laut.de-Kritik
Die Schweizer vereinen den Zorn der frühen Jahre mit sanften Melodien.
Review von Adrian MeyerRockmusik ist tot. Wieder einmal. In Großbritannien zählten 2010 nur drei der hundert meistverkauften Songs zum Genre Rock. Journeys "Don't Stop Believin'" war einer davon, weil die TV-Serie "Glee" den Song spielte. Freilich, Rock wird alle paar Jahre für tot erklärt. Siehe "Guitar groups are on the way out, Mr. Epstein", damals, 1962 bei Decca Records.
Favez aus Lausanne darf das Geplänkel darum, ob man Rock jetzt endlich den letzten Sargnagel einschlagen sollte, getrost egal sein. Nach fast 20 Jahren Bandgeschichte, sechs Alben und über 1.000 Liveshows sind sie zu einer Konstante des Schweizer Alternative Rocks geworden.
"En Garde!" exklamiert die Band um Sänger Chris Wicky nun und lässt die Kritikerstimmen vor vier Jahren vergessen. Diese bemängelten damals, Favez sei mit "Bigger Mountains Higher Flags" zu poppig, zu zahm geworden. Mit ihrer siebten Platte vereint Favez den Zorn der frühen Jahre mit den sanfteren Melodien ihrer jüngeren Schaffensphase.
Abgesehen von ein, zwei Durchhängern gelingt Favez die Verbindung aus druckvollen in-your-face-Knallern ("Tearing Down The Highway", "Like The Old Days", "The Heart Of A Cynic") und nachdenklicheren, von Tasteninstrumenten geprägten Exkursionen ( "End The Show"). Am besten klingen Favez jeweils dann, wenn sie diese Nachdenklichkeit mit leidenschaftlicher Power im gleichen Song vereinen.
Die Single "Closet Astronaut" ist eindeutiger Höhepunkt des Albums. Die Flüsterstimme der Strophe entführt in die Höhen der Stratosphäre, im Refrain gelingt mit Wickys Stimmgewalt gar der Übertritt ins All. Der Song lässt einen nicht mehr los.
"A Silent Man" schließlich zeugt von der Reife einer Band, die trotz ausbleibenden Fames weiterhin das macht, was sie liebt: ehrlichen, unprätentiösen Alternative Rock. Was die Feuilletons auch über den (leblosen) Zustand der Rockmusik kalauern mögen, diese Band hat die Hoffnung nicht aufgegeben: !Hey by the way, I'm not living alone, I'm not ready for a life of kicking stones" singt Wicky, während um ihn herum die Gitarrenwände auf die Bretter knallen. Gerne mehr davon, Favez.
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