laut.de-Biographie
Fischer-Z
Fischer-Z sind Pioniere des Postpunk und Mitbegründer der New Wave. Neben anderen Ikonen wie Public Image Ltd oder Bauhaus gehören sie zur allerersten Garde jener Bands, die der schroffen Fratze des Punk eine komplett neue Ästhetik entgegensetzen und Elemente von Dub und Reggae einbauen.
Im Zentrum der Band steht seit 1976 Mastermind John Watts als Gitarrist und nahezu alleiniger Songwriter. Dennoch gilt vor allem das Zusammenspiel der Mark I-Besetzung mit David Graham (Bass), Steve Skolnik (Keyboard) und Steve Liddle (Drums) als wegweisend. In dieser Formation spielen die selbst ernannten Fischköpfe zwischen 1979 und 1981 die legendäre Albentrilogie "Word Salad", "Going Deaf For A Living" und den popkulturellen Meilenstein "Red Skies Over Paradise" ein.
Bereits das im Mai 1979 erscheinende Debüt "Word Salad" zeigt die Band erstaunlich komplett und homogen. Schwofiger Reggae, angedeutete Punkrhythmen und die klinische Kälte des brandneuen Wavegenres vermischen sich zu einem hochaktuellen Cocktail. Neben Watts charakteristischer Falsettstimme sorgt besonders das stetige Duell seiner prägnanten E-Gitarre mit den spacy Keyboards für die Anziehungskraft des typischen Fischer-Z-Sounds. Mit "The Worker" und "Pretty Paracetamol" finden sich zwei erste Hits auf der Platte.
Watts Texte klingen ebenso außergewöhnlich wie die Musik. Neben ein wenig Romantik serviert der studierte Psychologe vor allem deutliche Sozialkritik und Songs, die von psychischen Problemen handeln. Der Londoner kennt sich aus. Vor der musikalischen Karriere arbeitet er eine Zeit lang in der Psychiatrie. Die dort gemachten Erfahrungen prägen auch in den folgenden Jahren viele der Fischer-Z-Tracks.
Genau ein Jahr nach dem Erstling erscheint ihr legendäres "Going Deaf For A Living". Das musikalische Konzept bekommt noch mehr Kontur. Vor allem Watts Gitarre rückt deutlicher in den Vordergrund. Fast die Hälfte der Platte besteht aus Hits, die auch das kontinentale Europa von Deutschland bis nach Portugal knacken. Die Singles "So Long" und "Room Service" bleiben auch in den nächsten Dekaden ewige Visitenkarten der Band. Letzteres weist Watts mit seiner autobiografischen Zimmermädchen-Romanze auch als großen Shortstoryteller aus. "My morning call was Arabs in the hall./And you spit half my tea, but...It's all right!"
Nicht leicht, so etwas kreativ noch zu toppen. Doch Druck scheint ihnen ein Fremdwort zu sein. Nur zehn Monate später erscheint im Frühjahr 1981 das ewige Fischer-Z Opus Magnum "Red Skies Over Paradise". Als einem der Kultalben der 80er Jahre kommt die Platte in den Bunkern der Goths und Waver genau so gut an wie beim Mainstreampublikum.
Die LP trifft mitten ins Schwarze des damaligen Zeitgeistes. Grassierende Angst vor dem Atomkrieg, Arbeitslosigkeit und Desillusionierung prägen die europäischen Gesellschaften der frühen 80er. Fischer-Z greifen alles auf und verrühren die Depression zu einer unwiderstehlich apokalyptischen Party.
Mit den germanophilen Tracks "Berlin" und "Marliese" sowie der großartigen Single "The Writer" rocken sie jeden Partykeller. Das finstere "Cruise Missiles" findet bei den Gruftis ebenso Anklang wie in der Friedensbewegung. Doch der größte Song ihrer Karriere ist das hymnisch-dunkle Rockstück "Battalions Of Strangers".
Perfekt pointierte Synthies und Watts Wall of Guitar laden zum endzeitlichen Tanz, während der Fischer-Z-Sänger die Sinnlosigkeit des Krieges im Chorus durch großes Wehklagen anprangert. Trotz solch epochaler Momente bricht die Einheit der Musiker schon während der Aufnahmen auseinander. Schon bei der folgenden Tour ist die Urbesetzung Fischer-Zs Geschichte. Bis auf einen kurzen Reuniongig - mehr als zwanzig Jahre später - kommen sie nicht wieder zusammen.
Watts selbst begreift Fischer-Z vor allem als eigenes Projekt. Als von Beginn an alleiniger Songwriter und Texter kann er sich das leisten. Dennoch erreicht er mit den verschiedenen Erfüllungsgehilfen der folgenden Jahre kaum jene hypnotische Sogwirkung des Postpunk-Ensembles.
Das 1987 erscheinende "Reveal" geht immerhin noch als gelungenes Popalbum durch. Die Auskopplung "The Perfect Day" mausert sich zum Singlehit und bleibt einer der charmantesten und beliebtesten Tracks im Repertoire. Doch keines der später folgenden Alben kann auch nur entfernt an Popularität und Intensität früherer Glanztaten anknüpfen. "Destination Paradise", "Stream" oder "Ether" schwanken recht unausgegoren zwischen unfertigem Singer/Songwriter-Geist und gewittrigem Waverock.
Nach diversen Soloscheiben und längerer Fischer-Z-Pause wagt Watts 2015 mit "This Is My Universe" das Comeback unter dem alten Namen. Neben ein paar spannenden Ansätzen und gelungenen Texten bleibt jedoch auch diese CD weit hinter den musikalischen Erwartungen zurück und hinterlässt beim Hörer einen ungewohnt müden Eindruck.
Anders sieht der Songwriter selbst das und gibt 2019 bekannt: "Ich habe das Gefühl mit dem Älterwerden meine besten Sachen zu machen und ich habe immer noch die Energie, das ist fantastisch." Immerhin riskiert er es auf seinem 2017er Album "Building Bridges", das Thema der weltweiten Migration anzurühren und wünscht den Menschen in Syrien, etwas von den positiven Folgen der Flower Power-Ära San Franciscos abzubekommen.
"Kleine Kinder werden aus ihren Betten gebombt / Vertraute Strände werden zu Todesstreifen / Menschen rund um die Welt unterwegs / (...) / Nietzsche, weiser alter Lehrer / bring San Francisco zur Disco von Damaskus." Den Bogen spannt Watts zum Albumende sogar zu den "Opfern der Kriege des Westens" in Afghanistan und positioniert sich damit politisch recht eindeutig am linken Rand.
Seine Töchter belächeln John Watts für die Vorstellungen in seinen Texten. Diese seien naiv und harmoniesüchtig. Mit "Wild Wild Wild Wild" gelingt Fischer-Z wieder ein eingängiger Song im Stile des großen Hits "So Long".
Watts reist mit seiner Band auch durch Deutschland und gibt im Frühjahr 2017 erst vier und im Herbst weitere 15 Konzerte, davon natürlich auch zwei in Berlin, der Stadt, deren Kulturszene und Teilung in Ost/West er auf dem Album "Red Skies Over Paradise" einst so liebevoll detailliert besang.
Schon im Frühling 2018 kehren Fischer-Z für fünf Gigs in kleineren Städten und zwei Shows bei kleinen Open Air-Festivals zurück. Und auch für den Herbst 2019 scheint die Nachfrage ungebrochen. Von dem Dutzend geplanter Konzerte ist eines bereits zwei Monate vorab ausverkauft. Dabei steht das Album "Swimming In Thunderstorms" zu diesem Moment des Ticket-Vorverkaufs noch gar nicht in den Läden.
Hierauf erzählt er unter anderem eine Geschichte aus dem Blickwinkel eines Alkoholabhängigen. Es handelt sich um einen Rückblende-Song. Zum Zeitpunkt der Erzählung ist der Trinker obdachlos, doch ihm kommt in den Sinn, wie sein Leben mit 13 noch funktionierte: "when my life was controled / I was concerned / when I was 13 years old." Seine Lösung: "Take me home, Mama!" Weil diese Lösung nicht eintritt, greift er zur Flasche.
"Big Wide World" heißt der musikalisch und textlich sehr stringente Song, Vorab-Track zum Album, das an einem Freitag, den 13. erscheint. Ob Watts so viele 13'er Glück bringen und ihm vielleicht einen 13. Konzerttermin in der Deutschland-Tournee einbringen?
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