Porträt

laut.de-Biographie

Disarstar

Disarstar steht wie kaum ein anderer MC für das Prinzip Läuterung durch Rap. Nach frühen Erfolgen als Hamburger Straßenrapper reißen falsche Freunde ihn in eine Abwärtsspirale aus Alkohol, Drogen und Straffälligkeit. Nachdem er eine Bewährungsstrafe wegen schwerer Körperverletzung kassiert, fängt Disarstar an, über sein Leben und seine Entscheidungen zu reflektieren.

Doubletime: Alligatoah rockt den Parkplatz
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Von der Bahre zum Metal-Album. Disarstar gegen die Bild-Zeitung. Kolja Goldsteins durchschaubare Inszenierung. Sun Diego rund um die Uhr.
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Mit der Hilfe eines Sozialarbeiters erkennt er, dass der eingeschlagene Weg ihm nur schadet. Er beschließt, sich als Mensch und Rapper neu zu erfinden. Fortan setzt er auf intelligente, nachdenkliche Zeilen über die großen Fragen des Lebens, von der Philosophie über Politik bis hin zum größten Thema von allen, der Liebe.

Im Stil des Straßenrappers textet er auf Boom Bap-Freebeats über die Abkehr vom Substanzmissbrauch und der Hinwendung zur Sinnsuche. Mit seinen Lyrics möchte er, der schon als Teenager anfängt, sich mit der Materie Hip Hop auseinanderzusetzen, anderen Kraft spenden und Klischees überwinden. "Viel zu oft sind wir fremdbestimmt / Wir eifern den Idealen nach / Die wir uns aneignen, medial, jeden Tag", heißt es.

Der 1994er-Jahrgang betrachtet auf sechs Mixtapes zwischen 2010 und 2014 Kraftmeierei und Kriminellenpose zusehends als ignorante Plattitüden: "Man muss nicht immer stark sein", lautet ein Zwischenfazit. Nichtsdestotrotz setzt auch der Hamburger neben dem Entzug auf Muskeln: "Sport ist meine Ersatzdroge", bekennt er etwa im Interview mit hiphop.de.

Sein Einsatz wider den tumben Gangstarap wird belohnt, als Disarstar 2014 mit immer noch jungen 20 Jahren bei Showdown Records seinen ersten Plattenvertrag unterzeichnet. Nach der ganz frühen EP "Endstation" mit 16 und dem ersten Mixtape "Ansichtssache" scheint er angekommen zu sein. Das Debütalbum "Kontraste" folgt im Sommer 2015.

Die gängigen Szenemedien nehmen das Werk mit gemischten Gefühlen auf, doch davon lässt sich der Hamburger nicht einschüchtern. "Ich denke, ich bin jetzt auf einem deutlich höheren Level als noch vor ein paar Jahren. Und die neuen Sachen, die jetzt von mir kommen, haben ein solches Niveau, dass die Leute sich das nicht mehr nur anhören und sagen: 'Hör' dir den mal an, der ist ganz gut', sondern: 'Hör' dir den mal an, der ist richtig krass!'" Dafür rücken in der Musik die Inhalte klar vor den Entertainment-Faktor.

Neben Hip Hop und Sport engagiert sich Disarstar in der linken Szene. "Ich sehe mich als Antikapitalist, Antiimperialist und Antifaschist." 2016 veröffentlicht der Hamburger ein weiteres Mixtape, im Jahr darauf erscheint sein zweites Album. "Minus X Minus = Plus" kommt sogar mit dem Label-Riesen Warner im Rücken, und weil die Zusammenarbeit zwischen dem Kapitalisten und seinem Kritiker so gut funktioniert, erscheinen auch "Bohemien" (2019), "Klassenkampf & Kitsch" (2020) und "Deutscher Oktober" (2021) über den Major. 2022 wechselt er in die fachmännischen Hände von Four Music.

 - Aktuelles Interview
Disarstar "Meine Generation hat ein latentes Alkoholproblem"
Der Hamburger über "Kontraste", Zukunftspläne und politische Extreme.

Sein politisches Engagement findet zunehmend Widerhall in linken Kreisen. Mit Gregor Gysi trifft er sich im Format "Rap ist Politik", auf ZDFkultur widmet er sich der Frage "Ist der Kapitalismus am Ende?" und Kritiker Wolfgang M. Schmitt empfängt ihn zum Live-Gespräch über "Rolex Für Alle", Kunst und Haltung. 2023 erfolgt die Gegenreaktion. Nach den Hamas-Anschlägen geraten die frühen Songs "Roter Stern" und "Free World" in den Fokus, in denen er "Tod den Zionisten" skandiert. Bild kritisiert die "Hetze" des "Radikal-Rappers" scharf. Der Angesprochene übt sich in Schadensbegrenzung. "Diese Lieder tun mir leid und ich distanziere mich entschieden von ihnen", schreibt er auf Instagram.

Im Interview mit rap.de auf die Diskrepanzen zwischen seiner Kapitalismuskritik und dem Verkauf des Albums über Major-Strukturen angesprochen, sagt Disarstar selbst: "Ein Stück weit will ich ja was verkaufen. Was die Leute halt nicht verstehen ist, dass ich im Prinzip ja auch nur ein Lohnarbeiter bin, der versucht, über die Runden zu kommen. [...] Wenn ich zehn Millionen auf dem Konto hätte, würde ich auch nicht versuchen, meine Musik zu verkaufen. Dann würde ich sie einfach machen und verschenken."

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Disarstar - Autopilot: Album-Cover
  • Leserwertung: 3 Punkt
  • Redaktionswertung: 2 Punkte

2023 Autopilot

Kritik von Yannik Gölz

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Fotogalerien

Taubertal, 2023 Der Hamburger Rapper sorgte am Freitag für einen ordentlichen Circlepit.

Der Hamburger Rapper sorgte am Freitag für einen ordentlichen Circlepit., Taubertal, 2023 | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Der Hamburger Rapper sorgte am Freitag für einen ordentlichen Circlepit., Taubertal, 2023 | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Der Hamburger Rapper sorgte am Freitag für einen ordentlichen Circlepit., Taubertal, 2023 | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta) Der Hamburger Rapper sorgte am Freitag für einen ordentlichen Circlepit., Taubertal, 2023 | © laut.de (Fotograf: Désirée Pezzetta)

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