6. Juni 2017

"Wir wollen keine Parodie werden"

Interview geführt von

Am 7. April kam das neue Album "inFinite" der Hardrock-Ikonen Deep Purple heraus und erreichte sofort höchste Chart-Platzierungen. Sowohl der kryptische Albumtitel als auch die angekündigte Tournee der Band, die derzeit unter dem Motto "The Long Goodbye" auch durch acht deutsche Städte führt, lassen den endgültigen Abschied der alten Helden vermuten. Bassist Roger Glover hält sich da aber noch bedeckt.

Im Vorfeld der Veröffentlichung des möglicherweise letzten Deep Purple-Albums "inFinite" gab es Hunderte von Interviewterminen für die Band. Eigentlich haben die Mannen um Bassist Roger Glover und Sänger Ian Gillan solch ausgedehnte Promo ja längst nicht mehr nötig. Die Band ist nicht weniger als Musikgeschichte und hat immer noch Millionen von Fans in aller Herren Länder. Da dürfte sich ein neues Album doch ganz von allein verkaufen.

Gehen einem die zwangsläufig immer wieder gleichen Fragen der Reporter nicht irgendwann auf die Nerven?

Nein, überhaupt nicht. Ich verstehe, dass es Dinge gibt, die gefragt werden müssen. Für mich geht es nicht nur um die Fragen, sondern auch um die Person, die fragt. Und so versuche ich immer, die jeweils richtige und passende Antwort zu geben. Außerdem kann ein bisschen Werbung nie schaden, auch wenn man grundsätzlich schon bekannt ist.

Bevor es um das neue Album geht, noch eine persönliche Erinnerung. Das letzte Mal habe ich Deep Purple in Colmar gesehen, bei einem feinen Doppelkonzert mit Blue Öyster Cult im August 2013. Eine sehr gelungene Kombinaton!

Es freut mich, wenn es dir gefallen hat. Blue Öyster Cult sind so etwas wie Brüder im Geiste. Wir haben schon sehr oft mit ihnen zusammengearbeitet. Wir sind vielleicht nicht die engsten, aber doch ziemlich gute Freunde und es gibt immer ein großes Hallo, wenn wir wieder einmal aufeinander treffen. Sie sind alte Überlebende des Rock'n'Roll-Zirkus, so wie wir. Und das schweißt uns auf eine Art zusammen, denn so viele 'Survivors' gibt es ja nicht mehr.

Beim neuen Album erkennt man alle Markenzeichen der Gruppe und hört darüber hinaus auch neuere, sozusagen zeitgemäße Zwischentöne. Im Vergleich zum Vorgänger "Now What?" scheint es auch etwas härter, düsterer, mysteriöser ausgefallen zu sein. Was denkst du darüber?

Ich bin auf unsere beiden letzten Alben und auf die Songs, die wir dafür geschrieben haben, sehr stolz. Mit einer Geschichte wie der unseren muss man aufpassen, dass man nicht irgendwann zu einer Parodie seiner selbst verkommt. Diese Gefahr besteht schon. Ab und zu werde ich gefragt, warum wir nicht mehr einen Song wie "Highway Star" schreiben. Die Antwort ist einfach. Der Song ist schon geschrieben. Wir schreiben weiter Songs, aber sie klingen halt nicht wie "Highway Star" oder "Smoke On The Water". Als wir diese Stücke komponierten, hatten wir keine Ahnung, wie erfolgreich sie einmal sein würden. Wer weiß das schon im Voraus? Und so schreiben wir Song für Song. Der eine oder andere wird Geschichte, viele andere verschwinden in der Vergessenheit. So einfach ist das. Aber immerhin haben wir über all die Jahre den für uns typischen Sound erhalten. Niemand klingt wie wir, niemand spielt wie wir und wir sind immer unter hundert anderen Bands zu erkennen. Unsere Art zu spielen ist echt, geschieht natürlich, organisch und ungekünstelt. Das ist schon eine Leistung!

"Die meisten Rock-Bands haben keinen Humor"

Würdest du selbst "inFinite" als gut und gelungen bezeichnen?

So einfach ist das nicht. Es macht mich froh, wenn andere das Album loben, wenn es ihnen offensichtlich gefällt. Ich selbst kann das gar nicht so beurteilen. Eine Platte ist dann gut, wenn sie bei den Leuten ankommt. Wenn ich ein Album fertiggestellt habe, fühle ich mich so, wie sich wohl eine Mutter nach der Geburt ihres Kindes fühlt. Du bist über eine Klippe gegangen und landest erst einmal im Nichts. Es folgt quasi eine post-natale Depression, in der ich noch keine Ahnung habe, was ich, was wir da zur Welt gebracht haben. Nach "inFinite" habe ich bis jetzt keinen einzigen weiteren Song geschrieben und ich habe mir die neue Platte auch nicht mehr angehört. Da können Jahre vergehen, bis ich das irgendwann tue. Erst muss ich den ganzen Produktionsprozess mit all dieser Aufregung, dieser Spannung und Energie richtig verdauen.

Das Artwork zur Platte ist ja sehr aufwändig und auch ein bisschen merkwürdig. All dieser polare Stoff, Eisberge und Eisbrecher, Schlittenhunde und ihr als wettergegerbte Abenteurer und Naturforscher in Pelzen und Wintermänteln. Was steckt dahinter?

Was das angeht, sind wir selbst sehr faul. Wir kümmern uns nicht sehr um solche Dinge. Das ganze Konzept wurde von außen an uns herangetragen und wir fanden es einfach witzig. Es hat Spaß gemacht, in diese alten Kostüme zu schlüpfen und damit vor diesen schäbigen Kulissen zu posieren. Deep Purple war schon immer eine Band, die sich nicht so tierisch ernst nahm. Wir waren zwar oft recht hart im Sound, haben uns aber nie als so etwas wie eine Heavy Metal-Band gesehen und uns deswegen auch nie mit all diesen finsteren und martialischen Insignien geschmückt, die in diesem Genre so üblich sind. All diese Schwerter, Totenköpfe und Dämonen.

Wir sind eine Hardrock-Gruppe mit einem ganz eigenen Charakter, kreativ, verspielt, progressiv, ziemlich intelligent und mit einer großen Portion Humor ausgestattet. Den meisten Rockbands geht dieser Humor leider total ab. Das ist schade, denn wenn man sich zu wichtig nimmt, engt einen das ziemlich ein.

Ein wesentlicher Pfeiler im Sound von Deep Purple war immer Ritchie Blackmore mit seiner unverkennbaren Gitarrenarbeit. Wenn man sich Stücke wie "Time For Bedlam" vom neuen Album anhört, dann klingt die Gitarre von Steve Morse teilweise fast hundertprozentig nach Ritchie. Muss er das machen?

Aber nein. Steve ist so ein außergewöhnlicher Künstler, der möchte immer Vollgas geben und er kann einfach alles spielen. Er hat aber auch manchmal die Tendenz, zuviel in einen Song zu packen. Und so hat ihn unser Produzent Bob Ezrin für diese Platte gebeten, einfach öfter mal schlichter, reduzierter und melodiöser zu spielen. Natürlich ist diese Ritchie Blackmore-Gitarre ein Erkennungsmerkmal von Deep Purple und wenn es passt, dann macht das Steve aus Respekt vor der ganzen Historie auch mal gern. Aber es gibt niemanden, der ihn dazu zwingt.

Um noch mal auf Ritchie zurückzukommen. War er wirklich ein so schwieriger Charakter?

Da wird eine Menge geredet. Aber Tatsache ist, dass wir zu 90 Prozent Spaß miteinander hatten. Und Ritchie war ja nicht der Einzige in der Band. Gelegentliche Schwierigkeiten gibt es doch in jeder Firma und in jeder Familie.

"Die beste Zeit für Deep Purple ist jetzt!"

Ihr steht in der Geschichte der Rockmusik auf einer Stufe mit Giganten wie Led Zeppelin, Black Sabbath oder Pink Floyd. Hättest du jemals gedacht, dass ihr so weit kommt?

Auf keinen Fall. Als ich mit meiner ersten Band, einer Schülerband, mit dem Musizieren anfing, da hatte ich diesen Traum von der großen Karriere. Ich wollte unbedingt einen Nummer Eins-Hit schreiben und damit in die Charts kommen. Das hat natürlich nicht geklappt. Man kann so etwas nicht planen. Daran glaube ich nicht. Die besten Dinge in meinem Leben haben sich immer einfach so ergeben. Mein Erfolg begann, als ich bei Deep Purple einstieg. Aber damals waren wir nicht auf eine große Karriere aus, sondern wir wollten einfach das machen und das spielen, was uns gefiel. Ohne Kompromisse. Wir sind dem Erfolg nicht hinterher gerannt. Er kam fast zwangsläufig, weil wir uns immer treu blieben.

Wenn du auf die lange Zeit mit Deep Purple zurückschaust, welche Periode der Band ist für dich die beste?

Die beste Periode ist jetzt! Das ist kein Witz. Ich war mit meinem Musikerleben noch nie so zufrieden. Ich bin sehr dankbar, nach so einer langen Zeit immer noch auf der Bühne stehen zu können, meine Musik zu machen und von den Fans, denen wir letztlich alles verdanken, bejubelt zu werden. Früher haben wir das für selbstverständlich gehalten, aber das ist es ganz und gar nicht. Es ist ein großes Geschenk und ein großes Glück!

Da all die großen Bands der Siebziger nach und nach verschwinden und viele alte Musiker ihre letzte Reise schon angetreten haben, denkst du, dass diese Art Musik irgendwann quasi aussterben wird?

Das glaube ich definitiv nicht! Hardrock hat eine Menge zu bieten. Es finden sich Elemente von Jazz und Pop darin, es gibt Heavyness, aber auch klassische Einflüsse oder Folk, er ist im besten Fall eine Mixtur aus einer Menge von Zutaten und daraus kann man sehr viel Interessantes und Spannendes machen. Hardrock ist eine sehr offene Sache. Man hat darin viele Möglichkeiten, sich auszudrücken. Wenn all die alten Männer (und Frauen) abgetreten sind, wird es sicherlich genug Tribute-Bands geben, die diese Musik am Leben erhalten. Und natürlich junge Bands mit genügend eigenen Ideen, die die Fahne weiter tragen. Auch in 100 Jahren noch. Davon bin ich überzeugt.

Das hört sich beruhigend an. Und vielleicht ist das Ende von Deep Purple ja auch noch nicht so nah.

Dazu kann ich nichts Verbindliches sagen. Wir spielen jetzt erst mal unsere Tour und dann sehen wir weiter. In unserem Alter hat man nun mal nicht mehr alles selbst in der Hand. Deshalb würde ich mich freuen, wenn viele, viele Leute auf unsere Konzerte kommen. Carpe diem, nimm das, was du hast und spekuliere nicht zu sehr auf die Zukunft!

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Deep Purple

"Wir gingen nach Montreux ans Ufer des Genfer Sees ... hatten aber nicht viel Zeit", erzählen Deep Purple zu Beginn ihres bekanntesten Songs. Erst belegt …

Noch keine Kommentare