laut.de-Kritik
Detailverliebte, frische Indietunes aus London/Berlin.
Review von Sonja KohnBreton sind eine der aufsteigenden Indie-Kapellen des letzten Jahres. Von ihrem zum Abriss verurteilten Londoner Studio BretonLabs aus zog es die Band nach Berlin, wo sie ein ausrangiertes Funkhaus aus DDR-Zeiten als Aufnahme- und Produktionsstätte für das zweite Album nutzten.
Die detailverliebten, frisch klingenden Indietunes der fünfköpfigen Londoner Band sind mit einer großen Portion Elektronik und schwebendem Pop-Appeal angereichert. Breton sind neben der Musik auch als Filmkünstler tätig, die zu ihren Songs auch immer eigene Visuals für die Liveshows produzieren - und das hört man den oft mit Sprachschnipseln undatiert Fieldrecording-Versatzstücken ausgestatteten Songs auch an. Wie für einen Soundtrack geschrieben gehen die dreizehn fein ausbalancierten Stücke meist nahtlos ineinander über.
Sänger und Gitarrist Roman Rappak, dessen kratzig-heisere Stimme manchmal an die von Casper erinnert, komponierte für fünf Songs des Albums Streicher- und Blechbläser-Parts und ließ diese dann von einem mazedonischen Orchester aufnehmen. Die Eröffnungsnummer ist der wohl bisher poppigste Song der Band: "Envy" ist mit Calypso-Keys unterlegt und die Lyrics der Hookline bleiben im Ohr. "Cause you're a tourist, there's nothing wrong with that / What you never could have noticed, is how your bags were packed / it's how the odds were stacked against you / You're only here as long as they rented it to you".
"S4" beginnt leicht melancholisch und mit Trip Hop-artigem Beat wie ein Song, der auch aus der Feder der ebenfalls gehypten Indie-Neulinge von Sizarr stammen könnte. Die subtile Hintergrund-Instrumentierung mit Streichorchester schleicht sich im Laufe des Songs in den Fokus des Hörers und tauscht die tragende Rolle mit den Beats gen Ende. Auch Assoziationen an Atmosphärisches à la Bonobo werden da erweckt.
"Legs & Arms" kombiniert subtile Elektronik mit verzerrter Megafon-Stimme, vereinzelten Blechbläsern und einer leicht nervigen Tröte, die hier gut zur Rastlosigkeit im Sound passt. Die Single "Got Well Soon" als Instant-Standout des Albums ist sehr anders als die restlichen Songs der Platte. Ein Clubtrack mit nervöser Stimmung dank der treibenden Synthmelodie mit Fuzz-Overload - trotz der fühlbaren Coolness mit 'Sunglasses at Night'-Appeal und Zurückhaltung in den Vocals britzelt es hier gewaltig.
Von Klavierakkorden getragen holt "Closed Category" den Hörer aus dem Tanztempel raus ans Licht des Tages. Im Albumzusammenhang wie der Hangover-Song am nächsten Tag, bauen Breton hier einen Song auf, der es ruhig angehen lässt und in großem Streicher-Outro ausklingt.
Darauf folgt der Übergang zur aufgeheizt flackernden Elektronik von "National Grid", das mit Mitsing-Hook in Aufbruchstimmung den Energielevel von "War Room Stories" weiter hoch hält. Das percussionlastige "Search Party" läutet die ruhigere Hälfte der Platte ein, ein paar im Hintergrund verirrte Streicher mischen sich mit Piano-Einsprengseln. Deutliche Foals-Anleihen gibt es beim gefällig-melancholischen "302 Watchtowers". Romans unangestrengter verhallter Sprechgesang und die schwerelos klingenden Glockenspiel-Flächen passen super zum reduzierten Melodiekonstrukt mit eingestreuten Turntable-Scratches.
"Brothers" klingt ab dem Mittelteil nach einem Instrumental, das man in ähnlicher Komposition auch auf dem letzten Output "Holy Fire" der Engländer finden könnte. Von den in vielen Tracks des 2012er Debüts "Other People's Problems" zugrundeliegenden Hip Hop-Beats hat sich der Fünfer wegbewegt. Ausgehend vom groben Stilmix des Erstlings kommt das jetzige Album um einiges ausgeglichener daher und ist ein guter Schritt nach vorne für die Band.
"15 Minutes" feiert noch einmal die überbordende Stimmung, die Breton als Band bisher ausmacht und ihre verschiedensten Stilelemente zwischen Indie-Wurzeln, Pop und Electronica zu einem flüssigen, funktionierenden Ganzen verbindet, das sich nicht so einfach festhalten lässt. Offenbar finden die Londoner Inspiration für die Suche nach ihrem eigenen Sound in vielseitigsten musikalischen Quellen und verarbeiten das zu einem Album voller sehr unterschiedlicher Songs. Das ist gut produzierte Musik, die den Zeitgeist für 2014 trifft und damit Aufstiegschancen als Anwärter auf die vorderen Plätze im Indietronica-Pop-Karussell hat, so wie das auch Alt-J vielbeachtet hinbekommen haben.
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