laut.de-Kritik

Im Schatten der Pretenders.

Review von

Als charismatische Frontfrau der Pretenders gelangte Chrissie Hynde in den Achtzigern mit Songs wie "Middle Of The Road" oder "Don't Get Me Wrong" zu Weltruhm. Sechs Jahre nach dem letzten Studio-Lebenszeichen ihrer Home-Band und nach einer 30-jährigen Karriere im Musikbusiness präsentiert die gebürtige Amerikanerin nun ihr erstes Solo-Album.

Klingt spannend, zumal die Verantwortliche im Vorfeld die eh schon hohen Erwartungen mit dem Satz "Es ist ein durchweg tanzbare Power-Pop-Album à la ABBA meets John Lennon geworden" noch zusätzlich befeuert.

Nun sitze ich also hier und lausche dem Opener "You Or No One" - einem durchweg soliden Synthie-Popper, den man in den anorganischen Achtzigern wahrscheinlich sogar noch mit dem Zusatz "Rock" versehen hätte. Natürlich kennt sich eine Chrissie Hynde mit dem Songwriting-Einmaleins aus. Auch in punkto Harmonien gibt es nichts zu nörgeln. Das passt schon alles und geht schnell ins Ohr. Aber ABBA meets John Lennon? Von einer Symbiose der beiden wohl einflussreichsten Ur-Kräfte der Branche ist das Präsentierte hier doch weit entfernt.

Das anschließende "Dark Sunglasses" lässt erstmals Freunde Gitarren-lastiger Klänge aufhorchen. Die angecrunchte Strophe muss sich aber frühzeitig ummantelten Keyboard-Sphären geschlagen geben, so dass sich am Ende - im Vergleich zum Album-Einstieg - nicht viel verändert.

Mit dem halbakustischen Indie-Schwinger "Like In The Movies" und dem kratzigen "Down The Wrong Way" – das durch einen kurzen Gastauftritt von Flanellhemd-Legende Neil Young noch zusätzlich an Fahrt gewinnt - scheint Chrissie Hynde dann endlich die Kurve zu kriegen. Statt Synthies, nehmen nun mehr und mehr Gitarren-Sounds das Zepter in die Hand. Plötzlich bekommt das Paket Ecken und Kanten und hebt sich vom gängigen 0815-Power-Pop der Konkurrenz ab.

Zur Mitte des Albums hin verfällt die Sängerin jedoch wieder in alte Muster. Abermals geben sich zwar durchaus beschwingte, aber nur selten mit dem gewissen Etwas versehene Radio-Pop-Vibes und nicht sonderlich spannende Wave-Erinnerungen die Klinke in die Hand ("A Plan Too Far", "In A Miracle", "House Of Cards").

Das seichte "Tourniquet" sorgt zum Ende hin noch einmal für gespitzte Ohren. Mit brüchigem Timbre und dem Gespür für Atmosphäre schiebt sich Chrissie Hynde kurz vor dem Finale noch einmal eindrucksvoll an der Masse vorbei. Das war's dann aber auch. Die beiden Rausschmeißer "Sweet Nuthin'" und "Adding The Blue" können da nicht ansatzweise mithalten.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass nicht jedes Aushängeschild einer großen Band auch im Alleingang zu durchweg Musikhistorischem fähig ist. Zum Glück gibt's die Pretenders ja aber noch – zumindest auf dem Blatt. Oder doch nicht?

Trackliste

  1. 1. You Or No One
  2. 2. Dark Sunglasses
  3. 3. Like In The Movies
  4. 4. Down The Wrong Way
  5. 5. You're The One
  6. 6. A Plan Too Far
  7. 7. In A Miracle
  8. 8. House Of Cards
  9. 9. Tourniquet
  10. 10. Sweet Nuthin'
  11. 11. Adding The Blue

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