10. Mai 2012

"Bei uns gibt es keinen Band-Hitler"

Interview geführt von

Ibbenbüren muckt wieder auf: britischer denn je, mit Frank Turner im Schlepptau und unter Zuhilfenahme eines Majors, lassen es die Donots mit ihrem neunten Album "Wake The Dogs" wieder richtig krachen.Es gibt Bands, die in der öffentlichen Wahrnehmung irgendwie nicht altern. Die Donots aus Ibbenbüren sind beispielsweise eine jener Combos, die man auch achtzehn (!) Jahre nach ihrem ersten Live-Auftritt immer noch als hibbelige Punkrock-Jungspunde auf dem Schirm hat. Ewig junggeblieben, spitzbübisch grinsend und auch heute noch, rein äußerlich gesehen, kompatibel für einen Bravo-Starschnitt, hat der Sechser aus Westfalen in all den Jahren seine jugendliche Frische bewahrt.

Da stellt sich natürlich zwangsläufig die Frage, wo denn dieser Jungbrunnen steht, in dem das Kollektiv bereits seit knapp zwei Jahrzehnten seine Runden dreht. Wir treffen das umgängliche Sextett einen Tag nach ihrem offiziellen 18. Live-Geburtstag im schnieken Kaminzimmer des Berliner Michelberger-Hotels und sprechen über tickende Uhren, Momentaufnahmen und Eigenverantwortung.

Hi, ihr seit gestern volljährig geworden. Unglaublich, oder?

Ingo: Ja, absolut. Wir können das selber noch gar nicht so richtig fassen, dass wir nach all den Jahren immer noch am Ball sind.

Eike: Die Zeit rast einfach an einem vorbei. Ich kann mich beispielsweise noch an irgendwelche Gigs Mitte der Neunziger in kleinen Jugendclubs erinnern, wo ich heute noch den Geschmack der Catering-Mahlzeiten auf der Zunge habe.

Alex: Mir geht es eher so, dass ich finde, dass die Zeit nach 2000 total schnell verflogen ist; so, als würden seitdem die Uhren irgendwie schneller ticken.

Guido: Vor allem sitzen wir heute auch immer noch weitestgehend in derselben Besetzung wie zu Beginn hier. Alex kam zwar erst etwas später hinzu, aber die Zeit davor kann man eigentlich nicht rechnen.

Es soll ja Bands geben, die halten nicht einmal zwei Alben in der gleichen Besetzung aus.

Guido: Natürlich gibt's bei uns auch Reibereien, aber die werden halt schnell und vor allem intern gelöst. Letztlich funktioniert die Band nur deshalb so gut, weil wir als Kollektiv arbeiten. Bei uns gibt es keinen Band-Hitler.

Habt ihr es euch denn gestern wenigstens schön gut gehen lassen?

Ingo: Wir sind ja gerade intensiv mit Promo beschäftigt. Da bleibt kaum Zeit zum Feiern. Wir haben gestern, glaube ich, zwei Bierchen an der Hotelbar geschlürft, und das war es dann auch.

Eike: Ich denke mal, wir werden in zwei Jahren, zum 20-Jährigen, ordentlich was krachen lassen. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Guido: Ich finde, da sollten wir alle mal eine Show komplett besoffen spielen. Was meint ihr?

Ingo: Lass uns doch einfach alle, aber wirklich alle unsere bisherigen Songs an einem Stück spielen. Das wär doch was?

"Was nicht bei allen funkt, wandert auf den Müll"

Da habt ihr aber das ganze Jahr zu tun, oder?

Ingo: (lacht) Stimmt, da käme schon so einiges zusammen.

Ihr habt ja alleine für das neue Album an 65 Demos gearbeitet, richtig?

Ingo: Ich glaube, es waren sogar noch einige mehr.

Alex: Wir haben diesmal eigentlich erst im Studio so richtig angefangen zu schreiben. Jeder hat halt vorher seine Ideen gesammelt und aufgenommen, und wir haben uns dann im Studio hingesetzt und die Sachen durchgehört, ausgesiebt und letztlich mit dem Material angefangen zu arbeiten, das auf Anhieb allen zugesagt hat.

"Wenn alle fünf grinsen, wird aufgenommen", habe ich letztens gelesen. Dauert es nicht ewig, fünf verschiedene Persönlichkeiten zum kollektiven Grinsen zu bewegen?

Guido: Das ist natürlich nicht immer ganz so einfach, ganz klar. Du hast auch mal eine Idee, an der du zuhause tagelang getüftelt hast und die dir nicht mehr aus dem Kopf geht. Dann kommst du freudestrahlend an, spielst das Zeug vor, und irgendwo am anderen Ende des Raums werden schon ganz unauffällig die Laptops aufgeklappt oder die Handys in die Hand genommen. Das ist dann natürlich erst mal hart, wenn du merkst, dass deine Begeisterung nicht geteilt wird. Aber so ist das halt. Mit den Jahren lernt man auch, damit umzugehen. Da ist dann keiner irgendwann nachtragend.

Alex: Wir haben das in der Vergangenheit auch alles schon ausprobiert. All die Ideen, die nicht gefunkt haben auf Halde zu legen und später noch mal wirken zu lassen. Das nannten wir bei unserem letzten Album "Ultra Frankenstein". Da haben wir am Ende noch mal alle verbliebenen Ideen farblich markiert; grün hieß gut, orange hieß geht so und rot bedeutete Müll. Am Schluss war dann doch alles ziemlich rot.

Da bleibt dann auch nichts übrig, was man eventuell mit ein oder zwei Jahren Abstand noch mal aus der Kiste kramt?

Ingo: Also, ich finde persönlich nichts anstrengender, als mich mit alten Demos zu beschäftigen, die wir irgendwann einmal irgendwo archiviert haben. So ein Album lebt ja auch von der Frische des Moments. Was nicht gleich bei allen funkt, wandert auf den Müll, ganz einfach.

Eike: Das ist natürlich auch ein Prozess, den du als Band irgendwann erlernst. Bei uns war das beispielsweise bei den Aufnahmen zum "Coma Chameleon"-Album so. Wir haben ja damals sehr eng mit Kurt Ebelhäuser von Blackmail zusammen gearbeitet. Er hat uns beigebracht, spontan und aus dem Augenblick heraus zu entscheiden. Da wurden dann nur die besten Parts aller Demos herausgepickt, und damit wurde dann gearbeitet. So bündelst du den Moment. Und genau so sind wir auch dieses Mal verfahren.

Ingo: Das kann dann auch mal zu unkonventionellen Maßnahmen führen. Wir hatten beim neuen Album während der Aufnahmen auch ein Mikro neben dem Mischpult in der Regie zu liegen. Und immer dann, wenn einer eine Idee hatte, wurde das Ding auch benutzt. Ob es nun irgendwelche Chöre, Gesangsvorschläge waren oder sonstige Einfälle. Letztlich wanderten viele von genau diesen Rough-Spuren auch original auf Platte, da sie im Endeffekt besser klangen als die nachträglich eingespielten oder eingesungenen Passagen.

Wir sind seit jeher totale Kontrollfreaks

Ihr habt auch einen Track zusammen mit Frank Turner aufgenommen. Von wem ging denn da die Initiative aus?

Ingo: Ich kenne Frank jetzt schon ziemlich lange und habe seinen Weg die ganzen Jahre über immer verfolgt. Er lief uns letztes Jahr während eines Festivals über den Weg und da fragten wir ihn halt, ob er nicht Lust hätte, mit uns einen Song aufzunehmen. Das passe gut, meinte er nur, denn wir wären eh seine Lieblingsband aus Deutschland. Und zack, war die Sache eingetütet (grinst).

Eine weitere Überraschung ist eure Zusammenarbeit mit Universal. Viele dachten, dass ihr nach dem Sony-Fiasko vor einigen Jahren keinen Gedanken mehr an ein Major-Label verschwenden würdet. Wie kam es zur neuerlichen Annäherung mit der High-End-Industrie?

Ingo: Zunächst einmal kann man ja nicht jedes Label und seine Verantwortlichen über einen Kamm scheren. Es war damals bei BMG/Sony sicherlich so, dass wir unter den Umständen und mit dem Team, das uns "zur Seite" stand, nicht mehr arbeiten konnten und wollten. Deswegen haben wir auch unser eigenes Label Solitary Man Records aus dem Boden gestampft. Das hat uns letztlich auch das Überleben gesichert, denn wir hatten plötzlich wieder die Kontrolle und konnten alles genau so in Angriff nehmen, wie wir uns das vorgestellt hatten.

Das passte auch für die beiden folgenden Alben "Coma Chameleon" und "The Long Way Home" wunderbar. Ich meine, das kannten wir ja auch alles noch von früher. Als wir anfingen, haben wir auch alles selber gemacht. Ich saß nachmittags stundenlang vor dem Telefon und dem Faxgerät und habe versucht, irgendwo irgendwelche Shows anzuleiern. Das war uns also nicht fremd. Also haben wir uns gesagt: Mensch, das können wir doch alles auch selber. Wir wissen doch wie es geht. Und wenn dann nach einigen Monaten ein Nathen Maxwell von Flogging Molly anruft und fragt, wie wir das denn alles so hinbekommen, weil man doch selber auch ein eigenes Label ins Leben rufen will, dann gibt das einem schon ein gutes Gefühl.

Aber irgendwann haben wir dann gemerkt, dass wir das alles alleine nicht mehr stemmen können. Wir fühlten uns zunehmend eingeschränkt und sind vor lauter Promo- und Marketingaktivitäten kaum noch zum Proben gekommen. Wir haben die Band aber seinerzeit ins Leben gerufen, um Musik zu machen. Also mussten wir etwas ändern. Es ging uns bei der Kooperation aber keineswegs um den lukrativsten Partner, sondern ganz allein darum, ein Team zu finden, das uns Arbeit abnimmt, Ideen beisteuert und genau die selbe Philosophie verfolgt wie wir. Schlussendlich haben wir bei Universal genau die richtigen Leute getroffen.

Alex: Wir waren zu Beginn auch nicht frei von Skepsis, absolut nicht. Aber wir haben sehr schnell gemerkt, dass sich scheinbar auch bei den Majors, zumindest bei Universal, in der Zeit, in der wir unser eigenes Ding durchgezogen haben, die Prioritäten wieder etwas verschoben haben. Das Gefühl, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die ebenso dynamisch und fokussiert an denselben Dingen werkeln wollen wie wir, hat uns relativ schnell überzeugt.

Ingo: Was uns auch noch ganz wichtig war, ist, dass wir weiterhin komplette Kontrolle über alle relevanten Dinge rund um die Band haben. Wir sind nämlich schon seit jeher totale Kontrollfreaks (lacht). Ich weiß zwar, dass wir im Allgemeinen als nette Band von nebenan dargestellt werden, und ich denke, wir sind auch ziemlich umgängliche Kerle; aber wenn es um bandspezifische Dinge geht, können wir, glaube ich, auch ziemlich anstrengend sein. Wir wissen genau, was wir wollen und das war in der Vergangenheit eben nicht immer genau das, was andere von uns erwartet haben. Universal hingegen steht da wie eine Bank hinter uns und lässt uns schalten und walten. Das ist auch gut so, denn nur so funktioniert es.

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