laut.de-Kritik
Brooklyn-Hippieness für Wälder, Wiesen und Space-Exkursionen.
Review von Matthias MantheDirekt mit dem Torbogen in die Stube: Does you inspire you?, appelliert der Brooklyn-Dreier noch vor dem ersten Ton derart unverfroren an die innere Stimme, dass man versucht ist, an seiner guten Erziehung zu zweifeln. In der Popkultur jedoch sind solche als Frage verklausulierten Exklamationen an den Kreativgeist natürlich unabdingbar.
Betrachtet man außerdem die Herkunft der Hauptprotagonisten Aaron Pfenning und Caroline Polachek – beide verdingten sich anno 2006 als Wirtschaftsstudenten in Colorado -, wird deutlich, wie eskapistisch ihre Sehnsucht nach Inspiration seinerzeit war. BWL geht mit Fantasie einfach nicht gut zusammen.
Also wanderte man aus nach Williamsburgh, dem Hipster-Viertel des New York der mittleren Nullerjahre, um "background music for haunted houses" zu schreiben. Glücklicherweise ging das Unterfangen Abseitigkeit höchstens zur Hälfte auf. Tatsächlich kreieren Chairlift den sommerlichsten Psychedelic-Indiepop des Jahres.
In den Clubs der Nachbarschaft traf man bald auf experimentierfreudige Gesinnungsgenossen und ging mit den Far-East-beeinflussten Yeasayer auf Tour. Wo aber andere Brooklyn-Emporkömmlinge entweder verintellektualisiert (Animal Collective) oder wenigstens mit reichlich Freakfaktor agieren (Grizzly Bear, Parts & Labor), klingen Chairlift trotz Brooklyn-Faktor vor allem nach einem Trio mit Frauenstimme, bei dem sich der Zufallsgenerator in Reparatur befindet: einfallsreich, aber jederzeit nachvollziehbar.
Über weite Strecken geriert sich das Debüt als eine Art deeperer Au Revoir Simone-Keyboard-Softpop mit luftigem Hippie-Einfluss. Die Schönwetter-Melodie von "Bruises" kaufte Apple für die iPod-Werbung ein, hier finden sich gleich mehrere Songs entspannter Machart: Auch zum uplifting "Evident Utensil" liegt es sich hervorragend in der Nachmittagssonne, während das herrlich verschleppte Gezwitscher in "Planet Health" glatt vergessen lässt, dass bekifftes Tagträumen allein noch keinen Lebensinhalt macht.
Polachek präsentiert ihre wandelbare Stimme mal mädchenhaft-erdig, mal ätherisch-spacig, nicht ohne textlich einen gewissen Environmentalism durchscheinen zu lassen: "When I arrived on planet health / In the state of being well / Surrounded by self consciousness and body images", heißt es im zweiten Stück. Zur gleichförmigen Loungepop-Affäre, wie es die Animation Marke Japanischer Garten auf der Homepage suggeriert, gerät das Album aber nicht.
Der Sechs-Minuten-Beitrag "Territory" gewinnt dank emphatischem Gesang, unendlicher Synthflächen und stoischem Drumming den Pink Floyd-Gedenkpreis – samtiger schweben geht nicht. Der Bonustrack "Le Flying Saucer Hat" wiederum punktet mit kühlem 80s-Wave und französisch akzentuiertem Schmatzen, und "Make Up Your Mind" hat hinreichend konkrete Rockriffs auf den Saiten, um den Schöngeist völlig zu verscheuchen. Eher unnötig wirkt dagegen der Countryausflug "Don't Give A Damn", der den schmalen Grad von Stiloffenheit zu Beliebigkeit überschreitet.
Für ausgiebigeres Lamento reicht das allerdings kaum. "I was trained in diversity", hatten Chairlift uns schließlich zuvor gewarnt. Und die Leichtigkeit, mit der sie Popvermögen und mystizistische Schule einen, lässt letztendlich nur ein Resümee zu: "Does You Inspire You" zeugt sowohl von großer Inspiration als auch beeindruckendem Talent.
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