19. August 2010
"Das Ende ist in der Mitte"
Interview geführt von Volker RueßE ist sozusagen sein eigener Rick Rubin: er kümmert sich um alles selbst, von der Aufnahme übers Produzieren bis hin zur Abmischung. Wie hat er nur in so kurzer Zeit drei neue Alben hinbekommen?Kurz vor diesem Interview wurde Mark Oliver Everett in London von der Polizei verhört. Jemand hatte den Hinweis gegeben, durch den Hyde Park spaziere eine verdächtige Person, die wie ein Terrorist aussehe. Sein lakonischer Kommentar, nachdem ihn die Polizei wieder freigelassen hatte: "Not every guy with short hair and a long beard is a terrorist. Some of us just want to rock."
Hallo, ich rufe an aus Berlin, für laut.de
Hi. Ich bin gerade in London.
Fangen wir am besten gleich an. Könntest du das Konzept erklären, das hinter den drei Alben "Hombre Lobo", "End Times" und "Tomorrow Morning" steckt?
Es geht um drei spezielle Emotionen, die wir alle schon mal erfahren haben. Das erste Album dreht sich um Verlangen, das zweite darum, seine Liebe zu verlieren, und beim dritten geht es darum, eine neue Chance zu bekommen, eine Wiedergeburt.
War das von Anfang an geplant, die drei Alben zu machen?
Ursprünglich dachte ich mal, dass es nur zwei sein würden, aber dann entschied ich mich, doch drei zu machen.
Hast du das nach "End Times" entschieden?
Nein, nein, das hab ich sehr früh entschieden.
In "Hombre Lobo" bist du ja in einen fiktiven Charakter geschlüpft. Bei den anderen Alben auch?
Nicht wirklich. Allerdings ist auch keines von ihnen allein autobiographisch. Es ist wohl beides, wahrscheinlich.
Ist die Message, dass es nach dem Ende aller Zeiten immer noch einen nächsten Morgen gibt?
Ja, mir gefällt es, wenn man auf den Titel "End Times" schaut und danach auf "Tomorrow Morning", dann verändert es die Bedeutung von "End Times". Also das Ende ist in der Mitte und es endet schließlich mit einem neuen Anfang.
Also wenn man eine Krise hat und denkt, das sei das Ende ...
Es kann sich wie das Ende anfühlen, aber es kann und wird besser werden, wenn du es willst.
Aber es ist nicht autobiographisch, wie du sagtest?
Naja, manches davon natürlich schon. ... Ja
Aber du willst nicht sagen, was?
Nein, besser nicht.
Ist es wichtig, manchmal depressiv zu sein?
Nein, das glaube ich nicht. Ich wünsche es niemandem, Depressionen zu haben. Depressionen und Traurigkeit sind zwei unterschiedliche Dinge. Es ist wichtig, manchmal traurig zu sein, wenn man über etwas traurig sein sollte. Aber Depressionen sind etwas ganz anderes. Man fühlt überhaupt nichts mehr, man hat keine normalen Gefühle mehr.
"Das Geheimnisvolle steckt in der Politik des menschlichen Herzens."
Du wirkst immer sehr, als ob du in deiner eigenen Welt lebst, in der es nur Musik gibt. Hast du auch noch andere Interessen neben der Musik?Nicht sehr viele. Das nimmt schon den Hauptteil meines Tages in Anspruch.
Nimmst du denn zum Beispiel politische Prozesse wahr?
Ja, natürlich. Aber ich bin kein Fan davon, Politik und Musik zu vermischen. Das Geheimnisvolle steckt mehr in der Politik des menschlichen Herzens. In der Politik des eigenen Hinterhofs.
Aber Tiere scheinen dir sehr wichtig zu sein. In der Doku "Parallel Worlds, Parallel Lives" gehst du den Spuren deines verstorbenen Vaters nach. Das einzige, auf das er sich einließ, waren seine physikalischen Theorien und seine Hunde. Das seid ihr euch sehr ähnlich, oder?
Ja, das habe ich mit ihm gemein. Er konnte sich nicht mit Menschen erwärmen. Aber es war immer eine Überraschung, wenn man ihn mit Hunden spielen sah. Da war er ganz anders.
Macht dir das Sorgen, so ähnlich wie dein Vater zu sein?
Ja, das macht einem manchmal Probleme. Man versucht immer, das anders zu machen, was einen an seinen Eltern gestört hat. Aber es gibt wohl ein paar komische Dinge in einem, genetisch oder so was, die schwer zu vermeiden sind. Aber man kann sich immer Mühe geben und versuchen, es besser zu machen.
Wärst du ein guter Vater?
Ich weiß nicht. Manchmal glaube ich schon, aber andererseits denke ich oft, dass ich zu sehr wie mein Vater wäre.
Willst du denn einmal Kinder haben?
Da ist es ähnlich. Manchmal möchte ich das, aber andererseits habe ich genau aus dem Grund auch Angst davor.
"Es war so was von lächerlich!"
Kürzlich wurdest du in London von der Polizei verhört. Jemand hatte sie wegen einer verdächtigen Person gerufen, die wie ein Terrorist aussah und durch den Hyde Park spazierte. Wie behandelt die britische Polizei potentielle Terroristen?Sie waren wirklich respektvoll, ... aber es war so was von lächerlich! Ich meine, ich verurteile nicht die Polizei, sondern denjenigen, der dachte, ich sei ein Terrorist und deshalb die Polizei gerufen hat. (lacht) Sie mussten natürlich darauf reagieren, das verstehe ich. Aber die Tatsache, dass jemand mich herausgesucht hat, ist schon sehr seltsam. Ich meine, ich verstehe schon ... ich hab einen Bart und so ... aber ich bin nur durch den Park gelaufen, saß auf einer Bank und machte eine Pause im Grünen! Da waren wahrlich einige Leute im Park, die mir verdächtiger schienen als ich. Das war wirklich die komischste Sache, die mir je passiert ist, das kann ich dir sagen!
Aber hattest du nicht auch mal Probleme an amerikanischen Flughäfen in der Vergangenheit?
Ja, das ist lange her. Das war 2001, als ich das erste Mal den Bart trug. Das lag vor allem am schlechten Timing. Wir waren gerade auf Tour, als 9/11 passierte und plötzlich war jeder, der ein bisschen anders aussah, ein potentieller Terrorist. Das war so ein großes Problem, dass ich am Ende meinen Bart abrasierte, weil ich müde von den ganzen Schikanen war. Das war das Schlimmste an diese ganzen Erfahrungen.
Was ist der Unterschied zwischen amerikanischen und englischen Polizisten?
Die englischen haben keine Waffen, aber die amerikanischen haben Kanonen! (entrüstet) Große Kanonen!
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