laut.de-Kritik
Er sei Billie Eilish in männlich, heißt es, aber da fehlt noch ein Stück.
Review von Yannik GölzWer sich in den letzten Monaten nicht auf Teenager-Twitter herumgetrieben hat, könnte sehr gut verpasst haben, wer Conan Gray ist. Das ist verzeihlich. Wen es doch interessiert, für den gibt es eine reichlich zitierte Erklärung: Conan Gray sei die männliche Billie Eilish. Ebenfalls ein Bedroom-Pop-Artist, der von selbstgeschriebenen Songs aus dem Home-Studio über virale Wege die Indie-Kids, die Hipster und schließlich auch den Pop hinter sich vereint.
Hitsongs wie "Maniac" finden bislang überall im Internet statt, nur im Mainstream noch nicht. "Kid Krow", sein Debütalbum, könnte diese Umstände ändern, scheint es kommerziell für den Jungen doch stark nach oben zu gehen. Die Platte selbst stellt den Billie Eilish-Vergleich aber eher in Frage. Deren Debüt war nämlich einiges beeindruckender.
Außerdem sind die Vorbilder hier offensichtlich ganz andere. Man findet Farbkleckse von Lorde, ein bisschen Shawn Mendes, aber das große Vorbild von "Kid Crow" musste "1989"-Taylor Swift sein. Von ihr findet man alles, von den akustischen Balladen bis zu den großen Synth-Pop-Bangern auch im Ouvre von Conan wieder.
Man muss ihm lassen, dass er diese Elemente manchmal sehr charmant ausspielt. Der Eröffner "Comfort Crowd" ist ein süßer, antisozialer Song über die eigene Zerbrechlichkeit und Verwundbarkeit, der in fröhlichen Melodien ein Bedürfnis nach Nähe und Komfort beschreibt. Auch der Viralhit "Maniac" hat seine Klicks verdient. Auf dem besten Synth-Pop-Beat der Platte schreibt sich Gray in all seiner Softness den Frust über eine Ex von der Seele. Altgedientes Rezept, hochsolide Umsetzung.
Das Ding, das Conan charakterlich hervortreten lässt, ist seine patentierte Soft Boy-Ästhetik. Klingt erstmal wie jeder andere sensible Teenie-Bopper der letzten hundert Jahre, und Conan ist keine signifikante Evolution weg von jenen, aber er trägt einen bewussteren und antizipierteren Umgang mit seiner Selbstinszenierung und seiner Männlichkeit an den Tag. Nennt ihn den König der E-Boys, in all seiner Hübschling-Attitüde mit den immer wieder rezitierten Versen über Verwundbarkeit und Self-Care. In dieser Hinsicht fühlt er sich tatsächlich wie ein interessantes Gegenstück zu Billie Eilish an, die ihre Nische der Teenage-Femininität für sich gefunden und verwertet hat.
Alles schön und gut, hilft ihm aber leider auch nicht beim Songs schreiben. Denn was Conan Gray in der Abteilung Darstellung und Image gewinnt, übersetzt er nicht so recht in ansprechende Nummern. Zum Beispiel sollte "Wish You Were Sober" auf dem Papier ein süßer Song über Authentizität von berauschten Gefühlen sein. In der Realität kommt er herablassend, harsch und irgendwie unangenehm rüber.
Für jemand, der so bewusst soft sein will, hat Conan öfter mal eine versnobbte Haltung. Das wirkt nirgends schlimmer als auf dem Song "Affluenza". Nicht nur, dass Influencer-Bashing ja mal das Gummihuhn der Internet-Ära-Comedy ist, wirkt sein Vorwurf der Oberflächlichkeit und Privilegiertheit ein wenig absurd, wenn er von einem jungen, reichen Schönling kommt.
Zuletzt ist aber auch seine Stimme nur bedingt beeindruckend. Er kann singen, er hat auch ein Gefühl dafür, seine Emotionen überzeugend in seine gehauchte, stille Delivery zu imprägnieren. Das mag bei den langsameren Nummern schön und gut sein, leider kranken diese aber allesamt an banalem Songwriting und einschläfernder Produktion. Was dieses Projekt über Wasser hält, sind die schnellen, humorvollen Tracks. Aber so solide sie auch sein mögen: "Checkmate" und "Maniac" hätten mit einem besseren Sänger wohl auch deutlich mehr hergemacht.
Es soll nicht so klingen, als hätte Conan Gray kein Potential. Er hat das Charisma, er hat die Ausstrahlung, er hat das Image. "Kid Krow" lahmt allerdings daran, dass er noch zu sehr versucht, das Image von akustischem Songwritertum aus dem Schlafzimmer aufrecht zu erhalten, während die Platte offensichtlich schon mit Major-Backing und Produzenten-Brigaden dezidiert auf den Mainstream schielt. Würde er sich schamlos auf den Bubblegum-Sellout einlassen, könnte das richtig gut werden. Indie-Barde Conan Gray fällt aber eindeutig in die Kategorie "Meh".
2 Kommentare
Billie Eilish schreibt keine Songs. Und ich habe kein Mitleid für Musiker, die versuchen, ihr Rezept für Mumpitz zu wiederholen.
würde trotzdem