laut.de-Kritik
Vier Fäuste für Haram Para, du Nuttensohn!
Review von Holger GrevenbrockXatar und Haftbefehl sind Coup. Der kurze Runde steht für satten Boom-Bap-Sound, der lange Schlaks für grellen Trap-Sound der Marke Frankreich. Der erste Eindruck zeugt von zwei gegensätzlichen Protagonisten. Umso besser funktioniert ihr neues Projekt mit dem gemeinsamen Ziel, Gangstarap der Straße zurückzugeben: "Wer hat erzählt, Gangstarap muss nicht echt sein? Ich hör überall, es reicht, wenn die Raps fresh seien. Echt? Nein! Auf der Straße kennt dich niemand". Musik in den Ohren derer, die nach dreckigen, ehrlichen Raps lechzen. Vier Fäuste für Haram Para, du Nuttensohn!
In den ersten Tracks geben Coup erstmal bös aufs Maul. Xatar übernimmt stets die erste Strophe, sorgt für klare Tatsachen, ehe sich Hafti in Strophe zwei von seiner Leine reißt und die Lines runterbellt als säße ihm der Teufel im Nacken. Ein ähnlich überzeugendes Bild böten die beiden wohl als Geldeintreiber-Duo, wie "Tret Die Tür Ein" beweist. Während Xatar hierbei eher den klassischen Gangster mimt und das Verhandeln zur Chefsache erklärt, erweist sich Hafti als sein völlig überdrehter Sidekick à la Robert de Niro in "Hexenkessel". Bereit für Heckmeck? "Machete in die Zähne, was das Problem löst, Kanack / Nachdem du deine Faust hebst, bist du bös zersägt, Kanack" ("Kanack") Und wer macht das bitte sauber?
"Straight outta Offenbach / Ich bin Chaos wie Nahost", zischt Aykut in "Gib Geld" über einen Beat, der nach einer durch den Loop-Wolf gedrehten Vollbremsung klingt, dass der Geruch verbrannter Reifen in der Nase sticht. Wenn Haiyti dann noch die betörenden Worte "Das hier wird ein Rendezvous – bam bam bam bam bam" in ihr Mikro stöhnt, klopft der Wahnsinn an die Tür. Selbst der geldgeilste Hustler weiß sich nicht mehr anders zu helfen, als das mühsam Verdiente durch den Briefschlitz zu werfen.
"Ich Zahle Gar Nix" hebt sich dann nicht mehr wirklich von den ersten Tracks ab. Und doch: die Art und Weise, wie Haftbefehl über acht Zeilen Markennamen aufzählt, die sich irgendwie auch noch reimen? Unnachahmlich. Die Formel für das Gelingen der Zusammenarbeit ist so einfach wie genial: Haftis aggressiver Anarcho-Rap trifft auf den schwerfälligen, klassischen Vortrag Xatars. Die Dynamik aus schnellen und langsamen Parts sorgt für eine stets präsente Spannung.
Mindestens zwei Gänge runter schalten Coup im ersten richtig deepen Track, "Paranoid". Über den orientalischen Beat und zusammen mit Feature-Part Yasin el Harrouk philosophieren sie über das Leben auf der Straße. Das haben wir schon oft gehört und neue Einsichten bieten die beiden nicht wirklich. Und doch: das Eintauchen in dem von Haftbefehl und Xatar gezeichneten Sud aus Koksern, Nutten, Spielsüchtigen und Insassen, kurz: Gescheiterten, büßt auch nach wiederholten Male rein gar nichts von seiner Faszination ein.
Über die Qualität der Beats bedarf es eigentlich keiner erklärenden Worte mehr, ein Blick ins Booklet genügt: Egal ob "Die Achse" aus Farhot und Bazzazian, Brenk Sinatra oder Tai Jason - jeder liefert ausschließlich feinste Ware ab, verschnitten ist da nix. Nicht umsonst packen Hafti und der Baba dem "Holland Job" Bonusmaterial allein aus Instrumentals bei.
Unterschwellig finden sich zwar auf beinahe allen Tracks politische Statements, doch erst im Schlusstrack "AFD" bringen die beiden Kurden die Stimmungsmache gegen Einwanderer provozierend simpel auf den Punkt. Geschrieben für die, die nicht darum verlegen sind, die Ursache der eigenen Misere stets im Anderen, Fremden zu suchen: "Jetzt habt ihr alle Angst vor 'nem Turban - der Flüchtling ist dran schuld / Findet kein' Platz in der U-Bahn - der Flüchtling ist dran schuld / Bekämpfen Kiros die ISIS, ist der Kurde für uns gut / Und müssen sie vor Bomben fliehen, soll der Flüchtling ruhig bluten". Und was treibt der glorreiche Rest der Gesellschaft so? "Ach, scheiß ma' drauf! Lass ma' McDonalds chillen!"
Mit "Der Holland Job" gelingt den designierten Nachfolgern von Vincent Vega und Jules Winnfield ein mehr als solides Gangstarap-Album. Für den ganz großen Coup reicht es nicht. Andererseits wäre es durchaus vorstellbar, dass die Kunsträuber noch so einiges aus ihrem Tresor zu verschachern haben. Wünschenswert wäre es allemal.
24 Kommentare mit 50 Antworten
Nein.
LOL - Diese beiden untalentierten Klappspaten bekommen hier ernthaft 4 PUNKTE??? C'mon laut.de, das kann einfach nicht euer ernst sein!!
netter versuch, trolli. leider ist deine "fan von" liste einfach viel zu platt
Die dicksten Produzenten am Start
Es muss schon sehr viel falsch laufen um ein Fundament aus Blanco, Farhot oder Brenk zu versauen
Selbst Tai Jason dabei, mein lieber Mann
Das sind Statements im Soundbild
Ich betone, das Album bisher noch nicht im Gesamten gehört zu haben
Gut, habe gleich den zweiten Durchlauf hinter mir. Befinde mich irgendwo zwischen Baude und dem groben Rest.
Kurz: das Soundbild ist DEFINITIV eigenständig, was schon mal eher selten ist.
In manchen Fällen gelingt es, in anderen nicht, doch wirklich eingängig waren für mich weder die guten noch die schlechten Tracks. Beim ersten Durchhören empfand ich ein paar Ansätze als interessant, wollte mir das Album aber erstmal gar nicht mehr geben.
Selbst die Themen/Bilder gestalten sich stellenweise als interessant, doch der Vortrag insgesamt weiß mir selten wirklich zu gefallen.
Könnte mir vorstellen, dass das Ding noch growt. Bisher hätte mir eine 4-5 Track-EP gerreicht. Schwanke zwischen 3/5 und 4/5. Subjektiv eher 3, da es mich noch nicht packt.
Free Xatar
Yo, immer noch schweigen im Walde seitens Xatar und AON bzgl. "Diss da" und dem EulenMC.
Brudi und ich zeigen Flagge für den Kardes - auf dass seine Antwort die Banger-Flegel zerstäuben wird.