties mit einem Kaltgetränk zu viel. 3/5 geht in Ordnung.
Mal reinhören! "Hooray For Boobies" fand ich recht unterhaltsam:-)
Ganz klar eines der unterhaltsamsten Alben des Jahres. Man darf es nur nicht zu ernst nehmen. Ansonsten fand ich das Teil herrlich nostalgisch und voll von Ohrwürmern. Auch wenn es hauptsächlich um Pissen, kacken, etc... geht ... oder vlt. gerade deswegen? 4/5
Das zeigt mal wieder, dass deine Wertschätzung stets ein guter Index für Scheiße ist.
Hab dich auch lieb ♥
Ruhe Santiago. Kevin Smash ist ein Ehrenmann.
Was du wieder für Leute kennst @Santi!
Es ist ein Fluch!
Für den du ja selbst sorgst Du könntest mich ja auch getrost ignorieren, da meine Meinung so irrelevant ist, aber das sagt dir ja wiederum auch nicht zu ... von daher selbst schuld
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
mein ranking:
1. track 10/10
2. track 9/10
3. track 9/10
4. track 7/10
5. track 8/10
6. track 7/10
7. track 9/10
8. track 9/10
9. track 9/10
10. track 8/10
11. track 1/10
Wer Anderen vorpubertäres Dasein vorwirft, ist bekanntlich selbst nicht erwachsen. Wie nötig es doch hier der Rezensent hat, zu betonen, dass er jetzt erwachsen ist. Ist er das? Sich erwachsen fühlen und meinen, nicht mehr "so bescheuert sein, wie man mal war" ... und jetzt gefälligst ernst genommen werden will ... ist das nicht genau die Attitüde, mit der man mit 14 Jährchen in den Ernst des Lebens tritt?
Die Wahrheit ist: Das Leben ist zu seriös, um seriös zu sein. Und: Wie einfach und primitiv sind doch die Beweggründe für menschliches Handeln - und wie viel wird in unserer ach so erwachsenen Gesellschaft getan, um diese zu verschleiern. Das Resultat ist täglicher Selbstbetrug, der niemandem etwas bringt - die Wildsau in uns wird auf feucht-fröhliche Nostalgieabende verbannt, bis sie sich ihren eigenen Weg nach draußen im ach so ernsten und erwachsenen Alltag bahnt. Ist es da nicht eine logische Alternative, wir tragen - wie es Hazel Brugger einst sagte - von vornherein unsere Fotzigkeit nach draußen und zeigen Anderen, wer wir sind. Geht es der Gesellschaft im Gesamten damit nicht besser?
Nur so nebenbei, ich bin mittlerweile 31, habe drei akademische Titel und kann von BHG immer noch nicht genug kriegen. Was für eine schöne Abwechslung ist doch dieser gelebte und kotzehrliche Primitivismus zu den wahren traurigen Abgründen im weltlichen Alltag unseres vermeintlich erwachsenen Daseins. Hier wird uns gestattet, zu dem zu stehen, was wir sind, mit allen seinen Schwächen - anstatt unser wahres Ich in einer sozialen Rolle zu begraben, die wir ohnehin niemals erfüllen können. Steht dieser Punkt der persönlichen Entwicklung nicht am Ausgang einer vollends demokratischen Gesellschaft?
Ach übrigens...Jimmy Pop und Konsorten sind mit ihrer Fuck-Attitüde nich alleine. ..auf dem Höhepunkt des Hellenismus schockte der griechische Philosoph Diogenes durch öffentlichen Sex mit seiner Frau...in Günther Grass' "Der Butt" findet sich ein herrliches Gedicht über die Scheisse, zusammen mit romantisierenden Reminiszenzen an den "Hordenschiss" unserer neolithischen Vorfahren, usw/usf --> aber bewies doch schon die Epoche Ludwig XIV - manche ziehen es vor, sich zu pudern und zu perfümieren und den Anschein zu wahren anstatt sich zu waschen - lassen wir sie doch ihre Lebenslüge leben. No Hard Feelings
...und was musikalische betrifft...geiles Album, schön smoothige, rhytmisch-elektronische Sounds - auch wenn sich Lüpüs Thünders Abgang in den Gitarrensongs leider ein bisschen bemerkbar macht...aber alles in Allem immer noch eine glatte Eins...weiter so!