laut.de-Kritik

Eine abwechslungsreich-artistisch-anspruchsvolle One-Man-Show.

Review von

Erst "fake you", dann plötzlich "tru.": Die Wahl des passenden Albumtitels ist mitunter kein einfaches Unterfangen. Man möchte Cro unterstellen, dass er bei Platte Nummer drei wieder einmal wankelmütig irgendwo in der Stratosphäre zwischen Teenie-Pop-Album und Doubletime-Rap-Parts schwebt. Doch weit gefehlt. Der Mann mit der Panda-Maske führt anderes im Schilde: Auf "tru." wagt er einen Neustart und kehrt sein Innerstes nach außen.

Schon die ersten beiden Singles, "Baum" und "Unendlichkeit", demonstrieren, wie Cro im Jahr 2017 klingt: reflektiert, ehrlich, überlegt, erwachsen: "Scheiß auf Money, scheiß auf Bitches und Karrierescheiß / ich wurde nicht weil ich gut ficke bei den Apes gesignt."

Cro fühlt sich seines Ruhmes wegen "gefangen im Hamsterrad des Lebens" ("Forrest Gump") und stellt in "Unendlichkeit" die Frage nach dem Sinn desselben: "Doch wozu Girls, Cash, pretty things, 'n wunderschönen Benz in Weiß? / Und all der ganze fancy Scheiß? / Du stehst vor hunderttausend Fans und weißt: irgendwann ist der Moment vorbei / Und ich wollt' eigentlich Unendlichkeit."

Die Stringenz des Albums beeindruckt ebenfalls. "Baum" und "Unendlichkeit" bauen inhaltlich aufeinander auf und reihen sich dementsprechend auch auf "tru." nacheinander ein. Dasselbe gilt in weiten Teilen für die folgenden vier Tracks, in denen Cro allesamt über die Damen der Schöpfung philosophiert:

Während er in "Computiful" Kritik an der Selbstdarstellung in den sozialen Medien übt, erträumt er sich in "No. 105" seine Herzensdame: "Ich bau' mir meine Frau genauso, wie sie mir gefällt." In "Noch Da" gesteht er sich eigene Fehler im Umgang mit Frauen ein, wohingegen "Paperdreams" die Metapher des Covergirls auf einer Zeitschrift aufgreift.

Die breite Masse der Songs fesselt in erster Konsequenz, ohne dabei die breite Masse befriedigen zu wollen. Cro hat zwar auch diesmal Hits auf seinem Album, allerdings klingt keiner davon wie extra fürs Radio zusammengeschustert.

Einen weiteren, nicht ganz unwesentlichen Baustein bilden die Kompositionen des Werks. Ich kann es nicht anders sagen, aber die sind wirklich großes Kino. Von flott ("Todas") über verspielt ("Hi", "FKNGRT"), der obligatorischen Trap-Autotune-Palette ("Tru") bis hin zu einem wiehernden-Beat ("Paperdreams") bietet Cro ein buntes Potpourri der Klänge. A la bonne heure, wenn selbst die einzelnen Songs ein Intro einleitet respektive ein Outro beendet.

Diese Konstruktion führt zu einer Vielzahl langer Anspielstationen. Fast die Hälfte aller Tracks läuft länger als fünf Minuten. Den Vogel schießt dabei "Computiful" mit 12:36 Minuten ab. Nach rund vier Minuten ist Schluss mit den ansonsten meist lässig eingehauchten Raps von Cro, und es beginnt eine Odyssee an Tönen, die man in diesem Fall wirklich nicht gebraucht hätte.

Die wenigen Features gehen neben einem ambitionierten Cro etwas unter. Einzig Wyclef Jean setzt sich auf "Todas" richtig in Szene und belebt und entspannt den Track gleichermaßen.

Ansonsten ist "tru." eine abwechslungsreich-artistisch-anspruchsvolle One-Man-Show des Rappers mit der Panda-Maske. Passend dazu heißt es im Schlussspurt "2kx": "Ich brauch' keine Shrimps, ich ernähr' mich von Applaus." Fehlt eigentlich nur noch, dass er danach die Maske abnimmt.

Trackliste

  1. 1. Kapitel 1
  2. 2. FKNGRT
  3. 3. Forrest Gump feat. Patrice
  4. 4. Tru
  5. 5. Hi
  6. 6. Todas feat. Wyclef Jean
  7. 7. Baum
  8. 8. Unendlichkeit
  9. 9. Computiful
  10. 10. No. 105
  11. 11. Noch Da
  12. 12. Paperdreams
  13. 13. Fake You feat. Ivy Sole
  14. 14. Alien
  15. 15. 0711
  16. 16. Slow Down feat. Ace Tee
  17. 17. 2kx
  18. 18. Tokyo13317 (Bonus Track)
  19. 19. Unendlichkeit (Video-Edit) (Bonus Track)
  20. 20. My Life (Bonus Track)

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