laut.de-Kritik

Gratwanderung zwischen Hunger und Sensibilität.

Review von

Auf dem Papier hat Disarstar ziemlich viel Potenzial: Hamburger Jung mit klugem Kopf, weiß mit Wörtern zu jonglieren. Dazu eine äußerst angenehme Stimme, die ihre ganz eigene Rhythmik findet. Trotzdem steht er sich immer wieder selbst im Weg.

Es wäre verlogen, "Minus X Minus = Plus" als schlecht zu bezeichnen. Disarstar hat zweifelsfrei Talent. Das stellt er hier besser unter Beweis als noch beim Vorgänger "Kontraste". Mit enormer Energie und Leidenschaft erzählt der Hamburger persönliche Geschichten, deren Abgründe er glaubhaft vermittelt.

"Minus mal Minus gleich Plus heißt, dass jedes dieser Lieder sein muss / ich brauche das, wieder und wieder / an traurigen Tagen schreib' ich traurige Lieder." ("Minus X Minus = Plus") Trotz erhöhtem Kitschfaktor verknüpft Disarstar den Hunger der Straße mit der Sensibilität der Concious-Bewegung. Eine Gratwanderung, die jedoch einige Tücken birgt.

Die musikalische Untermalung glänzt nicht unbedingt mit "Gnackbreakern", um es mal mit dem Maniac'schen Vokabular zu halten. Jedoch klingen die Boom Bap-Avancen auch nicht wirklich unterirdisch, sondern ordnen sich eher im Mittelfeld ein. Disarstar zeigt sowieso viel lieber mit Worten, woher er kommt: "Komm mit auf 'ne Capri Sonne von der Tanke und 'ne Runde um den Block / mit 'ner Machete durch den Dschungel in meinem Kopf" ("Wir Zwei"). Kumpel Credibil, der auf dem gleichen Song einen Gastpart rappt, klingt übrigens wie eine sonderbare Mischung aus Eko Fresh und Farid Bang. Das musste jetzt mal raus.

Thematisch bleibt Disarstar trotzdem bei dem, das ihn bewegt. Er verarbeitet seine eigene Vergangenheit und sieht sich so selbst als Stütze für andere, die den steinigen Weg aus dem Sumpf noch vor sich haben. Zu hören beispielsweise in "Geteiltes Leid", in dem Liedfett eine Tim Bendzko-Hook im Casper-Stil vorträgt: "Wenn ich mich für Glück entscheid', ist das Leid geteilt / brauch' nur Rückenwind, bisschen Fleißarbeit / wenn ich einfach nicht mehr weiter weiß, hol' ich Feuer ausm Herz und verbrenn' den Scheiß."

Außerdem ringt Disarstar mit dem Verhältnis zu einer Frau, ohne die er genauso wenig kann wie mit ihr. Persönliche Konflikte werden zur dramatischen Metapher, wenn sich der Hamburger bei der römischen Mythologie bedient und mit dem Songtitel "Ares & Area" auf das Verhältnis vom Kriegsgott mit der (verheirateten) Göttin der Liebe Aphrodite anspielt, die selten auch Areia genannt wird.

Der leicht überdimensionierte Kitsch wäre größtenteils verkraftbar, hätte sich Disarstar nicht wieder am Antikapitalismus aufgerieben. Die Message: Das System ist böse und du arbeitest nur deinem Chef in die Tasche. Während sein etwas festgefahrener Blick auf die freie Marktwirtschaft in "Glücksrad" oder "Geteiltes Leid" nur am Rande eine Rolle spielt, macht er diesen in "Konsum" und "Kapitalismus" gleich zum Hauptthema.

In Letzterem schießt er dann auch noch gewaltig übers Ziel hinaus: "Ohne Wettkampf, wo wäre heute die Wissenschaft / Gutenberg, da Vinci, Goethe ham nur an Gewinn gedacht / denn Idealismus gibt es nicht und es ist wie es ist / man kann die Welt nicht ändern, und der Mensch ist einfach widerlich." Sein Hass auf das System scheint Disarstar jedenfalls nicht von einem Majordeal mit Warner abgehalten zu haben.

"Minus X Minus = Plus" hinterlässt einen eher durchwachsenen Eindruck. Auf Dauer wirken die Songs etwas langatmig und ermüden den Zuhörer. Ob Disarstar sein unbestrittenes Talent irgendwann einmal so richtig ausschöpft? Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Trackliste

  1. 1. Frischer Wind
  2. 2. Minus X Minus = Plus
  3. 3. Wir Zwei
  4. 4. Ares & Area
  5. 5. Für Dich
  6. 6. Konsum
  7. 7. Death Metal
  8. 8. Glücksrad
  9. 9. Geteiltes Leid
  10. 10. Kapitalismus
  11. 11. Beat, Stift Und Blatt
  12. 12. Himmel Und Hölle
  13. 13. Bewegungen
  14. 14. 1000 Mal
  15. 15. Bewegungsdrang
  16. 16. Tor Zur Welt
  17. 17. Kein Glück
  18. 18. Konsum
  19. 19. Per Aspera Ad Astra

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