laut.de-Kritik
Songwriterschnulzen mit sauber geleckter Schrubbelgitarre.
Review von Miriam WolffBei ihren Fans sind Daryll Hall und John Oates als kompositorische Wunderheiler und Songwriterduo des Jahrtausends verschrien. "I'm A Man" ist die erste grausame Wahrheit, die sie verkünden, dann bedrängt einen der nachdrückliche Text "on a mission to love you". Man denkt an die Frisuren der zwei Herren und kriegt als Frau eine Gänsehaut bei der bloßen Vorstellung, sie könnten ernst machen. Und mit aufgesetztem, unspektakulär gewöhnlichem Gitarrenschrammel und dem gesanglichem Soulkrampf, der auf einen einprasselt, will man sich schlicht weigern zu glauben, die beiden Lockies seien Männer auf einer Mission der Liebe.
Man kann diesem "Poprock"-Album wohl kaum vorwerfen, es wäre nicht abwechslungsreich. Neben unzähligen Balladen gibt's auch Stücke, die, wie meine Oma sagen würde, "beschwingt" sind und "nach vorne gehen". Streckenweise richtig Hochglanzboygroup-tauglich, mit Tänzchen und so. Typische Songwriterschnulzen-Manier mit soften Rock- und Soulanleihen beherrschen allerdings die Szene, manchmal gar so fröhlich, dass man würgen muss. Die trübseligen Buffzack-Drums, die pseudorockigen 08/15-Gitarrensoli und allen voran die Schmerzen bereitenden Texte sorgen dafür, dass das Album nicht viel mehr Aufmerksamkeit erregt als ein leicht nervender, gerade zufällig im Radio laufender Brei.
Der Song "Do It For Love" selbst hätte auch prima für den neuen Stern am "Alle Welt sucht den Superstar"-Himmel komponiert sein können - der gegenüber dem Locki-Duo allerdings den Vorteil hätte, immerhin einigermaßen gut auszusehen. "Getaway Car" hat erstaunliche Ähnlichkeiten mit "Runaway Train", bloß dass es sauberer und weniger authentisch klingt. Fehlt allein "Sitaround Ship" und "Walkaway Plane" oder so.
Und es wäre auch in der Tat gemein zu urteilen, dass Daryl Hall nicht singen könnte. Könnte in der Tat einen Job bekommen als immens viel gebuchter Hochzeitsmucker oder gar Soulbackgroundsänger, obwohl seine Kopfstimme doch viel zu oft ins Wehleidige abdriftet. Und das gepaart mit grässlichen Delays und Texten, bei denen man sich wünschte, es wäre eine viel unverständliche Sprache als Englisch. (Bei leicht masochistischen Vorlieben stelle man sich die Musik auf Deutsch übersetzt vor, von Typen mit Seidenhemdchen und Vokuhilas auf billigen umhängenden Keyboards dargeboten auf einem zweitklassigen Privatfernsehsender.)
Doch halt! Es gibt Leute im heutigen Musikbusiness, die viel weniger können. Eigentlich hat so ein sensibles, unglückliche Hausfrauen sicherlich ungemein ansprechendes Duo es gar nicht verdient, dass man schlecht über sie spricht. Lassen wir doch ein paar Leute, die nichts besseres kennen, ihre Musik preisen. Es ist akzeptabele, respektable Arbeit, einige Ideen sind gar nicht so schlecht, es könnte schlechter produziert sein, Rocksoli faken kann der Gitarrenmann auch.
Trotzdem kommt man nicht umhin zu denken, dass einem der Kram der beiden Kompositionsgenies schon mal irgendwo entgegenkam, wenn auch in Bruchstücken. Man könnte sich Ähnliches gut von Bill Withers kaufen, aber das gibt's nun mal nur ohne sauber geleckte Schrubbelgitarre. Und für den individuellen Stil von Hall und Oates, für das, was sie unverwechselbar machen soll, kommt mir allein das Lieblingswort meines Vaters in den Sinn. Er benutzte es für dämliche Geschichten die mein Bruder und ich erzählten: "belanglos".
Noch keine Kommentare